Jugendsünde Kritik

JUGENDSÜNDE“ von Radovan Tadic (B+R; Fr 1989; 93 Minuten; Start D: 1990)

Eine Mansardenwohnung in Paris. Antoine, der Poet, Francoise, die Sexhungrige und Therese, die alte, geheimnisvolle Dame, wohnen hier. Sie sind Nachbarn. Und weil die Wohnungen klein und hellhörig sind, lernen sie sich recht gut kennen. Dennoch entwickeln sich keine Freundschaften, denn im Grunde ist jede von ihnen, mit seiner eigenen Einsamkeit beschäftigt. Das mag paradox klingen, ist es aber nicht.
Antoine, Therese und Francoise sind auf der Suche nach dem Besonderen, der Wahrheit, dem Glück. Jeder auf seine Art. Dabei isolieren sie sich von der Außenwelt. Sie verlieren das Gefühl für die Realität, sie werden maßlos.

“Jugendsünde“ heißt der Debütfilm des in Paris lebenden Jugoslawen Radovan Tadic. Der Titel ist irreführend, denn der Film handelt weder von Sex noch von Liebe. Aber auch der französische Originaltitel „Erreur de Jeunesse“ (Irrtum der Jugend), ist unpassend. Die Atmosphäre, Gefühle und Situationen, die Francoise, Therese und Antoine im Film durchleben, sind zeitlos und lassen sich nicht auf eine bestimmte Altersgruppe festlegen.
Antoine arbeitet als Drucker, die Arbeit interessiert ihn nicht. Seine Freizeit verbringt er mit Gedichten. Dabei passiert es ihm schon mal, dass er, mit dem Buch in der Hand, eine schöne Frau umrennt. Antoine lebt in seinen Gedichten. Die Welt um ihn herum nimmt er nur begrenzt wahr. Ähnlich ergeht es Francoise. Sie ist hübsch,v erzweifelt und sexbesessen. Umso einsamer Francoise ist, umso mehr umgibt sie sich mit Männern. Irgendwann einmal möchte sie mit einem Mann verschmelzen. Dann wäre sie nicht mehr alleine. –
Therese, die alte Dame, ist auch allein. Zum Zeitvertreib ruft sie Leute an und treibt sie mit ihren mysteriösen Telefonaten in den Selbstmord. Diese Beschäftigung hält Therese am Leben.

“Jugendsünde“ von Radovan Tadic ist ein poetischer, ruhiger schwarz/weiß Film. Ein Film, der sich Zeit nimmt, seine Figuren zu beschreiben. Ein Film mit klassischer Musik, Bildern wie Stillleben, kuriosen Gestakten und seltsamen Geschichten. “Jugendsünde“ ruft Gefühle wach, die einem fremd und vertraut zugleich sind. Ein Essay über ein unbestimmtes Lebensgefühl.
Ein Film, der viele Interpretationen und Phantasien zulässt (= 3 ½ PÖNIs).

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