Junges Licht Kritik

JUNGES LICHT“ von Adolf Winkelmann (Co-B + R; D 2015; Co-B: Nils Beckmann; nach dem gleichnamigen Roman von Ralf Rothmann/2004; K: David Slama; M: Tommy Finke; 122 Minuten; Start D: 12.05.2016); Er ist für mich d e r Filmer aus dem bzw. über den Ruhrpott: ADOLF WINKELMANN. Geboren am 10. April 1946 in Hallenberg, aufgewachsen zwischen „Kohle und Stahl“ im Ruhrgebiet; Drehbuch-Autor, Produzent, Regisseur. Mit seinem Debüt-Film „Die Abfahrer“ (1978) und dem zweiten Cinemascope-Streich „Jede Menge Kohle“ (1981, mit dem unvergessenen Detlev „Delle“ Quandt) schuf er zeitgenössische Sittengemälde aus dem Ruhrpott; 1992 wurde die Trilogie mit dem begeisternden Fußball-Fan-Movie „Nordkurve“ (s. Kino-KRITIK) vollendet. Unvergessen: jener populär gewordene und immer wieder gern zitierte „Delle“ Quandt-Satz aus „Jede Menge Kohle“: „Es kommt der Tag, da will die Säge sägen!“.

Genau. Jetzt sägt sie wieder. Filmisch. „JUNGES LICHT“, basierend auf dem gleichnamigen Roman Ralf Rothmann aus dem Jahr 2004, handelt vom gemeinen Leben in einem Sommer im Ruhrgebiet der 1960er Jahre. Betrachtet aus der Sicht des 12jährigen Julian Collien (OSCAR BROSE), einem „Milieu“-Kind. Während die Väter unter Tage malochen, vertreibt sich ihr Nachwuchs die Zeit mit Rauchen, Bier und Obszönitäten. Doch der sensible Julian ist anders. Kümmert sich liebevoll um seine kleine Schwester, weil die frustrierte Mutter (LINA BECKMANN) mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert ist, schmiert Brote für seinen schicht-arbeitenden und deshalb oft abwesenden Bergmann-Vater Walter (CHARLY HÜBNER), dient sonntags in der Messe und wird von katholischen Pädagogen in der Schule schon mal geprügelt. Mit kindlicher Neugier und Anspannung beobachtet Julian eine Drumherum-Welt, die er nicht versteht, die ihm aber auch niemand zu erklären weiß. Deshalb muss er sie alleine „erforschen“. Kennenlernen. Besonders angetan hat es ihm die frühreife Nachbarstochter Marusha (GRETA SOPHIE SCHMIDT), die dann auch bei seinem Vater „für Interesse“ sorgt. Zudem verwickelt Herr Gorny (PETER LOHMEYER), Besitzer des Hauses, in dem Julians Familie wohnt, den Jungen in „ganz eigenartige“ Gespräche. Für Julian Collien wird es der Übergang-Sommer. Vom unschuldigen Kind-Ausstieg zum Jugendlichen, auf den viele Verführungen warten.

Ein hervorragender amerikanischer Film war einst „Stand by Me – Das Geheimnis eines Sommers“ von Rob Reiner, aus dem Jahr 1986, nach einer Kurzgeschichte von Stephen King: Die Erlebnisse von vier Jungen aus einer US-Kleinstadt im Jahre 1959 schildernd. „JUNGES LICHT“ ist die atmosphärische Ruhrpott-Variante. Mit ebenfalls „harten“, bilderstarken Motiven. „Mein Film ist auch eine Hommage an die Figur des Bergmanns. So wie in diesem Film ist seine Arbeit unter Tage noch nie gezeigt worden, weder in Dokumentar- noch in Spielfilmen“, erläutert Adolf Winkelmann im Presseheft. In der Tat: Das Kohlen-verschmierte, schwarze Bergmann-Gesicht von Charly Hübner als Vater Walter, über das sich weiße Milch ergießt, bleibt unvergesslich.

Winkelmann hat wieder „seinen“ Kameramann DAVID SLAMA dabei, der zwischen schwarz-weißen und farbigen Bildern wechselt: „Anfang der 60er Jahre war die ganze Welt noch schwarz – weiß. Wenig später wurde das Farbfernsehen als ultimative Errungenschaft gefeiert. Den ehemals schwarz-weißen Bildern eine Farbinformation hinzuzufügen, versprach so etwas wie Natürlichkeit und Korrektheit oder Vollständigkeit der Abbildung“ (Adolf Winkelmann).

Der Junge spielt Klasse. OSCAR BROSE. Als Julian. Mal aufgeweckt, mal irritiert, mal innerlich angewidert. Ständig neugierig. Auf dieses „sündige“ Treiben. An dem er nun teilzunehmen hat. Das an Originalschauplätzen in Bottrop, Bochum, Marl und Dortmund eingefangen wurde. Und nun von einem reizvollen Soundtrack des Ruhrpott-Komponisten TOMMY FINKE einfühlsam begleitet wird.

Ein schöner Film. Wild harmonisch, rau wie lyrisch. Zum Eintauchen-gut. Adolf Winkelmann & der Ruhrpott: Eine Liebe schreitet wunderbar fort (= 4 PÖNIs).

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