„GIRLS‘ NIGHT“ von Nick Hurran (GB 1998; 102 Minuten; Start D: 05.11.1998).
Mit Filmen wie “Lügen und Geheimnisse“, “Brassed Off – Mit Pauken und Trompeten“ und “Ganz oder gar nicht“ hat das britische Kino in den letzten Jahren beträchtliches Aufsehen erregt – und ebensolches Ansehen erreicht. Einer der Erfolgsgründe: Die hierbei geglückte Mischung aus Alltagsrealismus und Kino-Gefühl. Der Debüt-Spielfilm des 38jährigen NICK HURRAN, einem Londoner Fernsehfilm-Profi, ist auch aus solch kostbarem “dramaturgischem Holz“ gestrickt. Hurran blickt zunächst auf das triste Dasein in dem nordenglischen Provinz-Ort Rawtenstall.
Dort leben Dawn und Jackie, zwei Frauen Mitte 40. Sie arbeiten in einer Fabrik am Fließband und sind dick befreundet. Dabei können sie unterschiedlicher gar nicht sein: Während Dawn mit Ehemann und zwei halbwüchsigen Kindern in einem kleinen, fast abgezahlten Reihenhaus eine eingefahrene Beziehung führt, betrügt die lebenslustige, sich vernachlässigt fühlende Jackie ihren Ehemann fast im Akkord. Jeden Freitag steht die große Abwechslung auf dem Programm, es ist “Girls‘ Night“, Frauenabend – man spielt Bingo. Als Dawn dabei den Haupttreffer landet und 100.000 Pfund gewinnt, ändert sich das Leben der Freundinnen schlagartig. Man teilt den Gewinn, wie vereinbart. Dann verlässt Jackie umgehend Haus, Hof und Gatte, findet aber auch bei ihrem Derzeit-Geliebten kein Glück. Als sie aber erfährt, dass bei Dawn wieder die Krebserkrankung ausgebrochen ist, beschließt sie, gemeinsame Träume umgehend zu verwirklichen. Neues Motto: Ab ins Paradies, ab nach Las Vegas.
2 Frauen, eine tödliche Krankheit, der Ausbruch: Die Geschichte um Schmerz, Angst und Lust hätte leicht abrutschen und ins kitschige Aus umkippen können. Der Film “GIRLS‘ NIGHT – Jetzt oder nie“ aber vermeidet klischeehafte, verlogene Klippen. Mit feinem Gespür für Humor an der richtigen Stelle, mit der erzählerischen Kunst, bekannte Lebenssituationen und versöhnliche Emotionen glaubhaft zu transportieren, gelingen der Drehbuch-Autorin Kay Mellor und Regisseur Nick Hurran ein beeindruckendes Plädoyer für wahre Freundschaft und Liebe. Natürlich liegt das zuallererst an den überzeugenden beiden Hauptakteurinnen:
BRENDA BLETHYN war ja schon als überraschte Adoptivmutter und Arbeiterfrau in Miko Leighs “Lügen und Geheimnisse“ eine darstellerische Größe, und auch hier zeigt sie sich als vom Schicksal gebeutelte und nie resignierende Frau aus der Unterschicht mit unglaublicher Kraft und Sensibilität.
Julie Walters dagegen, als Jackie, dampft mit selbstbewusster Energie und lustvollem Temperament durch die existenzielle Szenerie: Ebenso eine schauspielerische Glanzleistung! Überhaupt: Dieses mitreißende Zusammenspiel der beiden verschiedenen Frauen-Typen und ihre jeweilige ganz eigene “Power“ erweist sich als künstlerischer wie emotionaler Glücksfall für diesen neuen britischen Film „Girls‘ Night“. Sozusagen eine feine Achterbahnfahrt der Gefühle. In die dann übrigens auch noch Kris Kristofferson als Lonesome Cowboy stil- und würdevoll hineinplatzt.
Komödie, Sozialdrama, Tragödie – auf jeden Fall ist der Film “Girls‘ Night – Jetzt oder nie“ von Nick Hurran erneut außergewöhnliches,
bewegendes britisches Erzähl-Kino. Und “sehenswert“ ganz sicherlich nicht nur für Frauen…, ganz im Gegenteil (= 4 ½ PÖNIs)!