LA GRANDE BELLEZZA – DIE GROßE SCHÖNHEIT

LA GRANDE BELLEZZA – DIE GROßE SCHÖNHEIT“ von Paolo Sorrentino (Co-B + R; Italien/Fr 2012; Co-B: Umberto Contarello; K: Luca Bigazzi; M: Lele Marchitelli; 142 Minuten; Start D: 25.07.2013); hierzulande wurde der am 31. Mai 1970 in Neapel geborene Drehbuch-Autor und Regisseur durch seinen vierten Spielfilm „Il Divo“ aus dem Jahr 2008 bekannt, der das Leben des mehrmaligen italienischen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti und dessen mutmaßliche Mafia-Verbindungen beleuchtete. In der maskenhaft faszinierenden wie eckig beweglichen Hauptrolle damals, profilierte sich der italienische Schauspieler und Bühnenregisseur TONI SERVILLO. (Der auch im selben Jahr als ekliger, korrupter Müllmanager in der Bestselleradaption von „Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra“ immens beeindruckte).

In „La Grande Bellezza“ steht der in zwei Wochen 54 Jahre alt werdende Mime wieder im Blick- und Mittelpunkt. Als in die 65 Jahre gekommener römischer Journalist, Partylöwe und Müßiggänger Jep Gambardella. Vor mehr als vierzig Jahren hat er einen Roman erfolgreich veröffentlicht („Der menschliche Apparat“), sich aber diesbezüglich seitdem „verweigert“. Viel lieber hat er sich auf seinen (ertragreichen) Lorbeeren ausgeruht. Hat sich „treiben“ lassen. Durchs nächtliche Rom. Schreibt hin und wieder für ein Magazin, interviewt gelegentlich Hanswurste von Möchtegern-Künstler. Lässt es sich bequem, also „salopp“ gut gehen. Veranstaltet gelegentlich zünftige Feten. Für Seinesgleichen. Für die Reichen, Schönen, Unbekannten. Mit viel Dekadenz-Atmosphäre. Doch nun, mitten im Leben, 65 – na und? – trifft ihn die Endlichkeit. Des Seins. Seines Lebens. Und er beginnt, vornehm natürlich, zu lamentieren. Wo denn die „wahre Schönheit“ wirklich sei? Ob denn DAS, was er alles so bisher gedacht, getan, angestellt hat, richtig, wichtig oder überhaupt „etwas“ von Bedeutung war? Oder ob er SICH gar und überhaupt in seinem Da-Sein zu viel vergeudet habe? Denn nun plötzlich beginnt Senior Jep eine „gewisse Leere“ zu spüren. Zu verspüren. Über die ihn nun selbst sogar seine – beliebten – zynischen Witze nicht mehr hinwegzuhelfen vermögen. Der immer mit bestem Zwirn ausgestattete elegante Filou wandelt traumatisch durch sein römisches High-Universum, um über vertane Chancen, alte Liebschaften und „Rest-Zeit“ ironisch zu rezitieren. Ein desillusionierter Boulevard-Chef-Clown im Gemütstaumel und Abschiedsschmerz. Eingefangen über spektakuläre Motive vom kulturintensiven Rom, mit seinen Pracht-Bauten und Gärten. Und „besonderen“ Straßen. In denen sogar die Pflastersteine tiefgründig zu atmen scheinen. Mit den fotogenen Flamingos auf der Terrasse. Denen es („wenigstens“) vergönnt ist, wegzufliegen. Einfach so. Rom – mit „seinem“ Personal. Nonnen, die sich der Armut bewusst verschrieben haben. Herumeilende Kardinäle. Ein Fotofresko, bestehend aus tausenden von Selbstporträts eines eitlen Künstlers. Das ganze menschelnde Programm. Als Entlarvung von vielen konsequenten Lebenslügen. Fehlentwicklungen. In Temperament und Seele. Geschmacksintensiv zu besichtigen. Pompös zu empfinden. Als charmante Notaufnahme der ewigen Sinnsuche: Was war? Was ist? Was? Jetzt? Was bleibt noch? Bestimmt doch dieser prächtige sakrale a-capella-Gesang. Eingangs, vom Gianicolo-Hügel. Der bringt’s. Ganz sicher. Hört sich rätselhaft-gut an. Ist bestimmt für die Ewigkeit bestimmt. Ganz sicher. Beziehungsweise – also wenigstens etwas. Melancholie, fang mich auf.

Natürlich: „La Dolce Vita“/„Das süße Leben“: In Federico Fellinis schwarz-weißem Meisterwerk von 1960 zog der Boulevard-Journalist Marcello Rubini alias Marcello Mastroianni durch das nächtliche Rom, erschöpft von der „süßen“ Dekadenz des norditalienischen Nachkriegs- und Wirtschaftswunderlebens. Jep Gambardella ist ein Enkel in Gedanken. Über die Brüche im römischen „Oberen“-Leben heute süffisant bilanzierend. Angewidert wie angezogen von der Süchtigkeit und Mattheit der „Mitgliedschaft“. Bei „Denen“. Wie auch von der großzügigen eigenen Verschwendung. An Lebenszeit: Gefühlen, Sinn und Erhabenem. Bedeutendem vielleicht. Wo eigentlich befindet sie sich – „La Grande Bellezza – Die große (wahre) Schönheit?“

Ein wunderschön bilderreiches, bisweilen satirisch angelegtes und darstellerisch ensemble-prächtiges Resümee. Von wegen Ratlosigkeit. In Sachen: Leben. Und was damit zu tun hat. Mit einem weisen Spötter des italienischen Kinos als melancholischer Grandseigneur. Mit erhabenem wie müdem Dekadenz-Charme. Und lakonischer Alterswut: TONI SERVILLO und seine brillante körpersprachliche Beredsamkeit sprühen vor pointierter Vitalität (= 4 PÖNIs).

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