„Rabenschwarz – eine Übung in purer Grausamkeit und Absurdität“, heißt es auf dem DVD-Cover. Und in der Tat, diesmal stimmt der neugierig machende, verheißungsvolle „Anreißer“ vorne pur: Dies ist ein ganz und gar unherziger holländischer Film-Farce-Horror in Sachen „Pflege-Notstand“. Im Alter. Das heißt, na ja, eigentlich kann sich die verblühende Madame Blank ja gar nicht beklagen. Denn so komfortabel wie SIE wird wohl selten ein älterer Mensch umhegt und gepflegt. Dennoch gibt es Zoff und Zank zuhauf. In:
„DIE LETZTEN TAGE DER EMMA BLANK“ von Alex van Warmerdam (B, Co-Pr., Musik, R+D; NL 2009, 90 Minuten; DVD-Veröffentlichung: 2.12.2011).
Doch dafür ist „die Alte“ (MARLIES HEUER) selber schuld. Zuständig. Fordert sie doch von ihrem Dienstpersonal unbedingten Gehorsam. Selbst bei den behämmertsten Wünschen. Von wegen – WIE DIE sich zu kleiden habe. WIE DIE sich zu geben haben. Mäkeleien hier, Anpöbeleien dort. Eine schaurige Stimmung. Marke: Untereinander. Miteinander. Gegeneinander. Zum Beispiel Theo (der Regisseur selbst: Alex van Warmerdam). DER wird wie ein HUND gehalten Hat sich auch „so“ zu benehmen. Darf nichts sagen. Wird „Gassi“ geführt. Muss „draußen“ seine Geschäfte verrichten. Bekloppt. Absolut bekloppt. Madame lässt keine noch so eklige Gemeinheit aus, um die Menschen um sie herum genüsslich zu terrorisieren. Zu drangsalieren. Bewusst zu erniedrigen. In ihrem herrschaftlichen Landhaus haben Hanevald, der Hausdiener, Bella, die Köchin, Gonnie, das Hausmädchen, der Knecht Meier und eben Theo DAS zu tun, was sie will. Was sie sich boshaft ausdenkt. Und sei dies noch so irrsinnig. Aber WARUM lassen DIE sich DAS gefallen???
Ganz simpel: Weil Emma Blank todkrank ist, also bald sterben wird und ihnen ein stattliches Erbe in Aussicht gestellt hat. Also gehorchen sie widerwillig und voller Abscheu, aber ergeben. In der Hoffnung, dass die Alte möglichst bald abkratzt. Abkratzen möge. „Wir sind die Clowns auf der Krebsstation“, konstatiert einmal Küchenmamsel Bella. Während Knecht Meier schon mal ein riesiges Hakenkreuz in den Rasen vor dem Haus mäht.
Dabei stellt sich dann nach und nach heraus, dass diese Leute hier sogar eine familiäre Sippe bilden. Mit- wie untereinander verwandt, verschwägert sind. Es ist einfach nicht zu fassen, was sich (mehr oder weniger) „normale Menschen“ gefallen lassen, wenn GIER sie vereinnahmt hat. Oder: Wie viele Erniedrigungen sind Menschen freiwillig bereit zu ertragen? Wie weit senkt die Aussicht auf viel ErbschaftsGELD ihre individuelle Schmerzgrenze?
Schließlich (ver-)ändert sich die Lage. Position. Kehren sich die Machtverhältnisse um. Zwischen 1 x totale Herrin, 4 x menschliche „Viecher“, 1 x menschlichem Köter. „Es ist alles in Ordnung“, sagt Hanevald. Und: „So war’s beabsichtigt“. Während der Mensch als Mensch sich zunehmend auflöst. Es gibt Tote.
Eine ebenso entsetzliche wie köstliche Geschichte. Weil Drehbuch-Autor und Regisseur ALEX VAN WARMERDAM, 57, sie als kuriose, „amüsante“, Tragik-Komödie mit Horror- und Farce-Geschmack versieht: „Ich wollte mit diesen vier Elementen spielen: Die Tragödie komisch, die Komödie schmerzhaft, den Horror grausam, aber amüsant, die Farce traurig machen“, erklärt er im Presseheft. Was ihm vorzüglich gelungen ist. Den am 14. August 1952 in Haarlem geborenen Künstler, der auch als Maler und gemeinsam mit seinem Bruder Marc (hier auch Co-Produzent des Films) auch im Musiktheater tätig ist und seit 1986 Kinofilme dreht (Debüt: „Abel“), kennen wir über seine Filme „Noorderlingen“ (Europäischer Filmpreis 1992), „Das geheimnisvolle Kleid“ (1996) sowie „Grimm“ (2003) auch hierzulande. Ein gewitzter Vertreter des speziell-launigen holländischen Humors. Hart wie trockenironisch am Rande des Erträglichen denkend wie handelnd balancierend. Völlig absurd und dabei zugleich mit (sehr) viel Realgeschmack provozierend voranschreitend. Natürlich: GIER ist doch aktuell groß ausufernd angesagt. Angezeigt. Oft und viel. DAS tägliche Thema. Warmerdam überzeichnet stets „legal“: So dass man glauben darf, ES wäre denkbar. Vorstellbar. Möglich. Was hier im Hause von Emma Blank passiert.
Ein herrlich gemeiner, provokanter Menschen-Schocker. Ganz „normal“ an- und aufgeboten. Mit einem pikobello Ensemble. Dass diese Figuren überzeugend wie bitter und bizarr präsentiert. Pikant. Einfach-schräg. Motto: Das Materielle frisst die Moral. Auf. Total. Ganz deutlich: Geld essen Seele auf. Wie hübsch. Und klar doch, nicht nur in Holland.
Der Hit vom „Fantasy Filmfest“ 2010 ist jetzt auch als DVD-Premiere ein schön-fieser schwarzer Spaß-HAMMER! (= 4 PÖNIs).
P.S.: Allerdings – das „Making Of“ im Bonusmaterial nur in der niederländischen Sprache anzubieten, ist doof. Und unverständlich.
Anbieter: „Lighthouse Home Entertainment“.