EDDIE CONSTANTINE zum 75. Geburtstag am 29.10.1992 (“Rundschau am Morgen“):
Es ist heute schwer zu vermitteln, welche Bedeutung Eddie Constantine und seine Filme vor allem in den 50er Jahren hatten. Wenn der Dorf-Pfarrer sich wieder einmal die Sittenlosigkeit der modernen Medien und hier insbesondere die des Kinos vornahm, dann sprach er nicht über Sex-Filme und das Fernsehen. Die gab es damals noch nicht. Er sprach über “Eddie“ und seine saufende und raufende Leinwand-Figur Lemmy Caution. Und er sprach sicherlich über dessen verdorbene “Weiber“. Die waren damals so schön und für den Herrn Pfarrer auch so “unmoralisch“, dass hier der Satan seine teuflische Zelluloid-Hand mit im Spiel haben musste. Wogegen der saubere Kirchenmann damals wetterte, wird heute bestenfalls gutmütig belächelt.
Eddie Constantine: Er war der James Bond der Nachkriegs-Generation. Er war bis in die 60er Jahre hinein der höchstbezahlte Schauspieler Europas. Sein Leinwand-Detektiv Lemmy Caution, nach einer Figur des englischen Kriminalautoren Peter Cheyney entstanden, war die populärste Kinofigur des Nierentisch-Zeitalters. Der Macho im Pepita-Hut lockte damals bereits in der Start-Woche eines neuen Films bis zu einer halben Million Menschen in die Kinos. “Eddie“, das war der erste erlaubte Hauch von Sünde, der nach dem Krieg in die deutschen Provinz-Kinos wehte. Doch bis dorthin war bereits ein weiter Lebensweg zurückgelegt: Edward Constantine kommt am 29. Oktober 1917 in Los Angeles als Sohn eines eingewanderten Russen und einer gebürtigen Polin auf die Welt.
Die Eltern waren arm, das Verhältnis zum aggressiven Vater furchtbar, die Kindheit, nach eigenen Angaben, “traurig“. Vom Vater in eine Sänger-Ausbildung geprügelt, studiert er zwischen 1933 und ’36 am Konservatorium in Wien. Weil Eddie aber lieber Sinatrata statt Puccini sang, landete er schließlich in einem New Yorker Chor für Radio-Werbung. Und zeitweise auch in der Kommunistischen Partei. Nach dem Krieg zieht er mit seiner tschechischen Frau, einer Tänzerin, nach Europa und schlägt sich in Pariser Nachtclubs durch. Edith Piaf entdeckt ihn dort und fördert ihn. Dann sieht ihn ein französischer Regisseur und engagiert ihn für einen Lemmy Caution-Krimi. Begründung: ‘“Der hat so ein schönes Galgenvogelgesicht“. Das erste Honorar beträgt 5000 Franc. Der Rest ist Legende.
Das Publikum ist von diesem pockennarbigen Pokerface und seinem zynischen Grinsen hingerissen. Besonders bei Frauen kommt der schlanke Typ glänzend an. Sein Marktwert steigt mit jedem neuen Film. Es sind billig und schnell heruntergekurbelte B-Krimis, in denen “Eddie“ saufen, verführen und Kinnhaken verteilen muss. Immer die gleiche Masche. Und die deutschen Titel dieser Filmchen sind von derselben Naivität und Schlichtheit: “Küsse, Kugeln und Kanaillen“, “Rote Lippen, blaue Bohnen“ oder “Eddie krault nur kesse Katzen“. Eddie Constantine macht viel Geld, gibt es aus, verliert es, kippt ab. James Bond wird sein Leinwand-Nachfolger. 1965 inszeniert Jean-Luc Godard mit “Lemmy Caution gegen Alpha 60“ eine kunstvolle Hommage an einen beliebten Ex-Helden. Danach taucht Eddie Constantine in Paris ab. Wird geschieden, verheddert sich in zwei weiteren, kurzen Ehen. Anfang der 70er Jahre holt ihn Rainer Werner Fassbinder aus der Versenkung zurück. Eddie Constantine wird Star bei den deutschen Jung-Filmern. Er heiratet 1979 zum 4.mal, wird 1981, mit 63, nochmal Vater. Heute lebt er in Wiesbaden und träumt von Paris.
Eddie Constantine, das Kino-Idol aus den glorreichen 50ern, ist heute 75 geworden.