THE GUARD – EIN IRE SIEHT SCHWARZ

THE GUARD – EIN IRE SIEHT SCHWARZ“ von John Michael McDonagh (B+R; GB/Irl 2009; 96 Minuten; Start D: 22.09.2011); wurde zuerst im Januar dieses Jahres auf dem renommierten „Sundance Film Festival“ entdeckt und hofiert und einen Monat später im Programm vom „Berlinale-Panorama“ zu einem der Lieblingsfilme des diesjährigen Festivals. Dabei handelt es sich um einen vergleichsweise „billigen Film“, denn dieser „Geheimtipp für den hiesigen Kino-Herbst“ entstand mit einem 6 Millionen Dollar-Budget im Oktober 2009 in den irischen Landstrichen Connemara (im Westen) und Wicklow (im Osten der Insel). Ausgedacht und inszeniert hat ihn sich der irischstämmige britische Kurzfilmer („The Second Death“/2000), Drehbuch-Autor (für „Gesetzlos – Die Geschichte des Ned Kelly“ von Gregor Jordan; mit Heath Ledger/2003) und Regie-Debütant JOHN MICHAEL McDONAGH, Jahrgang 1967. Älterer Bruder von Martin McDonagh, Regisseur der wunderbaren tragikomischen Gangster-Farce „Brügge sehen… und sterben?“ von 2008, die auch hierzulande gut ankam. Colin Farrell und Brendan Gleeson imponierten dort als irische Berufskiller in der Kulturstadt Brügge. Und der 55jährige BRENDAN GLEESON steht auch hier wieder im Mittelpunkt des erneut völlig unkonventionellen Geschehens. Wir kennen diesen bulligen Iren aus vielen Filmen und Nebenrollen („Braveheart“/1995; „28 Days Later“/2002/; „Green Zone“, 2010). Für sein Porträt des Winston Churchill in der HBO-Miniserie „Into the Storm“ („Blut, Schweiß und Tränen“) gewann er 2009 einen TV-„Oscar“, den „Emmy“, als „herausragender Hauptdarsteller“. Populär wurde Brendan Gleeson vor allem aber zuletzt durch die Harry Potter-Streifen, wo er ab Teil 4 – „Harry Potter und der Feuerkelch“ – den einäugigen Professors Alastor ‚Mad-Eye’ Moody mimte.

Hier nun spielt er einen irischen Eastwood: „Dirty Gerry“. Gerry Boyle. DER ist in diesem kleinen Nest an der irischen Westküste „der Sheriff“. Der absolut gar nichts von Vorschriften, Vorgesetzten, Benehmen hält. Ganz im Gegenteil: Jungen Autorasern, die tödlich verunglückt sind, klaut er schon mal die Drogen. Um sich selbst „ein wenig“ zu bedienen. Ermordeten greift ins Gesäß, um festzustellen, „wie lange“ sie schon tot sind. Macht er Waffenfunde, gibt er diese an die IRA weiter. Bolyle ist ein knochiger Typ. Der seine krebskranke, aber „flotte“ Mutter aufopferungsvoll pflegt, die sich gerne nochmal Live-Musik anhören und an Kokain schnuppern möchte. Und an freien Tagen lebt der potente Boyle gerne seine Vorliebe für „spezielle“ Prostituierte aus Dublin aus. Die er per Zug „einfliegen“ lässt. Mit anderen Worten: Gerry Boyle hat einen äußerst eigenwilligen Sinn von und für Humor. Und wenig Lust, sich nun auch noch um den geheimnisvollen Toten Gedanken zu machen, der in einer Ferienwohnung erschossen aufgefunden wurde.

Dafür sieht sein neuer Assistent Aidan. „DER aus der Großstadt“, Boyle kann ihn nicht ausstehen, gleich die Chance für viel kriminalistisches Tun. Was dem Neuen dann auch umgehend zum Verhängnis wird. Die Tage der beschaulichen, „übersichtlichen“ Ruhe jedenfalls sind für Sergeant Boyle, den Uniform-Cowboy, endgültig hin. Zumal nun auch „Verstärkung“ von Auswärts anrollt. In Gestalt des schwarzen FBI-Agenten Wendell Everett (DON CHEADLE). Der will ausgerechnet hier einen bevorstehenden Drogentransport aufspüren, der eine halbe Milliarde Dollar wert sein soll. Und lernt sofort den einheimischen, störrischen Boyle kennen, der ihn vor versammelter Mannschaft „typisch willkommen“ heißt als er bei den Fahndungsfotos auch drei Weiße vorfindet: „Ich dachte, dass nur Schwarze mit Drogen dealen“. Kein guter Anfang für eine Zusammenarbeit: „Ich bin Ire – Rassismus ist Teil meiner Kultur“. Denn Boyle ist auch felsenfest davon überzeugt, dass USA-Schwarze ausschließlich aus Sozialbauten stammen. Wendell Everett, der aus gutbürgerlichem Hause kommt und in Yale studiert hat, reagiert fassungslos: „Ich weiß nicht, ob sie wirklich so völlig hohl in der Birne sind oder ob sie einfach bloß so tun“.

Die schwarze lakonische irische Briten-Show kann beginnen. In DER auch ein „ziemlich außergewöhnliches“, also (ein-)gebildetes Gangster-Trio auftritt. Mitmischt. Das sich schon mal bei Schopenhauer, Nietzsche, Pol Pot und Chet Baker „aufhält“ und auf klare, brutale Festlegungen besteht: „Ich bin ein Soziopath, kein Psychopath“. Und bei dem auch Sinn-Fragen auftauchen wie „Es ist alles so verflucht bedeutungslos. Das Geld. Wieviel braucht man, um glücklich zu sein?“

Ein wirklich kurioses Szenarium und Personal. Skurril, unverschämt, unorthodox. Mit besonders derbem Humor. Und latent politisch unkorrekt. Eigentlich ausdauernd politisch unkorrekt. Nix geht hier „nach Regeln“. Herkömmlichem Moral-Kodex. Bis der ständig verbal ausrastende Gerry Boyle seinen Gerechtigkeitsinstinkt wiederaufleben lässt. Und Schwarz-Weiß, bzw. umgekehrt, sich zum Show Down zusammentun. Begleitet vom zündenden „Morricone-Sound“ der Indie-Band CALEXIKO. Und dies ALLES – ohne lärmende Spezialeffekte und penetrante Tricks. Das originelle Drehbuch und die ebensolchen Typen bilden, sind die wahren, überzeugenden, triumphalen Erfolgsgaranten.
Der oftmalige Nebenakteur BRENDAN GLEESON hat denn auch etwas von einem Sergio Leone-/Clint Eastwood-Hero. In der zynischen, spannenden Exzentriker-Art. Als pointierter Solist („Ich mag Haie. Sind so beruhigend“). Ala des cleveren, coolen Anti-Helden aus „Für eine handvoll Dollar“ oder „Dirty Harry“, Clint Eastwood. Direkt. Zynisch. Geradeaus. Profitorientiert. Lange Zeit.

Dieser Paar-Zoff hier erinnert aber auch verteufelt an den rassistischen Rod Steiger-Südstaaten-Sheriff Bill Gillespie aus dem Klassiker „In der Hitze der Nacht“ (von Norman Jewison/1966). Und an seinen Gegenspieler Virgil Tibbs, einem hochrangigen Polizeidetektiven aus der Großstadt, den damals Sidney Poitier so brillant verkörperte. Der heutige „Sidney Poitier“ ist DON CHEADLE, 46, Schauspieler und Produzent aus Kansas City/Missouri. Bekannt aus so unterschiedlichen Filmen wie „Ocean’s Eleven – Thirteen“ und „Hotel Ruanda“ („Oscar“-Nominierung“). Don Cheadle, hier auch Mit-Produzent, hat sichtliches Vergnügen, sich als moderater FBI-Ermittler aus der weiten (USA-)Welt mit diesem irischen „Dampfhammer“ von Brendan „Gerry Boyle“ Gleeson zu messen. Zu duellieren: „Sie sind ganz sicher ein unkonventioneller Police-Officer, Sergeant Boyle. Und das war bestimmt kein Kompliment“. Bevor es gemeinsam „in den Ring“ geht. Gegen die feinen Fiesen.

„The Guard“ ist herrlichst absurd. Ständig haarsträubend „komisch“. Mit seinen schrägen Figuren. Dem vielen Dialogwitz. Diesen wunderbar frechen „Situationen“ und seiner stimmungsvollen, viel überraschenden schwarzen „Heiterkeit“. Und mit diesen schön-gemein zündenden lakonischen Understatement-Pointen. Inmitten einer rauen, „passenden“ Landschaft. Atmosphärisch eingefangen von LARRY SMIITH, der fast 25 Jahre mit Stanley Kubrick zusammenarbeitete, zunächst als Chefelektriker („Barry Lyndon“), dann als Oberbeleuchter („The Shining“) und schließlich als Kameramann beim letzten Kubrick-Opus „Eyes White Shut“ (1999). Aus dem vorzüglichen Ensemble kennen wir MARK STRONG, zuletzt dämonischer Schurke in „Sherlock Holmes“, LIAM CUNNINGHAM („Harry Brown“/DVD) und FIONNULA CUNNINGHAM („Lang lebe Ned Devine!“, dem irischen Außenseiter-Großvergnügen von 1998).

Dieser amüsante grandios-feinschmutzige, also pechschwarze britisch-irische Komödien-Spaß kommt prima unerwartet und zählt zum Leinwand-Besten in diesen Tagen und für sicherlich Wochen (= 4 ½ PÖNIs).

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