Glück der großen Dinge

Dass eine Sechsjährige das ganze erwachsene (Star-)Ensemble faszinierend an die Wand spielt, kommt auch nicht alle (Film-)Tage vor. So war (und ist) es aber in einem amerikanischen Spielfilm aus dem Vorjahr, der bei uns in diesem Sommer-KINO viel zu wenig Beachtung fand. Deshalb soll er unbedingt – anlässlich seines jetzigen Heimkino-Starts – noch einmal dringend wie nachhaltig empfohlen werden:

DAS GLÜCK DER GROSSEN DINGE“ von David Siegel und Scott McGehee (USA 2012; B: Nancy Doyne und Carroll Cartwright; nach dem Roman „What Maisie Knew“ von Henry James; K: Giles Nuttgens; M: Nick Urata + „The Kills“ = einige Songs: Julianne Moore; 103 Minuten; Start D: 11.07.2013; Heimkino-Veröffentlichung: 21.11.2013); ich stelle mir gerade vor, man, also die Produktion, hätte das Geld auch zur Verfügung gehabt, um den Film „hinterher“ angemessen „lautstark“, im Rahmen des Marketings, begleiten, veröffentlichen zu können. An wie vielen „Unwissenden“ wäre der Film dann wohl NICHT vorbeigegangen??? Mit anderen Worten: Wir haben es hier mit einem großen kleinen Meisterwerk von Außenseiterfilm zu tun, der UNBEDINGT der angemessenen umfangreichen (Weiter-)Empfehlung bedarf. Er ist einer jener wunderbaren „Sleeper“-Movies, die hin und wieder und erst einmal „titel-nichtssagend“ und völlig unbekannt im wöchentlichen Kinostart-Massenangebot auftauchen und bei denen man dann, nach dem Anschauen, die filmische Perle aus der Kino-Muschel begeistert erkennt.

Auch die Produzentin muss erwähnt werden: DANIELA TAPLIN LUNDBERG. Denn sie hat schon mit dem Film „THE KIDS ARE ALLRIGHT“ von Regisseurin Lisa Cholodenko 2010 ein kleines Meisterwerk (mit Julianne Moore + Annette Bening) zum Leben erweckt, das mit vier „Oscar“-Nominierungen für Außenseiterfurore sorgte. Mit diesem Schmuckstück hier hat sie ein weiteres Glanzstück für die Leinwand produziert. Basierend auf dem Roman „What Maisie Knew“ (deutscher Roman-Titel: „Maisie“) des amerikanischen Schriftstellers Henry James (15.4.1843 – 28.2.1916) aus dem Jahr 1897. DEN das Drehbuch-Autoren-Team in die Jetzt-Zeit adaptierte. Dabei im Mittelpunkt und darstellerisch sicherlich mit das Schwerste, was es im Film glaubhaft, überzeugend „herzustellen“ gilt: Die 6jährige Maisie. Ein Trennungskind.

SIE ist eine Rock-Ikone, Susanna (JULIANNE MOORE), ER ein herbcharmanter Kunsthändler, Beale (STEVE COOGAN). Man lebt großzügig in einem New Yorker Appartement, um sich täglich oft zu streiten. Ganz klar, diese Beziehung zweier Egomanen ist total kaputt. Das Ehepaar steht vor der Scheidung. Einziges „Problem“ ist, also „macht“ dabei ihre 6jährige Tochter Maisie (unglaublich einnehmend: ONATA APRILE). Beide Partner lieben sie. Vergöttern sie. Wollen sie auf keinen Fall aufgeben. Was zum Rosenkrieg vor Gericht führt. Und was aber auch für das eigene erwachsene (Berufs-)Leben gilt: Auch hier wollen die Eltern „ihr Ding“ konsequent weiter und zeitintensiv durchziehen. Die ertragreiche Arbeit steht ganz oben auf der Jeden-Tag-Liste. Wie aber alles und vor allem die eigene Tochter da auch noch „mit – unterbringen“? Unter ihren total verplanten Lebens-, also Jobdauerlauf? Dies klappt, funktioniert natürlich kaum. Bis dann gar nicht. Mehr. Desorientierung, nervlicher Stress. Obwohl Maisie keineswegs „stört“. Oder lärmt. Oder andauernd missmutig ist. Sie erkennt offensichtlich „die Dinge“ in ihrem Umfeld und nimmt sie altersgemäß eher ruhig und erstaunlich gelassen „als gegeben“ hin. Glaubt und hofft an die vielen Versprechungen und Zuneigungsbeteuerungen. Von allen Seiten. Freut sich, wenn man ihr überhaupt Aufmerksamkeit schenkt. Auch dann mit und bei den neuen Ehepartnern ihrer Eltern. Jüngeren Erwachsenen. Die sich „ihrem Kind“ etwas „näher“ widmen. Können. Wollen. Auch wenn ihre existenziellen Interessen dadurch in ziemliche persönliche Mitleidenschaft gezogen werden.

IHRE staunenden wie hinreißend schönen BLICKE wird man NIE vergessen. Obwohl gerade einmal süße sechs Jahre jung, zeigt sich „Maisie“ ONATA APRILE als grandioser, faszinierender STAR des Films. Bei dem die namhaften Stars „drumherum“ tatsächlich „nur“ als prächtige Stichwortgeber auftreten: Die vielfach geehrte, mit bislang vier „Oscar“- und sieben „Golden Globe“-Nominierungen bedachte JULIANNE MOORE („The Hours“) hat als gealterte Rock-Lady großartig zerfahrene Psycho-Momente. Zwischen Wut, Verzweiflung und übergroßem Ego. Ihr britischer Kollege STEVE COOGAN (zuletzt beeindruckend in „Ruby Sparks“ und Michael Winterbottoms „The Trip“) gibt den desorientierten, dennoch grundgütigen Papa. Dem das internationale Geldverdienen letztlich doch mehr bedeutet. ALEXANDER SKARSGARD, Sohn des schwedischen Stars Stellan Skaarsgard und fünfmaliger „Sexiest Man“ in Schweden, zuletzt in dem Remake von „Straw Dogs“ wuchtig auftretend, ist endlich einmal ein „normaler“ Lover (der Mama), mit viel Barkeeper-Charme und Verständnis. DEM Maisie nach und nach ans Herz wächst. Ohne Trompeten-Trara. Sondern mit Bedacht. Und Verunsicherung. Schritt für immer mehr Mögenschritt. Während die Britin JOANNA VANDERHAM als erst Kindermädchen, dann als zweite Ehefrau des Vaters, dann als „Neu-Mutter“ in ihrem Spielfilm-Debüt angenehm unaufgeregt auftritt. Weil sie „gegen“ diese „Kleene“, ONATA APRILE, sowieso keine Chance hätte. Wie DIE ihren Part als dezent-grausam Herumgeschubste körperinnig ausdrückt, ausfüllt, ist einfach herzerwärmend. Mitreißend. Was für ein empfindsames Mitteilungsgesicht! Was für ein liebevolles, sensibles Seelchen! ONATA APRILE fängt einen sekündlich ein. Und lässt einen emotional nicht mehr los. Einfach unglaublich. Schön. Was schon für eine Begabung. In diesem Meisterwerk um das gemeine Erwachsenenleben aus der Sicht eines unverdorbenen 6jährigen Kindes. Dessen Sichtweise bei Henry James so erklärt wird: „Maisies Unschuld ist mit Wissen gesättigt“.

Ansehen. Mitfühlen. Eintauchen. Mögen. VIEL MÖGEN. Man kommt gar nicht daran vorbei, diesen wunderbaren Film gerne zu haben. So porentief und seelenvoll ist er menschlich. Gönnen Sie sich „DAS GLÜCK DER GROSSEN DINGE“. Der emotionale Spaß ist enorm. Riesig (= 5 PÖNIs).

Anbieter: „Studiocanal“

 

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