Gravity

GRAVITY“ von Alfonso Cuarón (Co-B, Co-Pr. + R; USA/GB 2011/2012; Co-B: Jonás Cuarón/Sohn d. Regisseurs; K: Emmanuel Lubezki; M: Steven Price; 91 Minuten; Start D: 03.10.2013); der am 28. November 1961 in Mexiko-Stadt geborene Regisseur, Produzent und Drehbuch-Autor zählt zu den interessantesten Filmkünstlern seiner Generation. Sein Debütspielfilm, die schwarze Komödie „Sólo con tu pareja“, war 1992 die Nr.1 an den mexikanischen Kinokassen. Sein amerikanischer Erstling – „Little Princess“ – erhielt 1995 zwei „Oscar“-Nominierungen (Kamera, Ausstattung). 1998 schuf er die zeitgenössische Version des Charles Dickens’ –Klassiker „Große Erwartungen“ (mit Gwyneth Paltrow, Robert De Niro, Anne Bancroft). Danach kehrte Alfonso Cuarón nach Mexiko zurück und inszenierte die spanischsprachige, provokante Road Movie-Komödie „Y Tu Mamá También – Lust for Life“, für die er 2001, gemeinsam mit seinem Bruder Carlos, eine „Oscar“-Nominierung in der Kategorie Drehbuch bekam. Die „Großen“ wurden auf ihn aufmerksam, so dass er 2004 für die Folge „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“ als Regisseur verpflichtet wurde. Gleich drei „Oscar“-Nominierungen erhielt der innovative Filmemacher 2006 für sein Werk „Children of Men“ (Drehbuch nach einer Vorlage; Kamera, Schnitt). Mit „Gravity“, also „Schwerelosigkeit“, tritt der 51jährige nun in die kreativen Fußstapfen eines Stanley Kubrick. Sozusagen: „2013 – Odyssee im Weltraum“. In diesmal wirklich beeindruckendem 3 D.

Was sogleich der Anfang „großräumig“ belegt. Die riesige IMAX-Leinwand – dunkel. Dafür eine grässlich laute Tonspur. Die abrupt abbricht. Totale Stille. Dann die weiße Schrift: „372 Meilen über der Erde gibt es nichts, was den Klang transportieren könnte. Kein Luftdruck. Kein Sauerstoff“. Kurze Pause. Danach ein kleines Schriftmotiv unten links, als ergänzende Fußnote: „Leben im Weltall ist unmöglich“. Die nächste Einführung dauert sagenhafte 17 Minuten und wird unvergessen bleiben. Majestätisch schiebt sich der Blaue Planet langsam in das Blickfeld. Ebenso wie dann das geöffnete Space-Shuttle von drei US-Astronauten, die „draußen“ mit Routinearbeiten befasst sind. Und unverhofft von heranrasenden Satellitentrümmern überrascht werden. „Houston, hören Sie mich?“. Der Kontakt ist weg. Ein Kollege tot. Der sich auf seiner letzten Mission befindende, erfahrene Commander Matt Kowalsky (GEORGE CLOONEY) und Neuling Dr. Ryan Stone (SANDRA BULLOCK) haben zwar überlebt, doch ihre Überlebenschancen sind insgeheim „nicht sehr happig“. Angesichts dieses zunehmend unsicher werdenden klaustrophobischen Aufenthalts im totalen und lebensfeindlichen Nichts. Gefangen in den Bewegungen der Schwerelosigkeit. In den engen Raumanzügen. Auf der Suche nach Möglichkeiten des Dochüberlebens.

Was für ein – zunächst einmal – visueller Filmgigant. Alleine die feine lange beschauliche Anfangssequenz, bei entspannten Country-Klängen („Angels Are Hard To Find“ von Hank Williams Jr.), fasziniert. In ihrer emotionalen Bedächtigkeit. Das atmosphärische Gleiten durchs All. Mit dem Blick auf die majestätischen Weiten. Das Erlebnis eines Sonnenaufgangs. Der Panoramablick auf Uns, die Erde. „Gravity“, ein optischer Augenschmaus. In ereignisreichem, phantastisch wirkendem 3 D. Gänsehaut-Atmosphäre. Bei sich steigerndem Thriller-Geschmack. Zwei Menschen. Ihre Existenz. Des Menschen Existenz. Seine Befindlichkeiten. Sein Überlebenswillen. Seine Wahrnehmungen. Von sich. Dem Ich-Wert. Dem Überhaupt-Sinn. Während ER routiniert denkt und „charmant“ handelt, bricht bei IHR Panik aus. Denn da existiert ein irdischer „Schuldkomplex“, der sie zusätzlich schwächt. Währenddessen die Hindernisse immer komplexer werden. Unfassbarer. Kaum hat man ein „Problem“ überwunden, taucht die nächste Katastrophe auf. Kommt es noch erheblich schlimmer. Und immer noch doller. Alfonso Cuarón entwickelt Action-Choreographien im aufregenden Ruhestand. Exzellent: Das neue Spannungsgefühl: Brillante Langsamkeit. In Bewegung und Philosophie. Körper und Gedanken. „Gravity“ ist eine intensive Zivilisationsmetapher, die existenzielle wie packende Suspense herstellt. „Houston, hören Sie mich?“ No. Kein Coaching hier möglich. „Mensch“ ist auf sich allein gestellt.

George Clooney, mit seiner sanften Bass-Stimme, gibt den routinierten, abgeklärten und wissenden All-Menschen. Spielt besonnen die „zweite Geige“ und überlässt IHR die luftige Performance: SANDRA BULLOCK, 48, führt diese sensible Zweipersonen-Show sehr facettenreich. Zwischen Verzweiflung, Aufbäumen, Ironie. Gibt sich spröde, angefressen, aufgebend. Eine imposante (körperstarke) Charakter-Akteurin. In einem außerordentlich bildgewaltigen, cleveren, packenden, empfindungsreichen SciFi-Drama mit intelligentem Gegenwartsgeschmack (= 4 ½ PÖNIs).

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