THE COUNSELOR

THE COUNSELOR“ von Ridley Scott (USA/GB 2012; B: Cormac McCarthy; K: Dariusz Wolski; M: Daniel Pemberton; 117 Minuten; Start D: 28.11.2013); DAS prädikatisiert jeden Film: Der große RIDLEY SCOTT, 75, “Alien”, “Blade Runner”, “Thelma & Louise”, “Gladiator”, “Ein gutes Jahr”, “Robin Hood”, und der renommierteste Schriftsteller der amerikanischen Gegenwartsliteratur, der Pulitzer- und National Book Award-Preisträger CORMAC McCARTHY, am 20. Juli dieses Jahres 80 geworden, in einem Filmboot. Über McCarthy, dessen Romane „All die schönen Pferde“, „No Country For Old Men“ und „The Road“ verfilmt wurden, hieß es in einem ausführlichen Geburtstags-Porträt von Christopher Schmidt in der “Süddeutschen Zeitung” am Wochenende 20./21. Juli 2013 unter der Überschrift „Der apokalyptische Reiter“: „Die Natur hält er für zutiefst a-human, und der Mensch ist Teil dieser Natur, ihr schlechtester Teil“. Im Vorjahr wurde, als E-Book, unter dem Filmtitel die Originalausgabe seines Drehbuchs zu diesem Film veröffentlicht; soeben ist es hierzulande als Taschenbuch auf Deutsch bei Rowohlt herausgebracht worden. Titel: „Der Anwalt“. Untertitel: „DIE GIER WIRD GEWALTIG ÜBERSCHÄTZT. ABER DIE ANGST NICHT“.

Der Alptraum-Thriller beginnt mit diesem Satz: „Are You Awake?“ „Bist Du wach?“ ER wird von ALLEN nur „The Counselor“ genannt. Der Anwalt. Ihm geht es blendend, und er hat mit Laura (PENÉLOPE CRUZ) eine attraktive Verlobte an seiner Seite. Alles paletti? Eben NICHT. Man = Mann will MEHR. VIEL mehr. Bisher verkaufte er profitabel professionelle Ratschläge, an seine Mandanten, jetzt holt er welche ein. Für sich. Um einem noch luxuriöserem Leben zu frönen. Bald. In seiner vielversprechenden Zukunft. Dazu bedarf es aber auch einer Zoker-Mentalität. Alles auf EINS. Auf einen RICHTIGEN Deal. Stichwort: Drogenhandel. Dieser sei zwar riskant, aber „überschaubar“. Und auf einen extrem hohen Gewinn ausgerichtet. Aber – läuft was schief, geht es RICHTIG ans Eingemachte. Also Counselor? Der Geld-Sabber ist enorm. Bei allen und nun auch insbesondere beim sich gierig beteiligenden Schlaumeier. Natürlich läuft das DING völlig aus dem Organisationsruder. Ab jetzt fallen dann Sätze wie „Die Enthauptungen und Verstümmelungen? Das ist bloß Geschäft!“

Ein existenzialistischer Thriller. Als mentale Clever-Show. Mit spannendem Philosophie-Geschmack. Abseits der Routine, dass Gangster (fast) immer debil, blöd und unartig-dämlich sein müssen. Im Film. Ganz im Gegenteil. Hier. Denn was DIE hier WIE sagen, ist stets ironisch-doppelbödig, zweideutig-süffisant, abstrakt-schmutzig. Abgesehen von der Außensicht, wo Dandy-gleiche Soziopathen (JAVIER BARDEM als brillanter mondäner Mittelchef-Quatschkopf namens Reiner) in irren Luxus-Hütten Lebens-Werte erklären. Aber worum geht es hier wirklich? Um Parallel-Gesellschaften. Abseits von UNS. Für uns sind wichtig: Bausparvertrag, Sicherheit, Schutz durch staatliche Organe, Institutionen. Nettes Einkommen. In der üblichen Höhe. Krankenversicherung. Lebensversicherung(en). Wir sind auf Ruhe, Rücksicht, Vorsicht gepolt. Risiken sind weder geplant noch werden sie gerne eingegangen. Angst als kultureller Dauerzustand. „Anders“- Handeln ist nicht unser Ding. Es könnte ja gefährlich werden. Bedrohlich. Nein, DAS wollen wir nicht. Entspannter Schlaf ist besser. Von den ANDEREN handelt dieser Wahnsinnsstoff. Von denen, die „aktiv“ sind. Und dabei keineswegs doof. Vielleicht ein bisschen absurd. In ihrem Auftreten. Und schräg. In ihrem Gehabe. Faseln gerne was über eine zweite Real-Welt, in der sie sich längst eingerichtet haben („Cowboy“ BRAD PITT). Wie sie glauben. Der Counselor ist ein Narr. Ein intelligenter Vollidiot in Nadelstreifen. Hat mehr als genug und will noch mehr. Klunker für „seine Süße“ (attraktiv: PENÉLOPE CRUZ). Überschätzt sich dabei resolut. So dass aus vermeintlicher Scheiße tatsächliche brutale und blutige wird. Zwangsläufig werden muss. Davon war doch von Anfang an bereits die Rede. Es war ein faires Angebot: Ja oder Nein. Du hattest die Chance, auch abzulehnen. Hast du nicht gemacht, jetzt bist du voll im Arsch. Aber – halt nicht nur du. Es rollen buchstäblich Köpfe. An vielen Orten. Wie eingangs als Möglichkeit ruhig beschrieben.

Erst die vielen Worte. Die gewählte, aufgeplusterte Sprache. Intellektuelles Erklären. Hoch amüsant. Fesselnd. Über Gott, Existenz und die gemeine Welt. Dann das vergeigte Spiel. Schließlich – die Aufräumung. Sicherlich wird bald schon das nächste Drogenspiel angepfiffen. Auf einem dann wieder sauber geräumten Spielfeld. Ich gebe zu, nicht immer durchgedrungen zu sein. Zu der „richtigen“ Handlung, zu den listigen Metaphern, zu den Figuren, zu ihrer Identität. Beispiel: CAMERON DIAZ. Schöner und bösartiger wie nie. Macht auf der Windschutzscheibe des Ferraris von Reiner genüsslich die Beine breit. Auf welche Seite aber sollen wir sie hinzuzählen? Polizei oder Mob? Oder als exzellent- verkommene Solistin? Auf eigenem Erfolgs-Trip? Keine richtige Ahnung, aber faszinierend. Dennoch. Gerade. Hautnah wirkend. Der tolle MICHAEL FASSBENDER, der 35-jährige Heidelberger Deutsch-Ire, schon beim letzten Ridley Scott-Film „Prometheus – Dunkle Zeichen“ mit dabei, ist der Anzug-Blödmann. Der Counselor. Glatt, schmierig in seiner fatalen Selbstüberschätzung, andauernd in einer bescheuerter Frageposition, weil er nicht durchblickt; ein schmucker Loser, der nichts RICHTIG weiß. Die ideale Verkörperung von Mr. Gier. Dem der feine Arsch auf Grundeis läuft, als er die entsetzliche Wahrheit mitbekommt. Über sich. In seinen zwei Real-Leben. „Gute Nacht, Amigo“, verabschiedet ihn der Cafémann konsequent.

Also – ein Rede-Krimi. KINO als herrlich (zu-)hörendes Vergnügungsempfinden. Der Mund als eigentliche Waffe: Mit Worten wie obszöne Kugeln. Und DANN ERST die harte Blut-Kost. In „diskreter“ Action-Manier. Muss man erst einmal verknusen. Es gibt ungemein viel zum Denken. Interpretieren. Zusammenhänge suchen. Mit Typen zum feinen Ablästern. So sarkastisch deformiert erscheinen sie. Die Stars.

„The Counselor“ ist ein vor kreativer Ideenlust nur so strotzender, wortgewaltiger Spannungssonderling. Als Schlaumeier-Bastard. In hellem „Film noir“. Selten dermaßen angenehm irritiert und aufgewühlt aus dem Kinosaal enteilt: Ein tolles W-O-W- Movie (= 4 PÖNIs).

 

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