„ISLE OF DOGS – ATARIS REISE“ von Wes Anderson (B + R; USA 2016/2017; K: Tristan Oliver; M: Alexandre Desplat; Set-Design: Paul Harrod; 102 Minuten; deutscher Kino-Start: 10.05.2018); WES ANDERSON; geboren am 1. Mai 1969 im texanischen Houston, ist ein wunderbarer Exot im amerikanischen Film-Business. Seine schrägen Kunst-Filme wie (zuletzt) „Grand Budapest Hotel“ (s. Kino-KRITIK/Eröffnungsfilm der Berlinale von 2014, dort: „Großer Preis der Jury“ sowie dann „Golden Globe“ 2015) und „Moonrise Kingdom“ (2012), „Darjeeling Limited“ (2007) oder „Die Royal Tenenbaums“ (2001) sorgten für eine weltweite Fan-Gemeinde. Mit dem Animationsfilm „Isle of Dogs“, seinem zweiten Stop-Motions-Picture nach „Der fantastische Mr. Fox“ von 2009, für den er eine „Oscar“-Nominierung bekam, war Wes Anderson im Februar zum zweiten Mal als Berlinale-Eröffnungsfilmer vertreten. Thema: Menschliche Regungen, Bewegungen, Emotionen; angesiedelt im tragikomischen Milieu von Hunden.
Die allerdings mit possierlichen Disney-Film-Tierchen nichts zu tun haben. Ganz im japanischen Gegenteil: Im Blickpunkt steht ein Rudel von Streunern, die ein fieser japanischer Bürgermeister auf eine hoffnungslos vermüllte und von vielen Hunden bevölkerte Insel in der Hoffnung verbannt, dass sie dort umkommen. Als Grund nennt er eine grassierende und für Menschen lebensgefährliche Hunde-Grippe. Doch die Pfoten sind stark wie pfiffig in Sachen Überlebensstrategien und vermögen dies auch ironisch-cool für UNS zu kommentieren. Sind halt typische Wes Anderson‘-Anarcho-Loser-Fighter. Übrigens auch stimmlich, denn Anderson konnte eine namhafte Original-Promi-Crew mit u.a. Bryan Cranston, Edward Norton, Liev Schreiber, Greta Gerwig (= Tracy), BILL MURRAY (als Boss), Jeff Goldblum, Bob Balaban, SCARLETT JOHANSSON (als Nutmeg), F. Murray Abraham, Ken Watanabe, Courtney B. Vance (als Erzähler) sowie Harvey Keitel (= Gondo) und Tilda Swinton (= Oracle) für seine schnauzige hündische Menschen-Parabel verpflichten.
Eines Tages kommt Bewegung in die Gegend, von wegen Bruchlandung. Der 12jährige Atari hat sich hierher begeben, um nach seinem geliebten Wachhund Spots zu suchen. Das Pikante: Der tapfere Bengel ist ausgerechnet das Mündel des Bürgermeisters, dem das natürlich überhaupt nicht in den – politischen – Kram passt. Und seine Hundefänger aktiviert. Inzwischen haben Streuner und Atari eine Einheit gebildet, um Ataris Liebling aufzuspüren. Die Folgen: Krieg. Insel-intern zwischen verschiedenen Hunde-Clans sowie: zwischen mächtigen und aggressiven Hunde-Gegnern, die alle Pfoten vernichten und für das Zuhause künftig Hunde-Roboter bereitstellen wollen, und Hunde-Mögern, die sich nach und nach zu einer subversiven Opposition entwickeln. Aufbauen. Mit „entsprechenden“ Aktionen, die das trübe Geschehen mehr und mehr im Land bekannt machen.
Natürlich: Kein süßer Stoff, sondern eine detailreiche wie streng und vielschichtig arrangierte Fabel-Reise um die ewige Konfrontation zwischen bösen Mächtigen und Volksvertretern, die sich nicht mehr weiter verheizen lassen wollen. Dazu: Diese halluzinatorischen Taiko-Trommler, deren „Pop“ für diese eigenwillige Exoten-Stimmung sorgt und vehement gegen das Establishment lärmt; Zitate-zuhauf als Hymne auf alles Japanische wie etwa Akira Kurosawas Samurais, die Monsterfilme eines Ishiro Honda, die Anime-Stoffe von Hayao Miyazaki, die Familien-Dramen eines Yasujiro Ozu; oder: Kirschblüten, Sushi oder die Holzdrucke von Hokusai. Der visuelle Einfallsreichtum ist enorm, aber auch in dieser optischen wie gedanklichen Überbordenheit sperrig. Zugänglich. Der verschrobene Humor wirkt eher begrenzt denn nah. Die Verfremdungen machen zwar den politischen Rebellions-Konflikt verständlich, aber auch beliebig. Die emotionale Anteilnahme in und bei solch bedeutsamen Themen wie Hass, Dämonisierung und Ausgrenzung versendet sich. Leider.
Der neue Wes Anderson-Streifen ist atmosphärischer Kopf-Beton, denkt mit viel engagierter Betroffenheit, bleibt aber dabei viel zu wirkungslos in der kühl-emotionalen Unterhaltungs-Vermittlung (= 3 PÖNIs).