„DEFENDOR“ von Peter Stebbings (B+R; Kanada 2009; 97 Minuten; DVD-Veröffentlichung: 20.05.2010).
Richtig, „DefendOr“ und nicht etwa „Defender“, also „Verteidiger“/“Titelverteidiger“. Aber das hat seinen Namens-Grund: Der Typ, um den es hier geht, nennt sich so. Und wehe, man nennt ihn etwa „Defender“, dann rastet er sofort aus. Im Zivilleben heißt er Arthur Poppington. Ist Baustellenarbeiter. Nachts aber steigt Arthur zum DEFENDOR um. „Losziehen, Verbrecher fangen“, lautet sein Helden-Motto. Allerdings: OHNE WAFFEN. „Waffen sind für Feiglinge“. Ein Typ, ein Narr, möglicherweise ein Irrer?, ruft in dieser amerikanischen Anonyma-Großstadt die Waffenruhe aus. Schlüpft jede Nacht in seine schwarze Strumpfhose, malt sich das Gesicht schwarz an und setzt sich einen schwarzen Helm auf, an dem eine Lampe befestigt ist. Klebt sich mit Isolierband ein großes „D“ auf die T-Shirt-Brust. Nennt sich für die nächsten dunklen Stunden DEFENDOR. Um, dermaßen ausgeputzt, mit Murmeln und Wespen die Feinde zu attackieren. Basta. Sie haben richtig vernommen – um mit z.B. solch unkonventionellen, aber durchaus wirkungsvollen „Geräten“ wie Murmeln und Wespen unaufhörlich gegen Schurken anzutreten. „Die Müllabfuhr ist da, heute kommt die Müllabfuhr“. Dabei geht es ihm vor allem darum, einen „Captain Industry“ zu finden und zur Strecke zu bringen. Denn DER hat angeblich seine Mutter einst getötet. Aber wo ist dieser Captain? Wer kennt ihn? Und: Wo ist der böse Captain zu finden?
Als Defendor der bedrohten Prostituierten Kat (KAT DENNINGS) aus der Patsche hilft und sie näher kennenlernt, kann die ihm, so behauptet sie jedenfalls, weiterhelfen. Denn sie kenne diesen Captain und weiß auch, wo er zu finden ist. Defendor ist elektrisiert. Und macht sich auf den Weg zu seinen nächtlichen Kreuzzügen. Aberwitzig, unbeirrbar, flippig, schaurig, schräg. Muss dabei (sehr) viel einstecken, lässt sich aber „davon“ nicht abbringen. Denn er weiß: „Schwierigkeiten verfolgen mich“, aber „ich bin keine Lachnummer“. Nicht nur die Polizei, sondern auch der örtliche Pate Radowan Kristic, ein übler Drogen- und Mädchenhändler, sowie schließlich auch die Öffentlichkeit werden auf „Defendor“-Arthur aufmerksam. Im Talk-Radio wird er als ein „etwas unkonventioneller Desperado“ respektvoll bezeichnet. Aber was ist das nun für ein Typ, dieser Typ, den die Psychologin im Grunde als „ehrlich“ und „grundanständig“ begutachtet? Ein schlichter Sympath als Einfach-Durchgeknallter? Ein freundlicher Wahnsinniger? Ein Harmlos-Bekloppter? Der keine Schmerzen schmeckt? Oder was für ein Was???
Der kanadische Drehbuch-Autor und Regisseur PETER STEBBINGS, Jahrgang 1971, der jahrelang als Schauspieler (unbekannt) aktiv war, debütiert hier mit einem phantastischen Spielfilm-Erstlingswerk. Das nicht auf einer Comic-Vorlage basiert, sondern selbst von ihm brillant ausgedacht und entwickelt wurde. Sein Arthur ist ein konsequenter Depp. Schlicht, aber klug. Ein Narr mit Esprit. Und mit viel Gerechtigkeitswahnsinn ummantelt. Dabei nie völlig GANZ bescheuert auftretend, sondern „irgendwie auch überkandidelt-prickelnd“. Interessant. Geradezu SPANNEND. Wie rätselhaft. Man weiß nie, was DER im nächsten Moment wieder „Tolles“ anstellt. Oder auch nicht. Aber wenn er sein „ES IST ZEIT FÜR GERECHTIGKEIT“ durchraunzt, beginnt SEIN Spiel, seine Show. Die einfach nicht gestoppt werden kann. Dafür hat Peter Stebbings genau die reizvolle Logik-Balance mit viel tragikomischem Glaubwürdigkeits-Charisma gefunden.
Eben noch hält man die Chose und vor allem diese Type hier für einen Psycho, für völlig überdreht, krank, blöd, um sofort gleich auch zu spüren, dem ist ja gar nicht so. Stebbings hat aus Arthur wie aus Defendor einen faszinierenden Charakter geformt, der bei allem düsteren Spaß durchaus ernst zu nehmen ist und viel doppelbödigen Anarcho-Charme verströmt. Daß dieser unglaubliche Spagat überhaupt SO gelingt und schließlich begeistert, ist dem GIGANTEN von Hauptakteur zu verdanken: Der sowieso schon sagenhafte, tolle, für die „Gestörtenrollen“ in Hollywood geradezu prädestinierte 48jährige Texaner WOODY HARRELSON liefert hier eine Performance ab, die Ihresgleichen sucht. WIE Harrelson, zuletzt der ausgeflippte Mr. Rundfunk in Roland Emmerichs „2012“ oder der traumatisierte Ami-Soldat in „The Messenger“, davor in Filmen wie „Surfer, Dude“ (nur auf DVD), „Wag the Dog“, „Larry Flynt“ und „Natural Born Killers“ brillierend, wie DER mit dieser „realen“ „Batman“-Figur umgeht, ist eindringlich, aufregend, fiebrig, ungeheuerlich stimmig UND stimmungsvoll, erstklassig-krass und überzeugend psycho-ausgelotet. Man traut bisweilen seinen Augen und Ohren nicht, so volltreffend, so atmosphärisch, so „nahe“ trifft Woody Harrelson Stoff-Sinn und Spaß-Rabauken. Und mit einem solchen darstellerischen Kraftpaket und Alphatier kann einfach nichts schiefgehen, wird „Defendor“ zu einem filmischen Großerlebnis.
In der Mixtur Rock `n`Roll-Comic, Superhelden-Parodie, Psycho-Thriller, Tragik-Komödie-schräg, Drama. Marke: Wenn ein 1 a-origineller Menschen-Witzbold über sein privates Kuckucksnest fliegt. „Hier gibt es kein Richtig oder Falsch“, gibt die Psychologin abschließend den Rat für den letzten Fight von Defendor. Mit „seinem“ Captain-Untier. Wauuuh, oder:
Im Kino hätte ich diesem starken Neon-Stück von Fantasy-Krimi-Blues 5 PÖNIs gegeben.
Anbieter: „Sony Pictures Home Entertainment“.