PÖNIs: (4,5/5)
„EIN GANZ GEWÖHNLICHER HELD“ von und mit Emilio Estevez (B + R + HD; USA 2017; K: Juan Miguel Azpiroz; M: Tyler Bates, Joanne Higginbottom; 119 Minuten; deutscher Kino-Start: 24.07.2019); er stammt aus einer prominenten Künstler-Familie, macht(e) davon aber nicht viel Aufhebens: EMILIO ESTEVEZ, geboren am 12. Mai 1962 in New York, ist ein Sohn von Martin Sheen („Apokalypse Now“) alias Ramón Antonio Gerardo Estevez und der Bruder von „Tausendsassa“ Charlie Sheen (TV: „Two and a Half Men“), der als Carlos Irwin Estevez auf die Welt kam. Emilio behielt von Anfang an seinen richtigen Namen. Und hatte als Schauspieler in Jugendjahren in „The Breakfast Club – Der Frühstücksclub“ und „St. Elmo`s Fire – Die Leidenschaft brennt tief“/beide 1985 großen Erfolg. In den 90er Jahren spielte er in Streifen wie 3 x „Mighty Ducks“ mit. Seit 1986, Debüt: „Wisdom – Dynamit und kühles Blut“, dreht er eigene Filme. Mit dem Film „Bobby“, über die Nacht, in der der Demokrat Robert „Bob“ Kennedy erschossen wurde, fand Emilio Estevez 2007 sehr viel Zuspruch und Anerkennung (s. Kino-KRITIK). Und auch sein sechster eigener Film, als Drehbuch-Autor und Regisseur, besitzt eine außerordentliche Spannungs-Qualität und immenses politisches Einfühlungsvermögen. Obwohl bereits vor zwei Jahren gedreht, ist er brandaktuell in Sachen: THE SHIT AMERICAN DREAM.
Wenn wir heutzutage auf neue US-Kinofilme blicken, geht es meistens um pures Entertainment. Mit Superhelden, extremem Krach, circensischen Tricks. Selten gab und gibt es in einem US-Streifen kritische Verweise auf tatsächliche Lebensverhältnisse von US-Bürgern jenseits des Mainstreams. Hier sind Underdogs das Personal. Wir befinden uns im eiskalten Cincinnati. Die Temperaturen sind – vor allem nachts – weit unter null. Unser Augenmerk gilt einer öffentlichen Bibliothek. Wo sich tagsüber, geduldet vom Bibliotheksmitarbeiter Stuart Goodson (EMILIO ESTEVEZ) und der Kollegenschaft, Obdachlose aufhalten können. Sie waschen sich in den Toiletten und bewegen sich ansonsten mehr oder weniger „normal“ wie andere Besucher auch. Einige sind im Internet unterwegs, andere lesen gerne. Irgendwann sind die Außentemperaturen über-lebensgefährlich, so dass eine Gruppe von Obdachlosen beschließt, die kommende Nacht nicht „draußen“ zu verbringen, wo es keine freien Plätze in den (zu) wenigen amtlichen Unterkünften gibt, sondern „drin“ zu übernachten. Was Stuart, nach einigem Zögern, unterstützt. Anders als seine Kollegin Myra (JENA MALONE), die „damit“ eigentlich nichts zu tun haben will. Ein Polizeiaufgebot rückt an. Mit dem erfahrenen Verhandlungsführer Bill Ramstead (ALEC BALDWIN), den allerdings private Sorgen umtreiben, denn sein halbwüchsiger drogenanfälliger Sohn hat sich mit der Kreditkarte der Mutter aus dem Staub gemacht. Zudem taucht ein ehrgeiziger Staatsanwalt auf, Josh Davis (CHRISTIAN SLATER), der demnächst Bürgermeister werden möchte und „hier“ eine Chance sieht, seinen demokratischen Kontrahenten in Sachen „praktische Handhabung“ und Medienunterstützung „öffentlich“ einzuholen. Fake News: Er deklariert diesen „barbarischen Akt der Besetzung“ als „terroristisches Vorkommnis“. Für Davis sind diese Menschen Müll, die auch so behandelt werden sollten. Von wegen – DA rein stürmen, DIE raus-befördern und basta. Problem gelöst. Natürlich mit Gewalt. Na und? Natürlich entwickelt sich alles ganz anders.
Die öffentliche Bibliothek. Wo auch immer. Ist von unschätzbarem Wert. Als unverzichtbares soziales Zentrum. Als Ort des Lernens. Der Begegnung(en). Der Bildung. Als Bastion der Demokratie. Die Reise zum Kinofilm „The Public“, so der Originaltitel, begann vor zwölf Jahren. Das Drehbuch ist inspiriert von einem Eassy, „Written Off“ von Chip Ward, dem inzwischen pensionierten stellvertretenden Direktor der „Salt Lake City Public Library“. Auszüge aus dem Essay wurden in der „Los Angeles Times“ veröffentlicht: „What they didn’t teach us in library school: The public library as an asylum for the homeless“. Als Emilio Estevez darauf stieß, hatte er das Thema für einen nächsten Film gefunden.
Ein Film, der spannend unterhält und dabei polemisiert. Von wegen – die Würde des Menschen. Da darf schon mal unterschieden werden. Einige „haben“ sie, viele offensichtlich nicht. Oder nur bedingt. Ebenso: die Gleichheit. George Orwell („Die Farm der Tiere“) hätte seine Freude an diesem Film. Über eine amerikanische Gesellschaft, deren Zivilisation und Anständigkeit und Mitmenschlichkeit auf dem Prüfstand steht. Weshalb ziviler Ungehorsam geradezu „notwendig“ ist. Wird.
Ein hervorragend ernsthafter neuer amerikanischer Kinofilm ist zu annoncieren (= 4 1/2 PÖNIs).