„DIE FRAU DIE SINGT“ von Denis Villeneuve (Co-B+R; Kanada 2010; 133 Minuten; Start D: 23.06.2011); der am 3. Oktober 1967 im kanadischen Quebec geborene Regisseur und Drehbuch-Autor hat Film studiert. Begann danach Musikvideos und Kurzfilme zu drehen. Sein Langfilm-Debüt war 1998 „Der 32. August auf Erden“, der weltweit auf Festivals lief und auch bei uns im Arthouse-Kino auf Interesse stieß. Danach entstanden die Spielfilme „Maelström“ (2000) und zuletzt „Polytechnique“ (2009). Sein neues Werk basiert auf dem Bühnenstück „Incendies“ (so auch der Originaltitel des Films/“Verbrennungen“) des libanesischen Schriftstellers und nach Frankreich emigrierten arabischen Christen Wajdi Mouawad. Und war für den diesjährigen Auslands-„Oscar“ nominiert. Am Beginn sind wir im Heute. In Kanada. Wo die erwachsenen Zwillinge Jeanne und Simon Marwan bei der Eröffnung des Testaments ihrer verstorbenen Mutter eine „dicke“ Überraschung erwartet. Der mit der Familie befreundete Notar händigt ihnen zwei Briefe aus. Diese sollen sie verschlossen ihrem Vater sowie ihrem Bruder aushändigen. Jeanne und Simon lebten bisher in der Annahme, dass ihr Vater tot sei. Von einem weiteren Bruder war ihnen nichts bekannt. Während Simon überhaupt keine Lust verspürt, in die Vergangenheit der Familie und das frühe Leben seiner Mutter einzutauchen, macht sich Jeanne auf die mühevolle Reise in das Geburtsland ihrer Mutter im Nahen Osten. In eine namentlich nicht genannte Region. (Gemeint ist Libanon, gedreht wurde in Jordanien). Wo sie pö a pö mit dem zutiefst verstörenden wie ergreifenden Leidensweg-Schicksal ihrer Mutter konfrontiert wird. Die dort in die jahrzehntelangen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Christen, Muslimen, zwischen Nationalisten und Reformisten, „eingebunden“ war. Deren Leben von grausamen Erlebnissen „am eigenen Leib“ gezeichnet war. Und deren schriftliche Überlieferung dennoch abschließend lautet: „Ich sage, Eure Geschichte beginnt mit einem Versprechen – den Lauf der Wut zu durchbrechen“. Ein wahnsinnig dichter Film. Packender Film. Schmerzvoller Film. Wirkungsvoller Film. Der einen immer mehr und tiefer in den Bann zieht und nicht mehr loslässt. Weil sein Thema nicht nur brisant, sondern auch zeitlos-aktuell ist: Was tun Menschen Menschen an. Im Namen einer Religion. Im Namen einer Ideologie. Im Namen einer Lust. Andere zu quälen. Zu beschädigen. Zu unterjochen. Zu töten. Im Namen der Lügen: Ich bin der Stärkere. Wahrhaftige. „Richtige“. Der weiß, was gerecht ist. Der sagt, was es „zu denken“ gilt. Wie zu „handeln“ ist. Macht. Ewiger Missbrauch. Aggressionen wohin man nur blickt. Religion als Alibi für dauerhafte „nützliche“ Gewaltexzesse. Um „Befriedigung“ zu finden. Um die eigenen Taschen zu füllen. Um das eigene Wohlergehen „auszubauen“. Zu sichern. Auf Kosten Anderer. Vieler Anderer. Die Diktatur der Wissenden. Handelnden. Geschickten. Gemeinen. Der ewigen Henker. Die weiterhin „existieren“. Im Hintergrund. Denken. Lenken. Beraten. Führen. Mit ihren gefährlichen Handlangern. Nawal Marwan (LUBNA AZABAL) war immer Opfer. „Fehl am Platz“. War ständig „unterwegs“. Begehrte auf. Bezahlte dafür schlimm. Fürchterlich. Abartig. Doch sie ließ sich nie besiegen. Sang immer. Und immer. Und immer. Unaufhörlich. „Die Frau die singt“ kam so zu einem legendären Ruf. Deren Spuren jetzt die Tochter und dann auch ihr Bruder und der Notar nachgehen. Der Film folgt diesen im vermischten Heute-Damals-Bilder-Rhythmus. So kommen sich Mutter und Tochter immer „näher“. Während sich „Die Frau die singt“ inzwischen wie ein Thriller bewegt. Als Höllen-Reise. Mit irritierendem wie versöhnlichem Ausklang. Ein großartiger, ein universeller, ein grandioser Unter-die-Haut gehender meisterlicher Film. Weil er UNS „Alte“ HIER auch bewusst macht, welches Generationsglück WIR hatten, nie in einen Krieg verwickelt gewesen zu sein (= 4 PÖNIs). |
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