PÖNIs: (5/5)
DER HÖLZERNE (B)ENGEL. Titel = „GUILLERMO DEL TOROS PINOCCHIO“ von Guillermo Del Toro (Stop-Motion-Animationsfilm; Co-B + Co-Produktion + Co-R; in Zusammenarbeit mit The Jim Henson Company; USA/Mexiko/Fr 2020; Co-R: Mark Gustafson; Co-B: Patrick McHale; Matthew Robbins; nach dem Roman „Pinocchio“ von Carlo Collodi/1826 – 26.10.1890; M: Alexandre Desplat; 114 Minuten; deutscher Kino-Start: 24.11.2022; deutscher HEIMKINO-Netflix-Start: 9. Dezember 2022). Der mexikanische Regisseur, Filmproduzent, Schriftsteller und Drehbuchautor erhielt 2018 für den Fantasyfilm „SHAPE OF WATER – Das Flüstern des Wassers“ (s. Kino-KRITIK/5 PÖNIs) zwei „Oscars“ – als „Bester Regisseur“ sowie für den „Besten Film“. Sein Hauptdarsteller für diesen Animationsfilm war im Sommer erst im cineastischen Mittelpunkt, die hölzerne Menschenpuppe Pinocchio, die 1881 erstmals auf italienischen Zeitungsseiten auftauchte und bald darauf populär wurde. Zig-Adaptionen folgten über die Jahrzehnte, und erst neulich taucht er auf, und zwar in der Disney-Trick-Neuverfilmung von Robert Zemeckis, die von der USA-Kritik und vom Publikum „zerpulvert“ wurde. Währenddessen die jetzige Pinocchio-Version von Guillermo Del Toro sich zum Kunstwerk erhob. In dem anfangs eitle Freude herrscht. Wo Sebastian J. Grille zum Erzähler avanciert („Das Zirpen meiner Jugend“). Es waren einmal – der Holzschnitzer Gepetto und sein Sohn Carlo. Vater und Sohn sind seelenhaft-tief vereint. Als Carlo durch aus einem Flugzeug geworfene Bombe stirbt, ist Gepettos Trauer riesig. Nur sein ständiger Begleiter Jiminy Grille vermag ihm die Seele etwas freizuräumen. Lassen wir die Tränen, Trauer und die Wut fließen bis der Alte eines Tages den seligen Baum vor seiner Tür fällt, aus dem Holz einen „Jungen“ schnitzt und plötzlich – einen lebendigen Holz-Jungen um sich weiß. Der kleine Junge aus Pinienholz muss sich Mühe geben, um ein neuer „Pinocchio“ zu werden, aber es kommt Bewegung in diese neuerliche „Vater / Sohn“-Gemeinschaft. Die sich nun von der bekannten Literatur abwendet, um sich hin zu grauslichen Stimmungsbilder der 1930er-Jahre zu bewegen. Wo Faschisten das Bestimmen übernommen haben. Und ein ekliger Mussolini auftaucht. Wo Pinocchio mittlerweile im Zirkus eines garstigen, geldgierigen, listigen Direktor-Lügenbolds gelandet ist und knallhart ausgebeutet wird. Was der unschuldige Pinocchio bemerkt. Der sich zu einem gutmütigen kleinen Burschen berufen fühlt, der gerne Gutes tun möchte, aber durch seine Naivität viel einstecken muss und oftmals das Gegenteil erreicht. So langt – nach dem Zirkus-Rassisten – ein schrecklicher Militär-Oberst zu, der mitgekriegt hat, dass der hölzerne Bub nicht zu sterben vermag. Als dadurch „perfekter Soldat“ ist der Holzjunge für die Armee doch ein „Sieger“, der – kriegerisch – gut „zu verwenden“ ist. Das Vaterland braucht schließlich solche Schießhelden wie ihn, wird Pinocchio getrimmt. Währenddessen sucht Gepetto nach seinem Sohn, um ihn aufzunehmen. Ihm „die Dinge“ richtig zu erklären. Doch der Junge hat sich bereits auf eine Lebensreise begeben, bei der er erst lernen muss, seine Umwelt zu begreifen, um dann seinen Vater besser zu verstehen. Vor allem: Schießen nicht lachhaft zu finden.
Was für ein cineastischer Triumph! Besetzt mit vielen klugen, verblüffenden Pointen! Mit großartigen optischen Bewegungen! Mit Poesie, die zündet. Obwohl sie mit düsteren Erkenntnissen durchsetzt erscheint. In denen die musikalischen Balladen sprudeln. Wie die Gemeinheiten: Von wegen „Glauben, Gehorchen, Kämpfen“. Die Musikalität des französischen Filmkomponisten und zweifachen „Oscar“-Gewinners ALEXANDRE DESPLAT („The Grand Budapest Hotel“ und „The Shape Of Water“) stimmt bissig ein: Dem Volk Angst vor Fremden beizubringen, das isses. Darum geht es. Im Land. Wo mit „Ich kontrolliere dich“ der Schurke bestimmt, was sich zu tun gehört. Sogar Avatar „nähert“ sich hier; denn auch hier führt „Der Weg des Wassers“ ans Ziel. Und wenn diese Fettwurst Mussolini erscheint, kriegt man Zorn. Empfängt man Wut. Guillermo del Toro stellt klar: „PINOCCHIO ist ein Film, mit viel Herz. Es geht darum, wer man ist. Sich selbst treu zu bleiben und sich nicht ändern zu müssen, um akzeptiert zu werden“.
PINOCCHIO -aktuell: Was für ein brillanter filmischer Denk-und-exzellenter Unterhaltungsstreich! (= 5 PÖNIs).