„DIE INSEL DER BESONDEREN KINDER“ von Tim Burton (USA/GB/Belgien 2015; B: Jane Goldman; nach dem gleichn. Roman von Ransom Riggs/2011; K: Bruno Delbonnel; Kostüm-Design: Colleen Atwood; M: Michael Higham, Matthew Margeson; 127 Minuten; deutscher Kino-Start: 06.10.2016); wenn ich beginne, es handele sich um einen Fantasy-Film, sehe ich immer öfter desinteressierte Kinnladen herunterfallen. Ach, das schon wieder. Fantasy-Kino, dies bedeutete in den letzten Kino-Jahren immer öfter „Schweres“ zu verdauen. Mit Gebrüll, Karacho und sich überbieten wollenden, monströsen Computer-Tricks. Von MAGIE weit und breit keine Spur(en) mehr. Diese haben wir längst aus den Augen, aus den Sinnen verloren. Wirkliche Magie ist verschwunden, wurde längst aufgegeben. Nun die filmische Rückkehr/Rück-Besinnung: wie wunderbar, dass TIM BURTON weiterhin aktiv ist. Dieser exzellente, weil konsequente und sich treu bleibende Kino-(Ver-)Zauberer, dieser tollkühne Fantasy-Verführer, ist und bleibt ein wirklicher FILM-MAGIER! Gelungen hier wieder: sein ewiger Grusel-Flirt mit dem betörend Grotesken. Im Presseheft kommentiert Tim Burton die gigantische wie inflationäre Superhelden-Schwemme der letzten Kino-Jahre argwöhnisch und gibt sich überzeugt, dass das Publikum „davon“ bald genug haben wird.
„Edward mit den Scherenhänden“ (1990); „Nightmare Before Christmas“ (1993); „Sleepy Hollow“ (1999); „Big Fish“ (2003); „Charlie und die Schokoladenfabrik“ (2005); vor allem „Frankenweenie“ (2012) sind nur einige Meisterstücke und Meilensteine aus dem brillanten Handwerk des heute 58-jährigen Drehbuch-Autoren, Filmproduzenten, Zeichners und Regisseurs TIM BURTON. Haupt-Motive in vielen seiner Werke: „Die Anderen“. Die „anderen“ Menschen. Genannt: Außenseiter. Gebeutelte. Drangsalierte. Gegen-die-Normen-Auftretende. Die, die mit Vorliebe von „Normalen“ wegen ihres Anders-Seins, Anders-Auftretens, Anders-Aussehens, gehänselt, beharkt, ausgeschlossen werden. Die aber dennoch nicht aufgeben, sondern beharrlich ihre „speziellen Fähigkeiten“ ausspielen. Um dabei „zu wahren Helden“ zu werden.
Jake aus Florida (ASA BUTTERFIELD/bekannt aus Martin Scorseses „Hugo Cabret“), 16, ist solch ein Außenseiter-Typ. Großvater Abraham „Abe“ Portman (TERENCE STAMP) war sein Idol. Gerne erinnert er sich an die seltsamen Geschichten, die ihm Grandpa immer wieder erzählte. In denen es um Monster ging, um ein geheimnisvolles Waisenhaus und dessen außerordentlich „talentierte“ Kinder. Und ein Monster war es auch, das Großvater tötete. So jedenfalls will es Jake gesehen/erlebt haben. Für die Eltern ein klarer Fall für die Psychologin. Weil ihn alle für überkandidelt halten, beschließt Jake, gemeinsam mit seinem Vater – einem Vogelkundler –, nach Wales zu reisen. Dorthin, wo die großväterlichen Abenteuer „spielten“. Vor Ort will er erkunden, ob und was eventuell dran ist an den unheimlichen Geschichten seines geliebten Großvaters. Der Filmtitel beginnt „Programm“ zu werden. Denn:
Natürlich ist an Opas abenteuerlichen Erzählungen „was dran“. Und wie. Eine Zeitschleife ist schuld. 1943. In dieser halten sich Kinder immer wieder und weiterhin mittendrin auf. Kinder, die mit skurrilen (hinreißenden) Fähigkeiten ausgestattet sind. Die sie einerseits vor den kriegerischen Flieger-Bomben der Deutschen anno 1943 schützen, die sie andererseits aber auch – bislang jedenfalls – die Attacken von miesepetrigen Untoten abwehren ließen. Was deren Anführer Barron (SAMUEL L. JACKSON) immer wütender macht. Doch Miss Alma LeFay Peregrine (EVA GREEN), die „fliegende“ Chefin des Waisenhauses, umsorgt ihre exotische kleine Gemeinde perfekt. Sie ist die ewige, gute Seele hier. Und hat schon lange auf Jake „gewartet“. Denn ihr Ensemble benötigt ihn dringend, von wegen seiner „speziellen Fähigkeiten“. Von denen der Junge allerdings bislang überhaupt nichts ahnte.
Und ewig grüßt der Schauer. Der Grusel. Der Fein-Horror. Die Maskeraden. „Die Insel der besonderen Kinder“ ist keine platte, grölende Effekt-Arie, sondern ein witziges, außerordentlich cleveres, verblüffendes Trick-Vergnügen. Als phantastisches Kinder- und Familien-Programm. Mit herrlich unnormalen, pfiffigen Späßen. Eigenwilligen Motiven. Inmitten einer visuell enormen Außen-Wirkung: Mit bildschönen Kostümen (von der dreifachen „Oscar“-Designerin COLLEEN ATWOOD); der prächtigen Architektur: zwischen „Banal“-Amerika/Florida und diesen atmenden, snobistischen, britischen Arm- und Reich-„Hütten“; mit den spleenigen Marotten der rundum kauzigen Figuren. Zu denen auch eine besonders „inspirierende“ Miss Avocet (JUDI DENCH) zählt. Während die ironischen Action-Motive mitunter härte-zwinkernd zelebriert werden, choreographisch heftig kitzeln und mit typischem, also schwarz-feinem Tim Burton-Fantasy-Charme „lecker“ durchsetzt sind.
„DIE INSEL DER BESONDEREN KINDER“ strahlt eine gesamt-bärenstarke, stimmungsvolle Spannungsatmosphäre und Spannungsenergie aus. Punktet mit vergnüglichem Unterhaltungssinn: Es ist immer wundervoll, „eigen“ zu sein. Auch wenn dies „allgemein“ irritiert. Nicht ankommt. Egal. Du bist DU. So wie DU nun mal bist. Sei und bleibe also: DU! Etwas Besonders! Passe Dich auf gar keinen Fall „gewöhnlich“ an.
Der Roman zum Film. Von RANSOM RIGGS. 1980 in Maryland/Florida geboren. Sollte eigentlich kein Roman werden. Sondern ein Bilderbuch. Als Montage aus Text und alten Privatfotos diverser Sammler. Erschien 2011 unter dem Originaltitel „Miss Peregrine’s Home for Peculiar Children“ in den USA. Der Jugendbuch-Bestseller wurde im selben Jahr hierzulande unter dem jetzigen Film-Titel veröffentlicht. Im August 2013 ist bei uns der Roman als vollständige Taschenbuchausgabe mit Fotos herausgekommen. 2014 erschien mit „Hollow City“ die Fortsetzung. Roman-Band 3 heißt „Library of Souls: The Third Novel of Miss Peregrine’s Peculiar Children“ und wurde im Vorjahr in den USA herausgebracht.
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