„DER HERR VOM ANDEREN STERN“ von Heinz Hilpert (D 1948; B: Werner Illing; Max Christian Feiler; nach der Kurzgeschichte „Der Herr vom andern Stern“ von Werner Illing; Produzenten: Heinz Rühmann; Alf Teichs; K: Georg Bruckbauer; M: Werner Egk; 89 Minuten; Schwarz-Weiß; TV-Premiere in der ARD: 16.7.1956; aktueller Heimkino-Start: 16.3.2018); ER war DER deutsche Film-Komödiant des 20. Jahrhunderts: HEINZ RÜHMANN (7. März 1902 – 3. Oktober 1994). Bis kürzlich nahm ich fest an, sämtliche Kinofilme mit und von ihm zu kennen. Musste mich jetzt aber eines Besseren belehren lassen, denn über den Heimkino-Anbieter „Filmjuwelen“ ist es derzeit möglich, quasi einen NEUEN-alten Spielfilm von dem Produzenten und mit dem Star HEINZ RÜHMANN zu entdecken. Dabei entpuppt er sich – wie einst bei Billy Wilder’s „Eins, Zwei, Drei“, der erst nach 25 Jahren endlich in den Lichtspielhäusern der Achtziger Jahre triumphierte – als listige, virtuose Polit-Parabel, mit der die Nachkriegs-Deutschen anlässlich der Kino-Uraufführung am 13. Juli 1948 in der Berliner „Filmbühne Wien“ am Kurfürstendamm nichts anfangen konnten, anfangen wollten. Überfordert waren. Denn „ihr Rühmann“ präsentierte sich hier einmal völlig anders als sie es noch davor beim „Pfeiffer mit drei f“ in der „Feuerzangenbowle“ gewohnt waren. Nämlich hintergründig und bedenklich, in dem er – gemeinsam mit dem Bühnen- und Filmregisseur HEINZ HILPERT (1890 – 1967) – eine soeben doch erst vergangene braune diktatorische Heuchel- und muffige Bürokratie-Gesellschaft satirisch anprangerte. Diese Schalk-Parade „Der Herr vom andern Stern“, wie sie damals betitelt war, bedeutete ja, sich mit diesen „realen Belastungen“ auseinandersetzen zu müssen. „Bei der Berliner Premiere fluchte das Publikum, und mancher Besucher wollte sein Eintrittsgeld zurück“, ist dem 22-seitigen Booklet von Oliver Bayan zu entnehmen, das der DVD beigefügt ist. „Man wollte den gewohnten Rühmann sehen“.
Was war passiert? 1947 gründete Heinz Rühmann, gemeinsam mit dem Produktionschef Alf Teichs (1904-1992), die „Comedia-Film GmbH“. Ziel war es, nicht nur leichte Film-Ware herzustellen, sondern auch anspruchsvolle leichte Kino-Kost. Die Dreharbeiten zu diesem Film begannen in München am 2. Januar und dauerten bis zum 1. April 1948. Der Rest ist bekannt: „Der Herr vom anderen Stern“ floppte. Auch den nächsten Produktionen aus dem Rühmann-Teichs-Filmhaus „Comedia“ war kein Erfolg beschieden. 1953 ging man in Konkurs. Danach lebte Rühmann – mit Unterstützung des Regisseurs Helmut Käutner – auf und feierte sein Comeback mit Erfolgs-Komödien wie „Keine Angst vor großen Tieren“ (1953) und vor allem: „Der Hauptmann von Köpenick“ (1956).
Das Ereignis, „Der Herr vom andern Stern“, der im selben Jahr auch bei den Filmfestspielen von Venedig gezeigt wurde, versickerte im Archiv. Und kommt heute erst zur eigentlichen vollen, bedeutsamen Blüte. Denn: DER FILM IST BRANDAKTUELL. Getarnt als deutscher Science-Fiction-Streifen erzählt er von einem Außerirdischen. Namens Aldebaran. Der saust aus lauter Vergnügungslust durchs All und entdeckt eines Tages die Erde. Wo er auf = eine eklige Bürokratie beziehungsweise elende Bürokraten, militärisches Gesindel, aggressive Kriminelle und opportunistisches Partei-Gesocks sowie auch auf angepasste Medien wie auch auf ein in der Mehrzahl plumpes, angepasstes „deutsches“ Spießer-Volk trifft. Und auf einen politischen Führer, Minister (PETER PASETTI), der ihn bewachen lässt. Man weiß ja nie. Mit wem man es hier wirklich zu tun hat. Doch Aldebaran hat inzwischen ganz anderes im Sinn als Zaubereien oder Aufruhr. Er hat sich, ganz irdisch, verliebt. In die aufgeschlossene Flora (ANNELIESE RÖMER), die ihn bedingungslos „zurück“-liebt. Mit allem haben die Erdlinge gerechnet, aber nicht damit, dass plötzlich Gefühle ins Geschehen mit-eingreifen. „Die Geschichte von Aldebaran ist uralt und wahr, und passiert auch immer wieder“, heißt es im letzten Satz vom Prolog.
Ordnung, Einordnung, Unterordnung, befiehlt der Oberst (ERHARD SIEDEL). Zum Glücks-Fall. George Orwell-Stimmung: der selbstverständliche, akzeptierte Überwachungsstaat. Mit Anleihen an Charles Chaplin („Der große Diktator“), wenn der Herr Besucher eine parteiliche Rede hält mit vielem verbalen Unsinn, der die Massen begeistert. Doch als er – Aldebaran – dann umgehend den verlogenen Unfug seiner Eben-Ansprache für diese neu gegründete Fortschrittspartei (FP) ebenso lauthals entlarvt, schelmisch aufdeckt, schmunzelnd erklärt, von wegen = Kein Staat, keine Partei hat Interesse an Glück und Freiheit des Einzelnen, darum müsse sich schon jeder selbst kümmern =, buhen sie ihn aus. An der Wahrheit ist kaum jemand wirklich interessiert. Während ein General (OTTO WERNICKE) von der „Humanisierung des Krieges“ faselt. Motto: „Die Werte sollen erhalten bleiben, die Menschen müssen weg“. Also die vielen, einfachen, schlichten jedenfalls. So können Kriege (Geschäfts-)Sinn machen und gehobenen (Gesellschafts-)Spaß verbreiten. Die Komik dieses Films ist auch grandios zynisch.
Namhafte Bekannte wie Hilde Hildebrandt, Bruno Hübner, Rudolf Vogel, Bum Krüger, Ernst Fritz Fürbringer oder, kurz, Gert Fröbe tauchen auf. In einem filmischen Gesamtkunstwerk, das es heute unbedingt neu zu entdecken gilt. Denn vieles von dem, was hier „heiter“ angeprangert wird, lässt sich auch auf das Heute süffisant übernehmen. Und dies ist erschreckend – schrecklich – brillant genug.
Der Klassiker „DER HERR VOM ANDEREN STERN“, wie er jetzt deutsch-korrekt tituliert ist, besitzt den klugen Kopf-Charme eines furiosen Heimkino-Meisterstücks (= 5 PÖNIs).
Anbieter: „Filmjuwelen“.