FRANTIC (1988)

Roman Polanski hat einen neuen Film gedreht. Und immer wenn der Regisseur von Welterfolgen wie „Ekel“ “Tanz der Vampire“, “Rosemaries Baby“ oder “Chinatown“ eine neue Arbeit abliefert, ist große Neugier vorhanden. „FRANTIC“ von Roman Polanski (USA/Fr 1988; 120 Minuten; Start D: 25.08.1988), zu Deutsch “Wütend/Verzweifelt“, heißt der Streifen, der bei uns in dieser Woche anläuft.

“Frantic“ ist ein Krimi, der zunächst wie ein freundlicher Familienfilm daherkommt. Mit romantischen Erinnerungen an die Flitterwochen vor 20 Jahren kommen Dr. Richard Walker und seine Frau Sondra nach Paris. Aber schon die Fahrt vom Flughafen ins Hotel ist von zahlreichen Nicklichkeiten und Unbequemlichkeiten begleitet. Das Wetter ist schrecklich, die Straßen überfüllt und zu allem Überfluss platzt auch noch ein Reifen des Taxis. Missstimmung liegt in der Luft, obwohl sich das Ehepaar alle Mühe gibt, diese zu ignorieren. Man begibt sich aufs Zimmer. Er geht unter die warme Dusche, sie will mit dem Auspacken beginnen. Als er ins Zimmer zurückkommt, ist sie verschwunden. Nachdem Richard Walker alle Eventualitäten und Möglichkeiten überprüft hat, schaltet er besorgt den Hotel-Direktor ein.
Sondra Walker bleibt verschwunden. Richard ist nun allein in der fremden Stadt. Ohne Partner, ohne Sprachkenntnisse und mit der zunehmenden ohnmächtigen Erkenntnis und Wut, nicht für voll genommen zu werden. Denn auch die amerikanischen Amtsstellen in der Stadt können und wollen nicht glauben, dass seine Frau tatsächlich entführt wurde.

Also macht sich Richard alleine auf die Suche nach seiner verschwundenen Frau. Klappert die Bistros in Hotelnähe ab, löchert die Leute in diversen
Kneipen, bemüht sich verzweifelt nach einem Anhaltspunkt, nach einer Spur.
Der Amerikaner in Paris muss dabei über seinen Schatten springen und sich sogar in Gefahr begeben. Dabei will Richard überhaupt kein Held sein, ganz im Gegenteil. Ihn nervt nur mehr und mehr diese Ungewissheit und die Erkenntnis der eigenen Hilflosigkeit. Seine Suche führt ihn in die Neon- Niederungen der Großstadt. Wo ihm schließlich Michele begegnet, eines dieser zahlreichen Nachtschattengewächse. Die hat sich in dunkle Geschäfte eingelassen und dabei offensichtlich einen fürchterlichen Fehler begangen:
Gemeinsam machen sie sich nun auf die Suche. Verfolgen Spuren, überlisten argwöhnische und gemeine Beobachter und Verfolger, demonstrieren einige Cleverness und sehen sich schließlich einem außerordentlich gefährlichen Gegner gegenüber.

„Frantic“ ist ein wunderbar altmodischer, faszinierender Thriller. Hitchcock wäre stolz auf Polanski, denn “Frantic“ ist ganz in seinem Sinne konzipiert. Eine unschuldige Person, ein ganz normaler Durchschnittsbürger, muss sich plötzlich in einer außerordentlichen, unbequemen Situation zurechtfinden und bewähren. Dabei imponieren keine spektakulären Heldentaten und Aktionen, sondern seine Hartnäckigkeit in selbst aussichtslos scheinenden Momenten. Der eigentliche Reiz von “Frantic“ liegt also nicht so sehr in der Geschichte, sondern in den verschiedenen Einzelheiten. In den Reaktionen der Personen, im sich ständig steigenden Schrecken und Erschrecken unter der pulsierenden Oberfläche, in den mit auch viel Witz und Ironie ausgestatteten Szenen. Wie Harrison Ford in Paris ahnungslos herumtapert, das erinnert in den besten Momenten an Cary Grant in Hitchcock‘s “Der unsichtbare Dritte“, der ja auch nicht wusste, wie und warum ihm was geschah.

“Frantic“ ist ein sorgfältig und behutsam komponierter Spannungsfilm, der eigentlich nur bei seiner Auflösung richtig “kracht“ Harrison Ford überzeugt, in dem er seinen “Indianer Jones“ vergessen lässt. Seine Partnerin Emmanuelle Seigner allerdings ist die Schwachstelle des Films. Zu ordinär aufgemotzt, darstellerisch blass. Roman Polanski ist leider auch einer derjenigen Regisseure, die in neuen Produktionen ihre jeweilige Freundin mitspielen lassen. Das mindert die Qualität des Films, ohne ihm aber sehr zu schaden. “Frantic“ ist immer noch ein hintergründiger, pointierter Ausnahme-Thriller: mit vorzüglichen Paris-Aufnahmen des Kameramanns Witold Sobocinski und einer stimmungsvollen „Film Noir“ – Musik von Ennio Morricone.

„Frantic“ von Roman Polanski, ein Spannungsereignis für diese langsam kälter werdenden Sommerabende (= 4 PÖNIs).

 

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