LE WEEKEND

LE WEEKEND“ von Roger Michell (GB 2012; B: Hanif Kureishi; K: Nathalie Durand; M: Jeremy Sams; 93 Minuten; Start D: 30.01.2014); wenn Sätze wie „Du bist der Postmann, der niemals klingelt“ oder „Früher warst du eine feministische Taliban“ oder „Es ist großartig, wenn man mit dem eigenen Unglück so in Einklang ist“, dann bist du in einem britischen Wohlfühl-Movie. Mit dem derzeit angesagten Kino-Thema: Leben im Alter. Auskommen in den vorgerückten Jahren. Komische Wehmut. Pointierte Melancholie. Harry & Sally sind inzwischen Oldies. Oder Jesse & Celine (DIE aus „Before Sunrise“/“Before Sunset“ und neulich „Before Midnight“). Oder all die prächtigen Paare von damals. Die herumschnatterten, sich emotional balgten, um dann das gemeinsame Zusammenleben anzugehen. Zu initiieren. Nick & Meg sind die heutigen Protagonisten.

Sie leben im akademischen Birmingham und kommen anlässlich ihres 30. Hochzeitstages nach Paris. Er ist Versuchsliterat und hält Vorlesungen an einer „nicht so dollen“ Universität. Sie ist Biologielehrerin. Man gibt wie zwei Latschen. Passend, aber ständig am Mäkeln, wer führend links und wer rechts sein darf. Wohin die Füße tragen sollen. Nachdem ihre Herberge, wo sie vor dreißig Jahren flitterten, ihr nicht gefällt, muss er stöhnend mit in eine feudale Unterbringung. Und ab geht die Luzie: Man kennt und riecht sich bis in jede Gedanken- und Gefühlspore, also wird freudigst gestänkert. Mit wie gegeneinander. Wobei Meg sich dabei als verbale „Anführerin“ hervortut. Während Nick lieber die lakonische Betrachtung und Erklärung bevorzugt („Ich glaub’, das Spaßhaben nicht wirklich mein Ding ist“) und sich stoisch beleidigen lässt. Dermaßen „kichernd“ ziehen sie durchs teure Paris. Wollen es noch einmal wissen, ob das immer noch so intakt- verrückt mit ihnen läuft. Zwischen Sarkasmus, Zynismus und Slapstick. Etwa wenn die Zeche beim Restaurantbesuch geprellt wird. Als sein alter College-Freund Morgan (JEFF GOLDBLUM) auftaucht, ein respektabler Autor mit Medienbeachtung und junger, schwangerer Französin als Ehefrau, wird dessen Dinner-Party-Einladung in seiner schmucken Wohnung zur Erkenntnis. In Sachen Zusammentreffen von Ängsten mit Alkohol und überhaupt. Unantastbare Liebe zum Beispiel. Zurück im Hotel schlägt umso unbarmherziger die Realität zu. Wegen der nicht (mehr) vorhanden Penunsen. Am Schluss wird im Bistro getanzt

Ein filmischer Hochkaräter. Wenn List und Lust auf Charme und Gewissheit stoßen. Und Konsequenz: ER schmatzt immer so beim Essen. Entsetzlich. Wie hat SIE dies über die Jahre nur ertragen können? SIE keift bisweilen wie eine Zicke und genießt ihren verbalen Terror. Über ihn. Wieso lässt er dies so „gemütlich“ über sich ergehen? Merke: Das Einmaleins einer Ehe. Wird hier praktiziert. Erläutert Regisseur ROGER MICHELL im Presseheft. Sein bislang populärster wie erfolgreichster Film war 1999 „Notting Hill“. Mit Julia Roberts und Hugh Grant. Beziehungsweise umgekehrt. Zuletzt hatte er ein bisschen den komödiantischen Atem verloren („Morning Glory“; „Hyde Park am Hudson“), hier aber ist er wieder in seinem köstlichen Beziehungselement. Zum einen, weil er wieder von seinem Lieblingsautoren HANIF KUREISHI, 59, „bedient“ wurde, der durch seine Drehbücher zu Kultfilmen wie „Mein wunderbarer Waschsalon“ und „Sammy und Rosie tun es“, beide von Stephen Frears, berühmt wurde, und zum anderen, weil er zwei sagenhaft schmucke Alterspole aus der britischen Darstellerszene „bekam“: JIM BROADBENT und LINDSAY DUNCAN. Jim Broadbent, 64, gilt heute als einer der besten Charakterinterpreten des britischen Theaters, ist aber seit 1978 auch vor der Filmkamera erfolgreich aktiv. Erhielt 2001 für seinen Judi Dench- Ehemann-Part in dem Film „Iris“ einen „Oscar“ als „Bester Nebendarsteller“ , war neulich der „Maggie“ Thatcher/Meryl Streep- Ehemann in „Die eiserne Lady“. Ein großartiger Mime. Der diese vielen seelischen Kleinigkeiten im Leben des schrulligen Nick hier so wunderbar „klein“ und dennoch aufregend mit seinen Händen „sichtbar“ auszudrücken versteht. Dem zuzusehen und zuzuhören (deutsche Stimme: Roland Hemmo) eine lächelnde Faszination ist („Für mich gab es niemals Sex ohne den Versuch zu lieben“).

Die aus Edinburgh stammende LINDSAY DUNCAN als Meg besitzt viel von dem Temperament, der Eigenwilligkeit und der Unzufriedenheit wegen der eigenen Unvollkommenheit einer Jeanne Moreau- Catherine aus Francois Truffauts Kultklassiker „Jules und Jim“ (1961). Sie ist so herrlich übermütig- unwirsch, zärtlich, fordernd, ratlos. Bestimmend. Ein pragmatischer weiblicher Alterskobold mit überlaufender, gemeiner Ironie. Lindsay Duncan war geachtetes Ensemblemitglied der „Royal Shakespeare Company“ und ist aktuell am Londoner „Royal Opera House“ verpflichtet. Ihre Film-Auftritte beschränkten sich zuletzt in Nebenparts („Alles eine Frage der Zeit“ von Richard Curtis; „Last Passenger“ von Omid Nooshin, der hierzulande gerade im Heimkino angeboten wird); hier aber spielt sie die darstellerische Goldkarte vehement aus. Als weiblicher Lüstling mit viel Altersschwung. Und Neurosen-Lust. Jim Broadbent & Lindsay Duncan passen wie die berühmte Faust aufs Auge prima zusammen. Hollywood-Veteran JEFF GOLDBLUM („Jurassic Park“) dagegen, als quirlige Kumpel-Quasselstrippe Morgan, schlurft mit seiner schlaksigen Überlänge als schwärmender Charmeur-„Ergänzer“ durch die paarige wie haarige Szenerie. Ein attraktiver wie pikanter und schließlich wichtiger Zusatzschlawiner. Für Nick & Meg.

Der Film, „Le Weekend“ sorgt für pointierten Spaß mit „kontraproduktiven“ Alten. Es funkelt prächtig bei dieser feinen, hintersinnigen Lebenskotze im Alter (= 4 PÖNIs).

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