DRIVE

PÖNIs: (4/5)

„DRIVE“ von Nicolas Winding Refn (USA 2010; B: Hossein Amini; nach dem gleichn. Roman von James Sallis/2005; K: Newton Thomas Sigel; M: Cliff Martinez; 101 Minuten; deutscher Kino-Start: 26.01.2012); der am 29.September 1970 in Kopenhagen geborene Filmemacher wuchs ab dem 8. Lebensjahr in den USA auf und fand mit harten Genre-Streifen wie „Pusher“ (1996/dänische Fortsetzungen entstanden 2004 + 2005), „Bronson“ (2008), einem ultrabrutalen Porträt über einen gefährlichen britischen Gefängnisdauergast (= kam bei uns gleich auf DVD heraus) und dem Wikinger-Epos „Walhalla Rising“ (2009/mit Mads Mikkelsen) internationale cineastische Beachtung. Sein 7. Spielfilm „Drive“ wurde im letzten Frühjahr im Wettbewerb vom Cannes-Festival uraufgeführt und mit dem „Preis für die beste Regie“ ausgezeichnet. Das Drehbuch stammt vom renommierten, iranisch-stämmigen britischen Drehbuch-Autoren HOSSEIN AMINI („Herzen in Aufruhr“; „Wings of the Dove – Die Flügel der Taube“/1997/“Oscar“-Nominierung; zuletzt die Drehbücher zu „Killshot“ und „Shanghai“), der den gleichnamigen, 2005 herausgekommenen und bei uns zwei Jahre später unter dem Titel „Driver“ erschienenen Thriller von JAMES SALLIS adaptierte, der 2008 mit dem „Deutschen Krimi-Preis“ bedacht wurde.

„DRIVE“ ist cooles, faszinierendes Spannungs-KINO. Als deftiges Unterhaltungsbonbon. Der sich stark an zum Beispiel Klassikern wie „Driver“ von Walter Hill aus dem Jahr 1977 anlehnt. Wo Ryan O’Neal als Titelheld ohne Namen auftritt und den ganzen Kriminalfilm über nur 350 Worte spricht. Der an die einsamen Helden des französischen Meisterregisseurs Jean-Pierre Melville erinnert, die – wie Alain Delon in/als „Der eiskalte Engel“ (1967) – nur in ihrem ganz eigenen stilisierten Kosmos existieren und handeln. So eine „kultische“ namenlose Heldenfigur mimt RYAN GOSLING hier auch. Der 31-jährige kanadische Schauspieler hat in jüngster Zeit mit exzellenten „Vorstellungen“ in Filmen wie „Blue Valentine“, „Crazy, Stupid, Love“ und jüngst in dem George Clooney-Politwerk „The Ides of March – Tage des Verrats“ stark auf sich aufmerksam gemacht.

Gosling ist der namenlose Fahrer. Tagsüber „brav“ als Stuntman für Filmproduktionen und als Mechaniker bei einer Autowerkstatt tätig, nachts schon mal als Fluchtwagenlenker fürs „Milieu“. Mit festen Regeln: Mehr als ein 5 Minuten-Zeitfenster gibt es nicht, dann ist er weg. Kommen seine „Mitreisenden“, Diebe, Räuber, in dieser Zeit „zu Potte“, garantiert er die sichere Flucht. Durch die vollen Straßen von Los Angeles. Keine Fragen, keine Antworten. Schon gar keine Namen. Nur dieses Arrangement. Das war’s. Für den wortkargen Einzelgänger. Der dann wieder in seine Anonymität verschwindet. Und sich plötzlich „in der emotionalen Klemme“ sieht. Wegen der sympathischen Nachbarin Irene (CAREY MULLIGAN/die Michael Douglas-Tochter aus „Wall Street 2: Geld schläft nicht“/2010) und ihrem kleinen Sohn. Man kommt sich näher, ohne sich zu berühren. Im Gegenteil: Als deren Ehemann Standard (OSCAR ISAAC) vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen wird, will „Driver“ ihm helfen. Damit DER künftig „bürgerlich“ mit seiner Familie (über-)leben kann. Dieses „Helfen“ aber läuft völlig schief. Aus dem Ruder. Und setzt eklige Unterwelt“herrschaften“ in Bewegung. Die kennen überhaupt kein Pardon, sondern nur ihre eigenen üblen Vorteilsregeln. Der „Driver“, dieser eigentlich unverwundbare Großstadtwolf, hat sich aus seiner Deckung und Tarnung begeben und muss sich jetzt stellen. Kriegt sofort diesen „herben“, brutalen Alltag „zu spüren“. Von dem er sich bislang fernhalten konnte. Die ganze gemeine Palette, rauf und runter. Es wird hart. SEHR hart. Also auch blutig.

Männer-Freundschaften, die auf die Probe gestellt werden; romantische Stille-Bewegungen, die mehr aussagen als viele unnütze Akrobatik, und immer dieser ungemein freundliche, aber so unendlich coole Dauerblick eines Ryan Goslings. Das imposante Märchen vom eigentlich „netten“ Gangster. Als eigentlich unverletzbarer cleverer Outlaw. Dem eigentlich nichts passieren kann. Sollte. Der sein Leben/Überleben bis ins Kleinste arrangiert. Hat. Der im Grunde „richtig“ nur im Auto „lebt“. Existiert. Funktioniert. Brilliert. Als Teil dieser fest aufeinander abgestimmten Mechanik. Der sich wie ein Räderwerk bewegt. Und „damit“ zufrieden ist. Sich eingerichtet hat. Aber ALLES, eben wirklich ALLES, ist nicht vorhersehbar. Planbar. Berechenbar. Wie zum Beispiel diese „verdammten“ Emotionen. Als menschliche Überraschungsregungen. Und die daraus resultierenden „Konsequenzen“. Der Fahrer gibt sein Bestes. Das Mädel ist angetan. Doch die böse Gegenseite reagiert eklig.

Solche fetzigen, atmosphärischen und auch musikalisch sehr stimmungsvollen Kühl-Movies, hier mit Synthie-Pop-Klängen der 80er Jahre unterlegt (von z.B. „The Chromatics“/“Tick on the clock“) und mit der einfühlsamen Ballade von Riziero Ortolani und Sängerin Katyna Ranieri („Oh My Love“) abschließend, leben auch von imposanten Nebenfiguren. Mächtigen Aufplusterern, die sich für unantastbar halten. Wie ALBERT BROOKS (als Bernie Rose-Oberschurke) und wie der „auch im Gesicht“ massige „Hellboy“ RON PERLMAN (als bärige Dumpfbacke Nino) diese präsentieren, ist allererste schwarze Sahne. Besitzt viel Tarantino-Ironie-Appeal. Lässt die Emotionen ganz düster dampfen.

Ein erstklassiger Reißer. „Drive“ ist ein großartiger Thriller. Mit viel Kinosog-Potenzial (= 4 PÖNIs).

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