„INSPEKTOR LAVARDIN ODER DIE GERECHTIGKEIT“ von Claude Chabrol (B+R; Fr 1986; 100 Minuten; Start D: 02.10.1986) Das erste Mal begegneten wir ihm in der kriminalistischen Posse „Hühnchen in Essig“ die der mittlerweile 56jährige französische Altmeister der spitzen Zunge und des feinen Bourgeoisie-Spotts vor zwei Jahren anrichtete. Inspekor Lavardin (schön durchtrieben von JEAN POIRET vorgeführt) ist ein unkonventioneller Flic aus Paris, der anscheinend immer dann in die abgelegenen Regionen beordert wird, wenn die Amtsträger dort nicht weiterkommen und „der Typ aus der Hauptstadt“ gefordert ist. Er ist um die fünfzig, ebenso kultiviert wie boshaft, ein Philosoph mit einer Moral, die er jeweils selbst bestimmt und je nach Standort verändert, ein jähzorniger Romantiker und Liebhaber von diversen Zahnpasten und Eiern auf Paprika. Kurzum – genau der Richtige, um einen Mord an einem angesehen Bürger in einer kleinen Bretagne-Gemeinde aufzuklären. Aber der Fall wird diesmal komplizierter, schließlich trifft Lavardin im Hause des Verblichenen auf seine Jugendliebe, die ihn auch heute noch emotional mehr einbindet als er es sich einzugestehen bereit ist. Aber der alte Schnüffler ist natürlich auch der gewitzte Schnüffler-Fuchs, der bald merkt, was man hier mit ihm abziehen möchte. Also setzt er, als es ihm zu viel des ewigen und Her wird, die Aufklärungsmethoden ein bisschen härter an, gesteht sich wieder einmal mehr Vollmachten zu als eigentlich gesetzlich vorgeschrieben sind und sorgt schließlich dafür, dass die ihm eigene Gerechtigkeit ihren gemeinen Lauf nimmt. Ein feines Filmchen. Ganz schön konventionell mit Auf- und Abgängen ausgestattet, mit Gespür für hintergründigen Humor und triefenden Zweideutigkeiten, mit dem bekannt reizvollen Dekadenz-Charme und der alltäglichen Hinterhältigkeit des oberen Bürgerturns, die Lavardin, sprich Chabrol, gleichsam an- und abstoßen. Köstlich auch einmal mehr die Nebenfiguren und ihre Einsätze. JEAN-CLAUDE BRIALY ist die komische Haustucke vom Dienst, der künstliche über alles liebt und anmalt und bei dem man nie ganz sicher von Überraschungen ist, während Bernadette Lafont nur zurückhaltend und schön blond zu sein braucht, quasi als Schmuckstück von Witwe auftritt, die zu beschützen und vor allen Unbill zu bewahren hat. Chabrol, der seine Filme am liebsten dort dreht, wo auch die besseren Restaurants angesiedelt sind, hat dieses neuerliche psychologische Spannungspuzzle wieder mit der ihm eigenen Eleganz und Nötigung aber ohne sonderliche Schärfe zubereitet. Ohne viel Krach und Tricks, dafür eher pikant und kultiviert. Wie sozusagen eine bekannte leckere Speise, von der man ab und zu mal wieder gerne nascht (= 3 ½ PÖNIs). |
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