COLETTE

„COLETTE“ von Wash Westmoreland (Co-B + R; Ungarn/USA/GB 2017; Co-B: Richard Glatzer; Rebecca Lenkiewicz; K: Giles Nuttgens; M: Thomas Adès; 111 Minuten; deutscher Kino-Start: 03.01.2019); Sidonie-Gabrielle Claudine Colette, die sich Colette nannte (*28. Januar 1873 – †3. August 1954), war zu ihrer Zeit eine köstliche und wie später auch äußerst erfolgreiche Provokateurin. Die bisexuelle Schriftstellerin – „Chéri“/1920; „Erwachende Herzen“/1923; „Sido“/1930 – war die erste Künstlerin in Frankreich, die ein Staatsbegräbnis erhielt.

Doch von Millionen-Auflagen ihrer Romane, in 30 Sprachen übersetzt, ist hier noch keine Aussicht. Gar Rede. Colette wächst als jüngstes von vier Halbgeschwistern und Geschwistern in der Bourgogne auf. Anders als die drei älteren Geschwister besucht sie keine weiterführende Schule, wird jedoch von ihrem „literarischen Vater“ sowie von der klugen, verständnisvollen Mutter emanzipatorisch gefördert. Mit 20 heiratet die hübsche junge Frau (KEIRA KNIGHTLEY) den 14 Jahre älteren Henry Gauthier-Villars (DOMINIC WEST), einen Pariser Salonlöwen und Literatur-Fabrikanten. Der in seinem „Unternehmen“ talentierte junge „Schreiberlinge“ dafür bezahlt, dass sie ihm „seine“ Romane schreiben. Ansonsten erweist sich Gauthier-Villars als Filou, der die eheliche Treue nicht ernst nimmt, gerne ein „lockeres“ Beziehungsleben propagiert. Was sie nicht hinzunehmen beabsichtigt. Doch eine Trennung weiß er immer wieder charmant-galant zu verhindern. Als Henry die literarischen Fähigkeiten seiner Ehefrau entdeckt, „spannt“ er sie mit-ein. Was zu unerwarteten Bestseller-Folgen führt. Die ersten vier „Claudine“-Geschichten von ihr werden für ihn – unter seinem bekannten Pseudonym „Willy“ – zu einem phänomenalen Triumph. Den ER genüsslich annimmt. Und auslebt.

Bis SIE dagegen aufzubegehren beginnt. Immer „unangepasster“ wird. Ihr Wunsch nach einem eigenbestimmten Leben nimmt immer mehr wütende Formen = Ausbrüche an. Ihre zunehmende Unkonventionalität sorgt mehr und mehr für interne wie öffentliche Spannungen. Doch es ist genau dieser höchst hartnäckige, individuelle Weg, beruflich wie privat, der zum Erfolgsziel führen soll.

Eine junge Frau will sich vom Leben nicht unterjochen lassen. Hasst alle Unterdrückungsmechanismen einer vertrockneten, traditionellen Gesellschaft. Begehrt auf. Will vor allem die Langeweile aus ihrem Leben vertreiben. Provoziert immer bewusster. Wobei sich Kunst und Leben vermischen. Das, was gesehen, erlebt, gefühlt wird, setzt Colette in ihren ersten Geschichten pikant um. Da dies aber unter SEINEM Namen geschieht, ist es moralisch „legitim“. Womit „Frau“ sich nicht (mehr) abfinden will. Das Duell der Geschlechter nimmt ebenso Fahrt auf wie eine dynamische Eigenbewegung.

Der letzte Film des britisch-amerikanischen Filmkünstlers WASH WESTMORELAND, Jahrgang 1966, war „Still Alice“ (s. Kino-KRITIK), den er gemeinsam mit seinem (inzwischen verstorbenen) Ehemann Richard Glatzer geschrieben und inszeniert hatte und der weltweit gefeiert wurde, während Hauptdarstellerin Julianne Moore einen „Oscar“ bekam. Hier führt er erneut seine Titelheldin in spannende Höhen: Die bislang zweifach „Oscar“-nominierte Britin KEIRA KNIGHTLEY („Stolz und Vorurteil“; „The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben“; aber auch: „Abbitte“) als sich emanzipierende, genüsslich-dekadente Gegen-den-Zeitgeist-Künstlerin COLETTE ist von präsenter darstellerischer Verwandlungswucht; nicht minder aber auch DOMINIC WEST („Hannibal Rising – Wie alles begann“/2007) als ihr buchstäblicher Charme-Bolzen-Schuft-Partner, dessen ebenso vitale wie monumentale Mental-Stärke umhaut. „Colette“ ist das stimmungsvolle Porträt einer grandiosen Frau, die man am Ende gerne weiter begleitet hätte, wie sie nunmehr – solo – ihre literarischen Trümpfe er- und auslebt (= 4 PÖNIs).

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