GRAND CANYON

PÖNIs: (4/5)

Er heißt Lawrence Kasdan und zählt seit über einem Jahrzehnt zu Hollywoods interessantesten, weil kreativsten Machern. Er war lange Jahre erfolgreicher Autor und schrieb die Bücher zu Filmen wie “Das Imperium schlägt zurück“, “Jäger des verlorenen Schatzes“ und “Die Rückkehr der Jedi-Ritter“. Dann fing er an, seine Drehbücher auch selbst zu verfilmen. Heraus kamen Erfolgswerke wie “Heißblütig – Kaltblütig“, “Der große Frust“, “Silverado“ und “Die Reisen des Mr. Leary“. Kasdan ist ein menschlicher Regisseur. Ihn interessieren zwischenmenschliche Beziehungen ebenso wie die Gründe für ihre Existenz und ihr Scheitern. Ging es 1983 in “Der große Frust“ noch um die Beschwörung von alten “besseren“ Zeiten und um die Neurosen der Yuppie-Generation im Reagan-Amerika, so wird jetzt mit…

„GRAND CANYON“ von Lawrence Kasdan (Co-B + R; USA 1991; Co-B: Meg Kasdan; K: Owen Roizman; M: James Newton Howard; 134 Minuten; deutscher Kino-Start: 09.04.1992) die katastrophale Bilanz gezogen. Motto: Es geht uns immer besser, aber dabei verelenden wir zusehends. So jedenfalls geht es 8 Personen, die im heutigen Großstadt-Dschungel von Los Angeles leben.

Den meisten von ihnen geht es materiell verhältnismäßig gut, einige leben im Überfluss, andere kommen passabel über die finanziellen Runden. Aber plötzlich geht es nicht mehr nur ums Geld, plötzlich fängt man an nachzudenken. Und Fragen zu stellen. Der Grund: Einmal vom glatten Highway abgewichen, und schon befindet man sich mitten in der dunklen Hölle. So wie Mack, dessen Wagen streikt, und der sich mittenmal physisch bedroht sieht. Doch da taucht Simon mit dem Abschleppwagen auf. Weiß und Schwarz sind nun keine Schranken mehr, ganz im Gegenteil, man redet miteinander.

“Grand Canyon“, der „Goldene Berlinale Bär“-Siegerfilm in diesem Jahr, geht ans Gefühl und kloppt ins Gehirn. Co-Autor und Regisseur Lawrence Kasdan entwickelt eine spannende Philosophie und scheut sich dabei nicht, sie mit filmischen Tastaturen, also Emotionen, fein auszustatten. Seine Bilanz des sicherlich nicht nur amerikanischen Lebensgefühls von heute ist bitter, aber nicht resignierend. Er beschwört die alten Werte, die Fundamente von Freundschaft und Familie. Er tut dies, ohne dabei lärmende Fahnen oder patriotische Märsche vorzugeben. Sein Film ist schön zu begreifen, ohne zu verklären, mit klugen Fragen, ohne zu belehren. Das harmonische Finale stört nicht, wenn wir wissen, dass wir uns in einem Film aus Hollywood und für das hoffnungssüchtige Amerika befinden.

Dazu: “Grand Canyon“ ist auch ein exzellenter Ensemble-Film. Die Schauspieler, darunter Danny Glover, Kevin Kline, Steve Martin oder Mary McDonnell, bilden eine sympathische, überzeugende Einheit. “Grand Canyon“ wird man eines Tages wiedersehen und zitieren, wenn es darum geht, das Lebensgefühl der Menschen zu Beginn des letzten Jahrzehnts unseres Jahrhunderts zu beschreiben. Ein spannender, berührender, ein sehenswerter und nachdenkenswerter Film (= 4 PÖNIs).

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