„KOMMISSAR BELLAMY“ von Claude Chabrol (Co-B+R; Fr 2008; 110 Minuten; Start D: 09.07.2009); den EUROPÄISCHEN FILMPREIS „für sein Lebenswerk“ hat er schon erhalten (2003) und am 24. Juni nächsten Jahres wird er 80, der „Pfeifenraucher des Jahres 1989“, dennoch ist er weiterhin genauso aktiv und künstlerisch fleißig wie ein (inzwischen auch schon 73jähriger) Woody Allen, der französische Filmregisseur Claude Chabrol. Der, wie Allen, immer noch jedes Jahr ein neues Filmwerk herausbringt. „Kommissar Bellamy“, der im Frühjahr bei der Berlinale hierzulande erstmals vorgestellt wurde, ist sein mittlerweile 58. Film; und damit hat er sein (1980 verstorbenes) Vorbild ALFRED HITCHCOCK, der es auf insgesamt 53 Filme brachte, längst überholt. 50 Jahre + ist es nun schon her, daß er mit „Die Enttäuschten“ („Le Beau Serge“/1958) debütierte; zugleich ist „Bellamy“ die allererste Zusammenarbeit zwischen ihm und dem (im wahrsten Sinne inzwischen) schwergewichtigen französischen Superstar, dem 60jährigen GÉRARD DEPARDIEU. Chabrol schrieb ihm die Rolle des Kommissars quasi auf den Leib, zugleich ist sein Film „den beiden Georges“ gewidmet, wie es eingangs heißt: GEORGES SIMENON, dem Schriftsteller-Vater von Kommissar Maigret (1903-1989), und dem Chanson-Sänger GEORGES BRASSENS (1921-1981). Wobei die Hommage auf Brassens, soviel darf bereits verraten werden, in eine phantastisch-groteske Szene mündet: Ein junger Anwalt SINGT vor Gericht sein Plädoyer mit dem Brassens-Lied „Quand les cons sont braves“ (Wie tapfer sind Idioten) und findet damit – sowohl beim Gericht wie auch beim „Publikum“ – großen Anklang. Eine vortrefflich-absurde Szene, inspiriert von einer wahren Begebenheit.
Wir befinden uns um südfranzösischen provencalischen Städtchen Nimes, irgendwann im Sommer. Hierhin hat sich der Pariser Kriminalkommissar Bellamy mit seiner Frau Francoise (MARIE BUNEL/“Saint Jacques…Pilgern auf Französisch“) zum Sommerurlaub zurückgezogen. Doch als sich ihnen ein Fremder, ein gewisser Noel Gentil, regelrecht aufdrängt, erwacht in „dem Dicken“ wieder „der Schnüffler“. Zumal Gentil erklärt, einen Quasi-Mord begangen zu haben. Dabei geht es um eine Liebschaft, einen überrumpelten Landstreicher und um einen geplanten Versicherungsbetrug. Der Film verknüpft in der Folgezeit mehrere Handlungsstränge miteinander, wobei einer davon im ganz privaten Bellamy-Umfeld angesiedelt ist, denn dessen ungeliebter jüngerer Halbbruder Jacques taucht auf und sorgt innerfamiliär und überhaupt für allerlei Mißstimmuungen. Jacques ist das genaue Gegenteil des „sanften“ Bellamy, seine dunkle Seele sozusagen, ein Alkoholiker, Spieler und Tunichtgut, ein Dauer-Pessimist und ein ständig Schlechte-Stimmung-Verbreiter. Mit der gemütlichen Zweisamkeit jedenfalls ist es bei den sich gut harmonierenden und immer noch sehr liebenden Paul & Francoise Bellamy vorbei, denn der wuchtige wie gutmütige Polizist muß nun sehen, wie er diese ganzen „knotigen Zusammenhänge und Verbindungen“ löst. Außerdem beschäftigt ihn unangemessen viel der immer mehr „bedrohlicher“ agierende Jacques, der ihm und ihnen keine Ruhe läßt.
Chabrol hat diesmal ein zwiespältiges Krimi-Drama entworfen; mit einer ziemlich redseligen und inszenatorisch behäbigen Puzzle-Geschichte, bei der man leicht den Über- wie Durchblick verlieren kann; andererseits aber einen besonnenen, diesmal angenehm-sanften, faszinierenden Gérard Depardieu inmitten einer beeindruckenden Charakter-Studie erleben darf. Je nachdem, wie man die Schau-, Denk-, also Unterhaltungswerte ansetzt, WIRKT der Film: Allzu aufregend gerade nicht, aber immer neugierig, atmosphärisch, rätselhaft, fand ich jetzt, außerhalb der Berlinale-Hektik, wo er mir damals nur statisch, also völlig unbeweglich in Idee und Ausdruck, vorkam. Das Fazit heute: Kein großer Spannungswurf, sondern vielmehr eine faszinierende Gérard-Depardieu-Performance, bei der „der Krimi“ zweitrangig erscheint und manchmal fast gänzlich „zu verschwinden“ droht. Hat man also ein Faible für diesen massigen Klasse-Typen, kommt man „super“ über die ordentlichen Spannungsrunden. Sucht man allerdings d e n „beweglichen“, originellen Kriminalfall sowie die für Chabrol gewohnten pointierten Bourgeoisie-Attacken, landet man bei einem eher „diskreten“ Spannungs-Movie. Im übrigen erweisen sich JACQUES GAMBLIN in gleich 3fachen Rollen (als Noel Gentil/Emile Leullet + Landstreicher) sowie vor allem CLOVIS CORNILLAC (neulich der Asterix in „Asterix bei den Olympischen Spielen“) als unruhestiftender Halbbruder Jacques und die äußerst charmante MARIE BUNEL als formidable Mitstreiter und Stichwortgeber für den freundlichen „Allein(be)herrscher“ Dépardieu. Ja, so etwas wie ein „Mittelding“ von Chabrol-Film; je nachdem und überhaupt…(= 3 PÖNIs).