FIVE MINUTES OF HEAVEN

FIVE MINUTES OF HEAVEN“ von Oliver Hirschbiegel (GB/Irland 2008; 89 Minuten; Start D: 17.06.2010); der am 26. März 1957 in Hamburg geborene Regisseur zählt zu den spannenden einheimischen wie internationalen Filmemachern. Der „interessante“ kreative Höhen und Tiefen durchlebt hat. Für seinen TV-Film „Das Urteil“ erhielt er 1998 den begehrten „Adolf-Grimme-Preis“, unseren Fernseh-„Oscar“ sozusagen. Sein erster Kinofilm war 2001 der Psycho-Thriller „Das Experiment“ (mit Moritz Bleibtreu), ein vielfach prämiertes Werk und ein heiß diskutierter Stoff. 2004 folgte dann die weltweit vielbeachtete und „hitzig“ diskutierte Bernd-Eichinger-Produktion „DER UNTERGANG“ (mit Bruno Ganz als Adolf Hitler), die mit einer Auslands-„Oscar“-Nominierung bedacht wurde. Der mit Ben Becker glänzend besetzte Fernsehfilm „Ein ganz gewöhnlicher Jude“ lief 2005 auch in den Kinos. Zu einem Total-Flop avancierte Hirschbiegels erster Hollywood-Ausflug 2007: Die wiederholte Adaption des gesellschaftspolitischen Horrorstoffes „Die Körperfresser kommen“ ging unter dem Titel „Invasion“ – mit Nicole Kidman in der Hauptrolle – völlig unter. Sein jüngster Kinofilm ist eine britisch-irische TV-Co-Produktion, die im Januar 2009 auf dem renommierten amerikanischen „Sundance Festival“ uraufgeführt und mit Preisen für Drehbuch und Regie ausgezeichnet wurde. Im Vorjahr wurde sie hierzulande beim „Filmfest München“ entdeckt. „Five Minutes of Heaven“ besitzt ein universelles Thema: Gewalt und ihre lebenslangen Dauerfolgen.

Das Drehbuch stammt von GUY HIBBERT, der fiktionale wie authentische Motive verbindet: „Truth and Reconciliation“, also Wahrheit und Aussöhnung, lautet heute ein britisches TV-Programm-Angebot. Für zwei Männer, die in einem abgelegenen irischen Schloss „zusammengeführt“ werden sollen. Schuld und Sühne prallen „körperintensiv“ aufeinander. In Gestalt von Joe Griffin und Alistair Little. 33 Jahre ist es her, daß sie sich das letzte Mal gesehen haben. In Lurgan, einer Kleinstadt in Nordirland. Wo 1975 der Bürgerkrieg tobt. Die IRA gegen die Briten; Katholiken gegen Protestanten. Eine ständige Pulverfaßatmosphäre. Der 16jährige Alistair tötet „auftragsgemäß“ den jungen Katholiken James Griffin. Gewalt als Zeichen, Vernunft spielt keine Rolle. Als Alistair James mit gezielten drei Kopfschüssen tötet, schaut sein 11jähriger Bruder Joe zu. Alistair wird gefasst, verbringt 12 Jahre im Gefängnis. 33 Jahre später ist der Friedensprozess in Nordirland in vollem Gange, sind aber die Beteiligten „weiterhin“ schwer traumatisiert. Und sollen sich in einer TV-Show endlich „austauschen“, „versöhnen“. Was niemand ahnt, Joe will Rache. Für seinen ermordeten Bruder. Will seine „fünf himmlische Minuten“ endlich erleben. Plant Alistairs Ermordung. Aber dann entwickelt sich alles ganz anders. Ist Versöhnung überhaupt möglich?

Ein aufwühlender Film. Ein packender Menschen-Thriller. Ein verbaler Horrorfilm. Was Gewalt mit Menschen lebenslang „anstellt“, „anrichtet“, ist das Grundmotiv. Behutsam, zerstörend, aufwühlend. Nachvollziehbar. Jederzeit. Mit klugen, spannenden „Gedanken-Aktionen“. Die unter die Haut gehen. Weil die Darsteller so INTENSIV spielen. In einer unglaublich aufregenden körpersprachlichen „Dauerbewegung“. Fiebrig. Nervös. Kaputt. Hoffend. Bangend. Wütend. Deprimierend. Als zerfressende An-Spannung, die permanent präsent ist. Permanent. Eine sensible, dichte Wut-Trauer-Performance. Mit viel dichtem Suspense-Gefühl und Suspense-Geschmack.

Oliver Hirschbiegel seziert präzise die schauerlichen Folgen von Hass und Gewalt. Über zwei erstklassige Duellanten: Der aus Nordirland stammende LIAM NEESON („Schindlers Liste“; zuletzt „96 Hours“) ist als geläuterter Täter ein gebrochener Mensch auf Endlich-Versöhnungssuche. Sein nordirischer Darsteller-Kollege JAMES NESBITT (bekannt aus „Bloody Sunday“ von Paul Greengrass, dem Berlinale-Siegerfilm von 2002) als vermeintlicher Rache-Engel Joe besticht in dessen Dauer-Nervosität, Dauer-Unruhe, in dessen Seelen-Zerstörung. Eine beeindruckende darstellerische Intensität, fast einem psychologischen Leone-Kammerspiel-Western gleichkommend. Selten so gebangt, eine hochkarätige Independent-Entdeckung: „Five Minutes of Heaven“ wirkt länger nach als viele, viele andere Streifen in diesen Wochen. Liam Neeson dazu: „Diese Geschichte kann auf jeden Krisenherd der Welt bezogen werden, sie besitzt Allgemeingültigkeit“. Wie leider wahr (= 4 PÖNIs).

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