PÖNIs: (4,5/5)
„DER NEBELMANN“ von Donato Carrisi (B + R; nach seinem gleichn. Roman/2015; Italien 2017; K: Federico Masiero; M: Vito Lo Re; 97 Minuten; deutsche Heimkino-Veröffentlichung: 27.09.2018); bisher kannte ich ihn nicht, obwohl schon sein Roman-davor, „Der Todesflüsterer“/2009, bereits ein internationaler Krimi-Bestseller war: DONATO CARRISI. Geboren am 25. März 1973 in Rom. Er studierte Rechtswissenschaften, es folgte die Spezialisierung für die Kriminologie und hin zu Verhaltenswissenschaften. Mit 19 Jahren begann Donato Carrisi zunächst als Autor für das komödiantische Theater, bevor er 1999 anfing, Kriminalromane zu schreiben. Debüt-Roman: „Der Souffleur“. Zugleich schrieb er Drehbücher für italienische Filme. Mit der Adaption seines eigenen Romans „La ragazza nella nebbia“ aus dem Jahr 2015, hierzulande soeben als Taschenbuch unter dem deutschen Filmtitel herausgekommen, ist der Schriftsteller nun auch als Autoren-Regisseur ins Filmbusiness eingestiegen. Für „Der Nebelmann“ wurde er zuhause für sein „Bestes Regie-Debüt“ mit dem renommierten italienischen „David di Donatello“-Preis ausgezeichnet. Im italienischen Kino ist „Der Nebelmann“ derzeit der meistgesehene „Non Comedy“-Kinofilm der Saison.
Für einen deutschen Kino-Platz allerdings hat es nicht gereicht: „DER NEBELMANN“ ist kürzlich bei uns gleich im/fürs Heimkino veröffentlicht worden. Dabei handelt es sich um einen Spitzen-Thriller in (aller-)bester Spannungsqualität.
Ein kleiner italienischer Alpenort. Avechot. Sonderermittler Vogel (TONI SERVILLO) ist eingetroffen. Er ist bekannt für seine unkonventionellen Methoden. Soll im Fall eines verschwundenen, möglicherweise entführten 15-jährigen Mädchens ermitteln. Vogel, selbstbewusst bis arrogant, macht das, was er immer macht: lässt die Medien für ihn „arbeiten“. „Füttert“ sie insgeheim wie diskret mit teilweisen Ermittlungsergebnissen und hofft auf diese Weise, den oder die Täter schnell aus der Reserve zu locken. Hält mit einer Medien-Frau („Ich bin auf DER Seite, wo es den meisten Profit gibt“) „besonderen“ Info-Austausch-Kontakt. Eine öffentliche Aufklärungs-Inszenierung ist für Vogel das Größte („Wir brauchen einen Schuldigen. Meines Rufes wegen“). Allerdings umgibt diesen eitlen Ermittler auch ein Makel. Bei seinem letzten Fall „überführte“ er einen Täter, der es aber nicht war. Nach vierjähriger Haft wurde dieser Nicht-Täter endgültig freigesprochen und bekam eine riesige Menge Entschädigungsgeld.
Das Dorf. Eine in sich verminte Gemeinschaft. Die fest zusammenhält und sich über ihre „christliche Bruderschaft“ sektenhaft definiert. Abschottet. Schwer, an „DIE“ heranzukommen. Mit ihnen auf Augenhöhe zu kommunizieren. Zu kontakten. Man gibt sich höflich, aber distanziert.
Ein weiterer inhaltlicher Strang. EINER pult sich nach und nach als Verdächtiger heraus. Ein Lehrer. An der Schule. Fach: Literatur. Vorrangiges Thema: Kriminalistik. „Die dümmste Sünde des Teufels ist die Eitelkeit“, erklärt er im Überzeugungston. Und: „Die meiste Motivation des Bösen ist nicht Lust, sondern: GELD“. Loris Martini (ALESSIO BONI) gerät immer mehr in die Enge. Vogel ist angetan und sicher: Martini ist sein Täter.
Doktor Flores (JEAN RENO). 62 Jahre, seit drei Jahrzehnten hier der regionale Psychiater. Er wird nachts aus dem Bett gescheucht, um an seinen Arbeitsplatz im Krankenhaus zu eilen. Ein Mann sei festgenommen worden, heißt es am Telefon, und er wird dringend benötigt. Als er ankommt, sitzt ihm Sonderermittler Vogel gegenüber auf dem Stuhl. Mit Blutflecken auf seinem Hemd, die nicht von ihm stammen.
Was für ein brillanter Thriller. Nie „zu fassen“, sondern mit immer mehr verblüffenden Enthüllungen, eigenwilligen Figurenbewegungen und ständig neuen wie „unverständlichen“ Fakten aufwartend. Und bis zur letzten Sekunde die volle Aufmerksamkeit fordernd. Bis endlich, von wegen diesem Dauer-Nervenkitzel, die diversen Erzählebenen unfassbar, aber stimmig zusammenfließen. „DER NEBELMANN“ ist ein kluges, raffiniertes Thriller-Puzzle. Mit JEAN RENO („Léon – Der Profi“) als clevere Dottore-Nebenfigur und einem formidablen TONI SERVILLO („La Grande Bellezza – Die große Schönheit“) als von sich überaus eingenommener Ermittler-Solist.
Sergio Leone ist u.a. Vorbild für Donato Carrisi. Erklärt dieser im Bonus-Interview. Und: „Ich erzähle Gruselgeschichten, aber mit der Herangehensweise eines Kindes“. In der Tat: Sein Erstlingsspielfilm besitzt alle positiven Tugenden einer Groß-Spannung und ist zum vollen Staunen überragend geeignet. Also: faszinierend (= 4 1/2 PÖNIs).
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