„IM TAL VON ELAH“ von Paul Haggis (B+R; USA 2007; K: Roger Deakins; M: Mark Isham; 121 Minuten; Start D: 06.03.2008). PAUL HAGGIS, 54, zählt derzeit zu den ANGESAGTESTEN Filmkünstlern in Hollywood. Der in Ontario/Kanada geborene Haggis war zunächst auf einer Kunstschule, beschäftigte sich mit Fotografie, verließ mit 22 Kanada in Richtung L.A., nahm an Schreibkursen teil, begann Drehbücher für „ganz unterschiedliche“ TV-Serien wie „Love Boat“, „Texas Rangers“ und „Die Besten Jahre“ (= „Golden-Globe“-Nominierung) zu schreiben. Seit 2000 ist er im amerikanischen Film-Business tätig. Für das Drehbuch zum 3fachen „Oscar“-Film „Million Dollar Baby“ von und mit Clint Eastwood (2004) bekam ER eine „Oscar“-Nominierung. Danach drehte er seinen ersten eigenen Drehbuch- + Regie-Film, „L.A. CRASH“ (2005); der Film erhielt 2 „Oscars“: Für das „Beste Original-Drehbuch“ und als „Bester Film“. Danach schrieb er das Drehbuch für den letzten Bond(-Erfolg) „Casino Royale“, und auch für den gerade in der Produktion befindenden NEUESTEN Bond-Film ist er für das Drehbuch verantwortlich. Sein zweiter eigener Regie-Film hatte im Vorjahr seine Uraufführung im Wettbewerb bei den Filmfestspielen von Venedig und stieß auf (SEHR) viel Interesse. Der Titel beschreibt einen biblischen Ort in Israel („1. Buch Samuel“), wo der kleine Hirtenjunge DAVID den großen, übermächtigen Riesen GOLIATH bezwang.
Ausgangspunkt: Ein Vater sucht seinen Sohn. Der Sohn, Mike, war 11 Monate im Irak stationiert, hat aber nach dessen Rückkehr nichts mehr von seinem Sohn gehört. Der Vater, Hank Deerfield, Vietnam-Veteran und Patriot, stößt auf ein altes Mobiltelefon seines Sohnes. Einem Experten gelingt es nach und nach, die auf dem Handy gespeicherten Fotos und Videos einigermaßen wiederherzustellen. Dabei kommen zunächst nur schwer verständliche und bruchstückhafte Szenen zutage. Bewegung kommt aber erst in die Suche, als die Polizei die völlig zerhackstückten, verbrannten Überreste eines Menschen findet, der als Mike identifiziert wird. Doch sowohl das Militär wie (zunächst auch) die Polizei tun sich mit den Ermittlungen schwer. Denn die Spuren führen in Richtung Militär-Stützpunkt. Doch die engagierte Polizistin Emily Sanders erweist sich als genau störrisch und beharrlich wie Hank und hilft ihm gegen alle dienstlichen Interessen und Kollegen.
DAS THEMA: DIE AMERIKANISCHE FAMILIE. Vater, Mutter, 2 Kinder. Ein Kind ist bereits tot. Nun werden sie mit der Tatsache konfrontiert, dass auch der 2. Sohn tot ist. Man ist konsterniert. War man doch durchaus eine „gute amerikanische Familie“, in der der „Dienst fürs Vaterland“ durchaus als angemessen galt. Doch nun werden die eigenen Werte mehr als in Frage gestellt. Von wegen Familie/Religion und das Land, der Irak-Krieg hinterlässt mittlerweile auch „privat“ seine grausigen Spuren, Wunden, Narben. Eine SEELISCHE ZERSTÖRUNG, die sich immer mehr einfrisst und die haften bleibt. Eine „private Nation“ wird/ist erschüttert. Obwohl der Irak-Krieg hier NUR „äußerlich“ eine Rolle spielt, in einer Art „ständigen Nebenhandlung“, ist er doch allgegenwärtig und – obwohl weit weg vom tatsächlichen Kriegsort – fürchterlich präsent.
„Im Tal von Elah“ ist eine Art POLITISCHER THRILLER. Der Fragen wie „WAS MACHT KRIEG AUS MENSCHEN-heute?“ nahegehend, berührend wie SPANNEND-dicht stellt. AMERIKA IST TRAUMATISIERT, lautet das unter die Haut gehende Signal dieses großartigen Films, der vor allem auch deshalb so großartig ist, weil die 3 Hauptakteure so eindringlich spielen. Der 61jährige TOMMY LEE JONES, charismatischer Nebendarsteller-Gigant und „Oscar“-Preisträger („Auf der Flucht“) in Hollywood („Men In Black“, „Space Cowboys“, gerade „No Country For Old Men“), gestaltet seinen erschütterten Dad mit beeindruckender Präsenz, Unaufgeregtheit, Klarheit, Deutlichkeit. Seine Verzweiflung/Verstörtheit ist mit jeder Pore spürbar, überzeugend, tief.
„Oscar“-Lady CHARLIZE THERON („Monster“) beweist einmal mehr, dass sie mehr sein kann als eine attraktive Blondine zur Schau zu stellen („The Italian Job – Jagd auf Millionen“); ihre Wandlungsfähigkeit hin zur Charakter-Mimin überzeugt. „Oscar“-Preisträgerin SUSAN SARANDON („Dead Man Walking“, „Thelma und Louise“) schließlich – als Hanks Ehefrau – drückt angemessen-still wie außerordentlich dicht-unruhig-bedrückend die Schmerzen einer Mutter aus, die nun auch den zweiten Sohn verliert/verloren hat. Ein brillanter Hollywood-Film, dem BEIDES tatsächlich gelingt: Spannend-gut zu unterhalten und dabei unbequeme wie aktuelle Gesellschafts-Probleme anzudenken/anzusprechen.
Paul Haggis: „Man macht Filme, weil man Fragen hat, die auf einem lasten“ (= 4 ½ PÖNIs).