DIE ROTE SCHILDKRÖTE

PÖNIs: (5/5)

„DIE ROTE SCHILDKRÖTE“ von Michael Dudok de Wit (B + R; Fr/Japan/Belgien 2014-2016; Co-Produktion: Isao Takahata; M: Laurent Perez del Mar; 80 Minuten; deutscher Kino-Start: 16.03.2017); jenseits der alltäglichen Animations-Spektakel aus dem tüchtigen Ami-Land gibt es auch ein anderes, herrlich zu bestaunendes, poesievolles, also wunderbares ZEICHEN-Universum. Nämlich dieses-hier, das ohne großen (Werbe-)Lärm daherkommt und als phantastisches Familienfilm-Epos emotional-cool wie melancholisch verzaubert. Der Sog bei dieser internationalen Co-Produktion, bei der auch das legendäre japanische Studio Ghibli („Chihiros Reise ins Zauberland“) beteiligt war, ist enorm. Und die meditative Magie einzigartig!

Es geht um uns. Menschen. Um unseren „überschaubaren“ Aufenthalt und Lebens-Rhythmus auf der Erde. Zwischen Da-Sein und Sich-Verabschieden. Am Anfang ist das Wasser. In diesem „bewegt“ sich ein Mann. Verzweifelt kämpft er gegen die Wellen an. Erreicht schließlich eine menschenleere Insel. Kleine Krabbel-Viecher haben ihn ulkig im Blick. Mehrmals versucht er, sich mit gebauten Flößen zu „trennen“ von diesem Eiland. Doch immer wieder hindert ihn daran eine im Meer schwimmende gewaltige rote Schildkröte. So dass seine Transportmittel aus Holz jedes Mal kaputt gehen. Und er zurück muss. Als eines Tages diese rote Schildkröte auf die Insel kraucht, ist der Mann voller Wut. Dreht sie auf den Rücken, so dass sie stirbt. Als der Mann Mitleid bekommt, ist es bereits zu spät. Doch plötzlich verwandelt sich die Schildkröte in eine Frau mit leuchtend roten Haaren. Man kommt sich näher. Sie bekommen ein Kind, einen Jungen. Eine Kleinfamilie ist entstanden. Man lebt in harmonischer Einheit, bis…

Was folgt, ist bitte zu sehen, nicht vorab zu beschreiben. Ist (monumental-seelisch) zu empfinden. Erlebnisreich zu fühlen. Mit der Handlung und den Bildern verschmelzenden, phänomenal-passenden, sensiblen Musik-Kommentierungen des französischen Soundtrack-Experten LAURENT PEREZ DEL MAR („Zarafa“), der für diesen ersten „handgemachten“ Animationsfilm des in England lebenden holländischen Filmemachers MICHAEL DUDOK DE WIT viele natürliche Klänge und seltene menschliche Laute vereint. Zusammen mit den Geräuschen von Natur (Pflanzen, Meer, Wind) und Tieren ergeben sich stimmungs-diskrete, überwältigende Sinn- und Sinnes-Eindrücke. Über den ewigen Zyklus des Lebens. Über unsere kurze „Anwesenheit“-hier, die wie ein Staubkorn schließlich weggepustet wird. Doch: Das Von-Anfang-bis-Dort-Hin-Sein ergibt, ist auch: ein furioses Abenteuer.

Die Unausweichlichkeit menschlicher Endlichkeit. Der Kreislauf des Lebens. Erzählt in einem bilder-überwältigenden feinen, betörend schönen Epos, der keiner Sprache bedarf, sondern in dieser Fabel-haften faszinierenden und atmosphärischen Illustration ein wunderschönes Filmerlebnis ist. Das man nie mehr vergessen wird.

„Die rote Schildkröte“ von MICHAEL DUDOK DE WIT, der bereits 2001 für seinen Animations-Kurzfilm „Father and Daughter“ einen „Oscar“ zugesprochen bekam, lief im Vorjahr beim Cannes-Festival, erhielt dort einen Sonderpreis in der Reihe „Un certain regard“, wurde auch auf weiteren Festivals viel-gelobt und ausgezeichnet und war in diesem Jahr mit im „Oscar“-Rennen (und unterlag „Zoomania“).

Michael Dudok de Wit, Jahrgang 1953, dessen fein-radikaler Gegenentwurf zu den vielen Computer-Trickfilmen-derzeit eine atemberaubende Wahrnehmung und Erlebniserweiterung darstellt, gehört (mit) die Animationsfilm-Zukunft: „DIE ROTE SCHILDKRÖTE“ ist ein Meisterwerk (= 5 PÖNIs).

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