GOTT VERHÜTE!

GOTT VERHÜTE!“ von Vinko Bresan (Co-B + R; Kroatien/Serbien 2012; Co-B: Mate Matisic; basierend auf dem Bühnenstück „Svencenikova Djeca“/auch Originaltitel des Films/“Die Kinder des Priesters“/ von Mate Matisic; K: Mirko Pivcevic; M: Maze Matisic; 97 Minuten; Start D: 07.08.2014); diese köstliche Balkan-Komödie war ein Publikumsfavorit auf zahlreichen internationalen Filmfestivals wie Karlovy Vary, Vancouver, Chicago, London oder Cottbus. Zuhause, in Kroatien, entwickelte sich diese „Don Camillo“-Schelmerei zu einem Blockbuster, zum dort bisher meistgesehen Kinofilm des 21. Jahrhunderts.

ER ist jung, er ist ambitioniert, er will den „katholischen Erfolg“: der junge Geistliche Fabian (KRESIMIR MIKIC) soll auf einer kleinen, also sehr überschaubaren dalmatinischen Insel die Nachfolge des allseits beliebten, bewährten “Kumpel“-Dorfpfarrers antreten. Was gar nicht so einfach ist, denn er vermag weder gut singen noch ebenso Fußball zu spielen (wie der bisherige Priester im Veteranen-Team) noch im Boule-Spiel „richtig“ zu treffen. Mit anderen Worten, der junge Mann schiebt Frust. Als ihm auffällt, dass auf dem kleinen Eiland mehr Einwohner sterben als neue geboren werden, sieht er seine intrigante wie clevere Chance bekommen. Über einen „reumütigen Sünder“, Kioskbesitzer Petar (NIKSA BUTIJER als Balkan-„Schwejk“), erfährt er nämlich von der intensiven „heimlichen“ Ingebrauchnahme von Kondomen. Innerhalb der Gemeinde.

Also beschließen beide, diese künftig „zu manipulieren“, bevor sie in den Verkauf beziehungsweise Gebrauch gehen. Allerdings – damit „100%“ erreicht werden kann, muss auch der (sehr) nationalistisch gesinnte, durchgeknallte Apotheker Marin (DRAZEN KÜHN) mit eingespannt werden. Schließlich verkauft DER doch auch massenhaft Kondome. Zwar widerwillig, weil er doch auf keinen Fall künftig „mehr Ausländer denn Einheimische“ hier haben möchte, aber Geschäft ist halt Geschäft. Die Aktion der Drei kommt in Schwung und hat natürlich Folgen. Aber nicht nur vorhersehbare, sondern auch reichlich verblüffende, überraschende und dann leider auch tragische. Eine erfreuliche = Im ganzen Land spricht man plötzlich in den (TV-)Medien hochlöblich von dieser neuen „Fruchtbarkeitsinsel“. Was dem Tourismus auf der Insel erheblich förderlich ist. Andererseits spitzen sich die Dinge immer mehr und weiter zu. Geraten außer Kontrolle für den jungen Kirchenmann, der doch eigentlich nur vorhatte, die Vormachtstellung der katholischen Kirche auch hier „konstant“ zu halten.

„Gott verhüte!“, endlich einmal ein brillanter deutscher Kinofilm-Titel, erinnert lange Zeit durch seine folkloristische Erzählweise und über den hübschen thematischen musikalischen Rhythmus an die frühen mediterranen Volkskomödien aus Italien und Frankreich: Inmitten einer kleinen Abseitsgemeinde, mit ihrem skurrilen Personal, passieren kleine pointierte Allgemeindinge, die plötzlich regional wie dann auch überregional eine „große Bedeutung“ bekommen. Wie hier, wo wir auf ein ziemlich groteskes Spiegelbild der gegenwärtigen kroatischen Gesellschaft stoßen. Süffisant wie tiefgründig. Komisch wie abartig.

Der Co-Autor und Regisseur Vinko Bresan im Presseheft über Fakten und Absicht(en): „Kroatien ist ein überwiegend katholisches Land und die katholische Kirche in Kroatien eine derart einflussreiche und tonangebende Institution, dass ich als Regisseur gar keine andere Wahl hatte, als darüber einen Film zu machen. Als Papst Benedict XVI. den Gebrauch von Kondomen teilweise erlaubte, wurde aus der lokalen Geschichte eine globale… Der Balkan-Mittelmeerraum, aus dem ich stamme, ist geprägt von einem poetischen, emotionalen und visuellen Wahnsinn, der auf der einen Seite überzeugend und echt ist, auf der anderen aber auch sehr surreal wirkt. Während die katholische Kirche und ihre Dogmen Konflikte zwischen Aufrichtigkeit und Manipulation, Zölibat und Sexualität, Nächstenliebe und Pädophilie, Religion und Scheinheiligkeit aufwerfen… Es ist eine Volkskomödie, gespickt mit filmischen Gags und (herrlich/d. Kritiker) anstößigen Witzen, wie wir sie in einer ´commedia dell‘ arte´ finden…Wie dem auch sei, die Realität, in der wir leben, erlaubt es mir nicht, ausschließlich Komödien zu drehen. Daher musste ich im zweiten Teil dramatische Elemente in die komische Struktur einbauen, zunächst eher versteckt, schließlich ganz offensichtlich… Einfach, weil das Leben auch kein festes Genre hat, sondern Komödie und Drama immer zusammengehören“.

Und gerade dieser letztliche, riskante Sprung von der lakonischen Unterhaltung hin zur tragischen Authentizität macht diese nun komödiantische Groteske (sehr) viel wertvoll(er). Lässt sie eine erstaunlich melancholische, Menschen-spannende Tiefe erreichen, deren Nah- wie Nachwirkung enorm ist. „Gott verhüte!“ hat Beachtung verdient (= 3 ½ PÖNIs).

 

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