JERICHOW

JERICHOW“ von Christian Petzold (B+R; D 2007, Start D: 08.01.2009); Jahrgang ´60, in Hilden geboren. Seit 1981 lebt er in Berlin. Zunächst Studium der Theaterwissenschaften und der Germanistik an der FU; von 1988 bis 1994 Studium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie, Berlin. Mit Filmen wie „Die innere Sicherheit“ (2000); „Wolfsburg“ (2002/03); „Gespenster“ (2005) und zuletzt „Yella“ (2006) spaltete er die cineastische Gemeinde. Die, die ihn hofieren, schwärmen von seiner intellektuellen Gesellschafts- und Kapitalismus-Kritik, der interessanten Beschäftigung mit dem Zwischenbereich zwischen Leben und Tod und den traurigen Liebesmotiven („Tragödien vermitteln dem Zuschauer die Freude am Leben“/Petzold); andere, wie ich, finden sich in den sperrigen, ziemlich drögen, improvisierten Nichts-und-Alles-Gedanken, in den „theoretischen Bewegungen“ der traurigen Figuren wenig inspiriert oder aufgehoben. „Yella“ gar empfand ich gespenstisch-langweilig, als völlige intellektuelle Theorie in Gedanken, Bewegung, Durchführung. Eine Zumutung, die bei der Berlinale mit einem „Silbernen Bären“ ausgezeichnet wurde.

In seinem neuesten Werk gibt der Titel den Handlungsort vor: Der 90minütige Film spielt in dem kleinen Ort Jerichow in Sachsen-Anhalt (obwohl größtenteils in Brandenburg gedreht wurde). Es ist eine karge, spröde Gegend/Region. In die es Thomas (BENNO FÜRMANN) verschlagen hat. Der unehrenhaft entlassene Zeitsoldat mit Afghanistan-Erfahrung will das heruntergekommene Haus seiner verstorbenen Mutter renovieren, doch das dafür zurückgelegte Geld nimmt ihn gleich erst einmal ein Schuldner rabiat ab. Thomas ist pleite. Lernt zufällig den türkischen Imbissbetreiber Ali (HILMI SÖZER) und dessen deutsche Frau Laura (NINA HOSS) kennen. Sie riechen es: Eine Dreiecksgeschichte. Dabei geht es um Gier, Geld, Leidenschaft. So was wie „Wenn der Postmann zweimal klingelt“ in der deutschen Ost-Provinz. Der melodramatische Krimi-Stoff von James M. Cain, der schon mehrmals verfilmt wurde („Ossessione – Besessenheit“ von Luchino Visconti/1943; 1980, Hollywood, von Bob Rafelson; mit Jack Nichsolson, Jessica Lange), erfährt hier eine halbwegs spannende Blüte. Inmitten einer leeren, unterkühlten Einöde entwickeln sich „verkehrte Gefühle“: „Man kann sich nicht lieben, wenn man kein Geld hat“, lautet Lauras trostloses Fazit ihrer Affäre mit Thomas. Mord-Gedanken kommen auf, aber im deutschen Film wird nicht „einfach so“ gemordet, sondern in einer Mischung aus Blicke und Reden, aus Handeln-Wollen, aber nicht Handeln-Können, entsteht eine Art seelisches Sodbrennen als Unhappy-End.

Petzold dazu: „Der Zuschauer darf nicht auf primitivste Art befriedigt und ermüdet werden“. Nun: Eine totale, wirre Ermüdung wie bei „Yella“ kommt hier nicht auf: „Jerichow“ ist ein leidlich spannendes Psycho-Drama, in dem die 3 Hauptbeteiligten durchaus „interessieren“. Allerdings ist einmal mehr zu konstatieren: Petzold erzählt/inszeniert keine blutvollen Menschen, sondern bewegt Marionetten, Schachbrettfiguren, die er ziemlich karg wie hölzern identifiziert und personifiziert und Vorhersehbares „trocken ausüben“ läßt. Das Kino des Christian Petzold ist und bleibt emotionale wie politische Theorie. Mit unterkühltem, humorfreien Botschafts-Charme: „Das Scheitern gehört zum Kino“ oder Das Mensch-Sein ist heutzutage bei uns erheblich „gestört“. Okay (= 3 PÖNIs).

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