Beim diesjährigen FANTASY FILMFEST zählte dieser Film zu den beeindruckendsten Leinwand-Shows. Leider schaffte es der französische Film danach nicht in unsere Kinos, obwohl er gerade auf einer Großbildwand prächtig wirkt und beim Nachbarn über 1,5 Millionen Kinobesucher erreichte, sondern hatte soeben seine „deutsche Erstaufführung“ auf DVD. Dabei handelt es sich um
„LARGO WINCH – TÖDLICHES ERBE“ von Jeróme Salle (Co-B+R/Fr 2008; 108 Minuten; DVD-Veröffentlichung: 20.11.2009).
Zunächst einmal: LARGO WINCH ist ein „Held“, der vom belgischen Schriftsteller und Drehbuch-Autoren Jean Van Hamme für eine Roman-Serie erfunden wurde, die in 6 Bänden zwischen 1977 und 1984 veröffentlicht wurde. Seit 1990 verlegt der französische Verlag „Dupuis“ diese Geschichten als Comic-Serie, für die Van Hamme ebenfalls die Stories schreibt. Zeichner der Comics ist Philippe Franco. Die Comic-Serie ist ein Bestseller im französischen Raum; derzeit sind 16 Bände in Frankreich erschienen, der letzte 2008. Eine TV-Serie und ein PC-Spiel runden die Erfolgssache schließlich höchst profitabel dort ab. Im deutschsprachigen Raum gab es, seit 1991 und mit Unterbrechungen, Veröffentlichungen mit bescheidenen Verkaufszahlen; seit 2006 hat ein Münchner Comic-Verlag die Veröffentlichungen auf deutsch wieder aufgenommen.
Die erste filmische Adaption dieser Comic-Roman-Figur, entstanden an internationalen Schauplätzen in 16 Drehwochen, mit einem Budget von immerhin 24 Millionen EURO, und umfasst/umreißt den Ausgangspunkt der Reihe: Nerio Winch (MIKI MANOJLOVIC) ist ein in die Jahre gekommener erfolgreicher Geschäftsmann und Leiter eines weltweiten Finanzkonzerns, der einen jährlichen Umsatz von rd. 6 Milliarden Dollar bilanziert. Nerio Winch, dessen Sekretärin auf den vielsagenden Namen Miss Pennywinkle hört (Elizabeth Bennett), ist unverheiratet, hat weder Kinder noch Erben. Heißt es. Als er stirbt, macht man sich in der Chef-Etage gerade über seinen gigantischen Nachlass her, als bekannt wird, dass Nerio vor Jahren einen jugoslawischen Waisenjungen adoptiert hat: Largo (TOMER SISLEY). Einen hippiehaften Weltenbummler und Abenteurer, der nun das mächtige Erbe „seines Vaters“ antreten soll. Und darauf eigentlich überhaupt keinen Bock hat. Doch die Umstände zwingen ihn geradezu, denn 1.) ist sein Adoptivvater keines natürlichen Todes gestorben und 2.) läuft gerade der Firmen-Übernahmeversuch des durch illegale Waffengeschäfte aufgestiegenen zwielichtigen russischen Geschäftsmannes Mikhail Korsky (KAREL RODEN als schon wieder so eine gnadenlose „Abramowitch-Karikatur“ wie in Guy Ritchies „Rock N Rolla“).
Während die aparte Buisiness-Frau und ehemalige „rechte Hand“ von Nerio Winch, Ann Ferguson (KRISTIN SCOTT THOMAS; „Der englische Patient“ / Partnerin von Robert Redford in „Der Pferdeflüsterer“), couragiert für Largo und seine „korrekte“ Erbschaft kämpft, hat DER sich den widrigen Umständen zu stellen und gerät in „heiße Kämpfe“ um Korruption, Gier und Verrat. Soweit der „trockene Stoff“, der eine Art „französischer Bond“-Spaß ist. Allerdings: „Bond“, also Largo, ist hier ein junger smarter Typ ohne Jackett und schon gar nicht im Smoking, sondern der hemdsärmlig – mit einer Unbesiegbarkeits-Tätowierung im Nacken – loslegt, um inmitten der Erinnerungen an seine Vergangenheit und in den Fängen der Gegenwart „gerechte Zustände“ herzustellen. Viele deftige, rasante Abenteuer, eine charismatische Figur, angesiedelt an wunderschönen Landschaftsorten wie Malta, Sizilien, Hongkong, Macao und Serbien, das „riecht“ nicht nur nach BOND, das besitzt auch den Charme und die Spannung eines bondischen Vergnügens.
Und so ist es auch: Der 1. Largo Winch-Film bietet Action-Amüsemant pur, ist zugleich ein visueller Augenschmaus, ohne das Original zu kopieren. Ganz im Gegenteil: Largo ist eine gespaltene, verwundbare, sensible Figur, mit gebrochenem Charakter und viel heldischer Unlust, der quasi zu seinen „Auftritten“ getrieben werden muss. Gemeinsam mit und dann auch gegen seinen Adoptivbruder (mehr aber wird nicht verraten). Und natürlich auch mit „entsprechendem“ attraktivem Erotik-Zubrot. Motto: Auch die Franzosen, keine neue (Luc Besson-)Erkenntnis, können´s. Beherrschen das große, breite Genre-KINO-ABC. Sind hervorragende Profis, wenn es darum geht, Klasse-U-Kino herzustellen.
Furioses Entertainment wird hier großgeschrieben, und das liegt auch an dem vorzüglichen Ensemble. Das von einem hierzulande Unbekannten angeführt wird: Dem am 14. August 1974 in West-Berlin geborenen, französischen Star-Comedian und Schauspieler TOMER SISLEY. Dessen familiäre Herkunft Israel, Litauen und den Yemen umfasst. Als Largo Winch betritt er nun großfilmisches Neuland und packt dies außerordentlich kess wie sanft wie glaubhaft. Ein spannender Reiz-Charakter, dem man gerne zuschaut. Und der auf eine Abenteuerreise geschickt wird, die nicht nach üblichem 08/15-Gut-Böse-Muster, sondern mit vielen originellen wie pfiffigen Einfällen und modernen Pointen-Motiven (= der äußerst lukrative wie großgierige Finanzmarkt) gestrickt ist. Während die Fortsetzung in Frankreich bereits abgedreht ist („Largo Winch 2“), lernen wir hier diesen Typen erstmals „größer“ kennen und durchaus schätzen. Eine Prima-Genre-Bereicherung, dieser Bond-Softie Largo Winch (= 4 PÖNIs).
Anbieter: „Sunfilm“/München.