Ein Mann “kauft“ eine Frau. Ein begüterter Münchner Zahnarzt lebt alleine und will sich unter keinen Umständen binden. Will keine Konzessionen eingehen müssen, will frei, aber manchmal wiederum nicht alleine sein. Also lädt er sich ein junges Mädchen ein. Lässt sie im Haus wohnen, gibt ihr Geld, will aber keine Berührung oder gar intime Beziehung. Sie soll nur da sein. Wie ein feines Möbelstück. Diese Geschichte um eine unmögliche Liebe ist das Thema des ersten Spielfilms von Doris Dörrie und entstand 1983. Titel: „Mitten ins Herz“ (D 1983; 91 Minuten; deutscher Kino-Start: 18.11.1983).
Die deutsche Erstaufführung war bei den Hofer Filmtagen im gleichen Jahr. Hof, das war in diesen Jahren ihr zweites Spielfeld. Als ich 1982 das erste Mal nach Hof kam, fiel sie mir sofort auf. Eine resolute, selbstbewusste, laute junge Frau. Die Englisch so flüssig sprach und verstand wie Deutsch und deshalb für die Gäste-Betreuung der Ausländer verantwortlich war. Ihr Ton, ihr Charme, ihr lockerer Witz kamen gut an, und offensichtlich genoss “die Doris“ auch die Sympathien, die ihr von vielen Seiten entgegengebracht wurden. Der Hofer Filmkatalog annoncierte damals kurz und knapp über sie: Jahrgang 1955, Abitur in Hannover, 2 Jahre Studium der Theaterwissenschaften, Schauspiel und Film in den USA, von 1975 bis 78 Studium an der Filmhochschule in München. Danach Dokumentar-, Kurz- und Kinderfilme fürs Fernsehen. Doris Dörrie, auf dem Weg nach oben. Und schon zwei Jahre später war es soweit.
Da lief bei den Hofer Filmtagen von 1985 ein Film von ihr, der vom ZDF für 800.000 Mark produziert wurde und den keiner im Kino haben wollte. „Männer“ (D 1985; 99 Minuten; deutscher Kino-Start: 19.12.1985) hieß der, und was sich dann nach der Premiere im Fränkischen abspielte, ist mittlerweile Kino-Geschichte. Vom Münchner “Filmverlag der Autoren“ zunächst mit 20 Kopien in die Kinos gebracht, wurde “Männer“ zum deutschen Komödien-Triumph der Saison. Von dieser komischen Dreiecksgeschichte in einer Münchner Wohngemeinschaft konnten die Deutschen nicht genug kriegen, und am Ende hatten rund 5 Millionen Zuschauer den Film gesehen. So viele, wie sie sonst nur Blödel-Otto verbuchen kann. Doris Dörrie wurde hofiert. Interviews, Talk-Show-Besuche im Fernsehen, ein “Spiegel“-Titel im November 1986 anlässlich ihres nächsten Films “Paradies“.
Immer wieder musste sie betonen, sie selbst geblieben zu sein, die nette Münchnerin von nebenan, der man nicht die künstlerische Butter vom Filmbrot nehmen könnte und würde. Hollywood wurde sogar ein Thema, da inzwischen auch die Amerikaner auf das deutsche Fräulein- und Kassenwunder aufmerksam wurden. Und tatsächlich, 1987 drehte sie erstmals in Amerika, in New York.
„Ich und er“ (D/USA 1988; 93 Minuten; deutscher Kino-Start: 15.09.1988) hieß der Film um einen sprechenden Penis. Über 5 Millionen Besucher hielten ihr hierzulande die Treue, doch waren erste, geharnischte Kritiken keine Seltenheit. Mit dem im Vorjahr entstandenen deutschen Streifen “Geld“, eine ungewöhnlich schlampig erzählte und inszenierte kleine Komödie um Reihenhaus-Bürger und Mittelstands-Mentalität, endet zunächst der Film-Weg der Doris Dörrie. Augenblicklich ist es still um dieses Multi-Talent. Hoffentlich sammelt sie genügend Kraft und Kreativität, um demnächst mit einem neuen, guten Film wieder aufzutauchen.
Zu wünschen wäre es gerade ihr allemal.