PÖNIs: (4,5/5)
„DIE ANDERE SEITE DER HOFFNUNG“ von Aki Kaurismäki (B; Prod. + R; Finnl/D 2016; K: Timo Salminen; M: div. finnische Musiker, darunter „Tuomari Nurmio“ sowie die „Marko Haavisto & Poutahaukat“-Band, die auch im Film auftritt; 98 Minuten; deutscher Kino-Start: 30.03.2017); mit „Le Havre“ (s. Kino-KRITIK) begann der finnische Hinter-den-Kulissen-„Charlie Chaplin“ 2011 seine so genannte Werft-Trilogie. Trilogien, so damals der finnische Autoren-Regisseur, seien ihm wichtig, um seine „ständige Faulheit“ zu überwinden. Jetzt liegt der Mittelteil seines neuen filmischen Dreier-Gespanns vor, da verkündet der Fast-60-Jährige (am 4. April 2017 hat er Geburtstag) auf der diesjährigen Berlinale, wo „Toivon tuolla puolen“, so der Originaltitel, im Wettbewerb lief und es für ihn den „Silbernen Regie-Bären“ gab, dass jetzt Schluss sei. Mit dem Filmemachen. Er sei müde. So dass er den Abschluss seiner „kleinen Flüchtlings-Werke“ nicht mehr drehen möchte.
Es wäre ein Jammer. Denn AKI KAURISMÄKI, dieser „ständig“ lakonische Geschichten- und Welt-Erzähler, versteht es wie kaum ein anderer, ebenso tragikomische wie präzise und dabei außerordentlich faszinierende Ironie-Antworten auf die unhaltbaren sozialen wie politischen Zustände der Gegenwart zu vermitteln. Dabei im augenzwinkernden Mittelpunkt: seine Dennoch-Humanität. Inmitten von privatem und gesellschaftlichem Chaos. Innerhalb weniger Augenblicke ist man mitten drin im schlüssigen wie wortkargen finnischen Kaurismäki-Kosmos. Über den es noch zu „Le Havre“ Zeiten hieß: „Niemand ist so verzweifelt, dass er nach Finnland kommen will“ (Kaurismäki bei der Cannes-Präsentation des Films 2011). Diesmal kommt einer. Dorthin. Er ist Syrer, heißt Khaled (SHERWAN HAJI) und ist mit einem Frachter nach Finnland gelangt. Durchläuft das amtliche Programm für Asyl-Suchende und landet schließlich bei Herrn Wikström (SAKARI KUOSMANEN), einem gesetzten, aber keineswegs „ruhigen“ Bürger. Herr Wikström, fliegender Händler für Herrenhemden, hat gerade seine Ehe „beendet“, sein „Business“ aufgegeben und, nach einem erfolgreichen Abend am Spieltisch, ein heruntergekommenes Restaurant erworben: „Zum Goldenen Krug“ (Dialog dazu: „Guter Name. Bekommt man sofort Durst“). Hier treffen beide Welten aufeinander: Die Hilfe-suchende von Khaled, den auch Nazis malträtieren, die gebende von Herrn Wikström und seinem mit viel Buster Keaton-Mimik ausgestattetem skurrilem Personal.
Nur Kaurismäki vermag es so eigenwillig-einzigartig, in und mit solch einem Retro-Laden-Milieu „gemütliche Kälte“ aufzuspüren. Aufkommen zu lassen. Hantiert einerseits aberwitzig komisch, wenn es um eine hier angesagte neue „Fusionsküche“ mit ihren amüsanten „lukullischen Folgen“ geht, hält sich lakonisch in den starren Gesichtern auf, lässt den finnischen Rock ‘n‘ Roll live aufspielen, viele Zigaretten paffen, Wodka fließen, um andererseits jedweder Dauer-Wärme abzuschwören, wenn umgehend der normale hässliche Alltag wieder hereinbricht. In Sachen Fremdenhass, Un-Recht und dieser monotonen Kälte, „draußen“. Vor der Restaurant-Tür. Außerhalb dieses kleinen humanen Miteinander-Zirkels.
Diese unglaubliche Einfachheit. Gedanken und Handlungen pointiert zu bewegen. Verständnis zu erzeugen. Mitmenschlichkeit völlig unangestrengt „als Möglichkeit“ auszudrücken. Diese einzigartige „Chaplin“-Mischung aus politischer Komik und sanfter Melancholie. „DIE ANDERE SEITE DER HOFFNUNG“ von Aki Kaurismäki ist ein höchst köstliches, sehr unterhaltsames Underdog-Movie als vergnüglich-bitterer Appell an „ganz simple“, aber eben mögliche Mitmenschlichkeit – jederzeit wie HEUTE-schon (= 4 1/2 PÖNIs).