WIE ist das, das ERLEBNIS, einen Film zu sehen? Für mich: Wenn er mich packt, bin ich tief drin. Und quasi „weg“. Von allem rationalem. „Wache“ nach dem Abspann irritiert und begeistert (= auch gerne umgekehrt) auf, wie aus einer „anderen Welt“. In die tief einzutauchen für bis zu zwei Stunden und manchmal auch mehr ein Höchst- Vergnügen war. Um solch ein „Tiefgang-Movie“ handelt es sich bei diesem brillanten neuen amerikanischen Film, dessen Welturaufführung im Januar 2015 auf dem renommierten „Sundance Festival“ stattfand, der dort sehr viel Lob erhielt, an dem aber hierzulande das Kino kein Auswertungs-Interesse hatte, so dass seine „deutsche Erstaufführung“ gleich für das Heimkino bestimmt wurde: „THE END OF THE TOUR“ von James Ponsoldt (USA 2014; B + Co-Produzent: Donald Margulies; nach dem Buch „Although Of Course You End Up Becoming Yourself“ von David Lipsky/2010; K: Jakob Ihre; M: Danny Elfman; 108 Minuten; Heimkino-Veröffentlichung: 17.03.2016). DAVID FOSTER WALLACE. Geboren am 21. Februar 1962 in Ithaca, New York; gestorben am 12. September 2008 in Claremont, Kalifornien. Bekannt wurde er durch seinen 1996 veröffentlichten Roman „Infinite Jest“, der 2009 – ein Jahr nach seinem Selbstmord – bei uns unter dem Titel „Unendlicher Spaß“ herauskam. Das Magazin „Time“ wählte das Werk zu einem der „wichtigsten englischsprachigen Romane“. David Ulin, Literaturkritiker der „Los Angeles Times“, bezeichnete David Foster Wallace in einem Artikel nach dessen Suizid als „einen der einflussreichsten und innovativsten Schriftsteller der letzten 20 Jahre“. Andreas Borcholte nannte in einem „Spiegel“-Nachruf seine Romane, Erzählungen und Essays „das intellektuell und künstlerisch Verwegenste, was die moderne amerikanische Literatur in den vergangenen Jahren hervorgebracht habe“. DAVID LIPSKY, Jahrgang 1965. Amerikanischer Autor. Redakteur beim „Rolling Stone Magazine“. 1996 nahm David Foster Wallace den 30-jährigen Reporter des „Rolling Stone“ mit zur letzten US-Lese-Reise anlässlich seines über 1000seitigen starken Roman-Monsters „Infinite Jest“: der bitteren Satire über das moderne Amerika und zugleich die gnadenlose Aufarbeitung seiner Depression, die ihn schließlich zwei Jahre später in den Selbstmord treiben sollte. Der Artikel von David Lipsky wurde zwar nie veröffentlicht, dafür aber schrieb der Journalist zwei Jahre nach dem freiwilligen Tod des Schriftstellers das Buch „Although Of Course You End Up BecomingYourself“, ein Porträt des kranken Schriftstellers, basierend auf seinen Aufzeichnungen bei dieser fünftägigen gemeinsamen Reise. Dieses Buch diente dem renommierten 36-jährigen US-Independent-Regisseur JAMES PONSOLDT („Smashed“/2012; „The Spectacular Now“/2013) als Vorlage für diesen Film. Nach einem Drehbuch des für sein Bühnenstück „Dinner with Friends“ im Jahr 2000 mit dem „Pulitzer“-Preis ausgezeichneten Dramatikers und Autoren DONALD MARGULIES, der hier zugleich auch als Co-Produzent mitwirkte. Zwei Männer. Profil: Zwei Super-Nerds. Der Eine hat einen sehr erfolgreichen Roman geschrieben und gilt als „total angesagt“, David Foster Wallace (JASON SEGEL); der Zweite ist ein forscher Reporter mit großer Neugier auf d e n Denker und Schreiber der literarischen US-Gegenwart, David Lipsky (JESSE EISENBERG). Wallace befindet sich auf dem letzten Reisestück, durch den verschneiten Mittleren Westen der USA, Lipsky ist immer mit dem Aufnahmegerät dabei. Man quatscht sich aus. Über Gott und die Welt. Über Onanieren ebenso („Masturbieren ist eine erfreuliche Art, ein paar Minuten zu verbringen“); die Motivation, Bücher zu schreiben („Das ist ein bisschen wie Kinder groß zu ziehen: Du musst behutsam sein“); um sich quer durch die amerikanischen Populärkultur durch zu quatschen, von Scooby-Doo über aktuelle Kinofilme („Stirb langsam“ ist Favorit) und den bodenständigen Sex-Appeal von Alanis Morissette bis zu Nabokov; bis zum Gefühls-Streit um eine Wallace-Freundin, der Lipsky vermeintlich „zu nahe“ gerückt ist. Ein Tsunami von Eindrücken prasselt auf den Betrachter nieder, mit faszinierender Gedanken- und Emotionsfülle, immer pendelnd zwischen: zwei Seelenverwandte tauschen sich „brüderlich“ aus, und ein „foppender“ Journalist möchte zu gerne sein „großes Ding“ verfassen. Riecht sogar an den Medikamenten im Badezimmer des Hausherrn. Worte, Sätze, Betrachtungen, der verbale Dauer-Austausch als Western-Duell, mit listigen, cleveren, klugen, banalen, zweideutigen Schlagabtausch-Worten als Kugeln. Bei enormer Emotions-Spucke. Und was ist mit den Alkoholiker-Gerüchten? Und der vermeintlicher Drogen-Sucht? Und diesem ganzen Depressions-Scheiß? Lipskys „Rolling Stone“-Boss besteht auf Fakten, Fakten, Fakten. Dabei reiben sich das kopftuchverkleidete Genie und der recherchierende Lebens-Schnüffler sowieso schon mächtig wie ausdauernd. Bestreiten einen spannenden Mund-Boxkampf. Hauen sich Argumente vom Feinsten an die Köpfe. Auf der häuslichen Sitzgarnitur wie in Coffee-Shops, an Tankstellen, in Schnellrestaurants. Um beiläufig die geeigneten „Kampf“-Positionen zu finden: Der Riese Wallace ist mal angestachelt, mal beleidigt, mal verwundet, mal in blendender Austeilform. Ein King, der seinen Gefühlsschalter ständig bewegt. Während Lipsky hin- und hergerissen ist bei dem Bemühen, diesem Gefühlspendel zu folgen. Ausgerechnet JASON SEGEL, der Comedian aus „Die Muppets“ (2011) oder zuletzt „Sex Tape“ (unappetitlich: 2014; nominiert für die „Goldene Himbeere“, gemeinsam mit Cameron Diaz), ausgerechnet DER als David Foster Wallace? Klar doch: Was für ein kühner, cooler, was für ein phantastischer Coup! Der 34-jährige Jason Segel als intellektueller Dauer-Grübler und Hunde-Fan spielt nicht nur, er i s t diese personelle Delikatesse von spitzfindigem Argumentierer, brillantem Empfinder, tieftraurigem Clown. Eine grandiose, sensationelle, wuchtig-schön nachhallende Performance! JESSE EISENBERG, 31, unterstreicht – nach „seinem“ Mark Zuckerberg in „The Social Network“/2010 und vielen weiteren exzellenten Auftritten, zuletzt als dämonischer Schurke in „Batman v Superman: Dawn of Justice“ -, warum er seit geraumer Zeit zu den angesagtesten amerikanischen Schauspielern zählt. Als David Lipsky verinnerlicht er den Will-Auch-Klug-Auftreten-und-Klug-Sein-Ausfrager David Lipsky mit und in formidabler Neurotiker-Körpersprache. Als mal die Masken auf beiden Seiten für einen kurzen Moment fallen und die Show auf „gewöhnlich“ umgeschaltet wird, wirkt er phänomenal bedröppelt. Erstaunlich erstaunt. Primadonnahaft verunsichert. Jesse Eisenberg ist ein Mime, an dem man sich immer „satt“ reiben kann. Dicht dranbleibt. Höchst unterhaltsam dranbleiben kann. Sein pointiertes Duell mit dem überragenden Jason Segel bestreitet er auf kitzliger Augenhöhe. Was für ein großer, großartiger Lust-Film. Lust auf Sprache, Zuhören, Mitdenken; das ganze Programm von genialem Empfinden. Selten so viel Vergnügen an Figuren & Kopf-Spaß erlebt. Leider bietet die Blu-ray nicht das im Menü annoncierte Feature an, sondern präsentiert nur „entfallende Szenen“. Hier wäre Nachholbedarf angebracht, denn über diese Produktion ist es wert, mehr und näheres über „Hinter den Kulissen“ zu erfahren. Im Kino hätte „THE END OF THE TOUR“ 5 PÖNIs bekommen!!!!! Anbieter: „Sony Pictures Home Entertainment“ |
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