BORDER

„BORDER“ von Ali Abbasi (Co-B + R; Schweden/Dänemark 2017; Co-B: John Ajvide Lindqvist, Isabella Eklöf; basierend auf der gleichnamigen Kurzgeschichte von John Ajvide Lindqvist aus seiner Anthologie „Let the Old Dreams Die“; K: Nadim Carlsen; M: Christoffer Berg, Martin Dirkov; 110 Minuten; deutscher Kino-Start: 11.04.2019); normalerweise ist es keine Schwierigkeit, Filme in (Genre-)Schubladen zu beordern. Hier fällt es wirklich schwer. Ich will mich aber darauf nicht näher einlassen, sonst würde man zu viel von den andauernden Überraschungen verraten. Die dieser ungewöhnliche Streifen verbirgt. Der von Schweden für die Auslands-„Oscar“-Nominierungen eingereicht wurde. Der zahlreiche internationale Filmpreise einheimste, darunter im Vorjahr den Hauptpreis beim Cannes-Festival in der Sektion „Un Certain Regard“. Außerdem war er auch bei der diesjährigen „Oscar“-Vergabe für das „Beste Make-up“ und für das „Beste Haarstyling“ nominiert. Sechs einheimische (schwedische) Preise waren schließlich das Lob für ein faszinierendes Cinema-Meisterwerk, das in seiner Fülle von Gedanken und Wegen und Bewegungen und Motiven und extremen Reiz-Interpretationen bald zur Kult-Kultur mutieren wird.

Aber – Vorsicht mit den eigenen Bemerkungen. Diesen Film sollte man sehen und nicht vorab schon kennen. Im Mittelpunkt: Eine gehandicapte Frau. Tina (EVA MELANDER). Die 40-jährige leidet an Gesichtsdeformitäten. „Bin nur ein hässlicher Mensch mit Chromosom-Fehler“, tut sie kund. Dies hätte ihr mal der Vater so erklärt. Dieser befindet sich inzwischen im Altersheim und leidet „bisweilen“ an Demenz. Tina lebt gerne im Einklang mit der Natur; sie wohnt abgelegen in einem ihr gehörendem kleinen Haus im Wald. Gemeinsam mit dem jungen Hundetrainer Roland und seinen Kampfhunden. Ihre Beziehung ist rein platonisch. Auf fällt allerdings, dass sich die beiden Hunde, obwohl man schon länger zusammenwohnt, nicht mit Tina zu „arrangieren“ vermögen. Wenn sie auftaucht, veranstalten die Pfoten viel Lärm. Benehmen sich aggressiv. Was Tina nicht weiter stört.

Tina arbeitet für den schwedischen Zoll. An einem Hafen für Fähren zwischen Dänemark und Schweden. Da sie über eine außergewöhnliche Fähigkeit verfügt, hat man sie hierher versetzt: Tina vermag Gefühle von Menschen zu riechen. Einfach so. Aber wirkungsvoll. Ideal für den Job-hier: „Ich kann so was spüren: Scham, Schuld, Wut und noch andere Gefühle, und dann denke ich mir den Rest“. Ihre Erfolgsquote im Aufspüren von „Unregelmäßigkeiten“-hier ist enorm. Egal, ob Alkohol-Schmuggel oder ein USB-Stick, auf dem sich Kinderpornografie befindet, Tina kriegt alles mit. Deshalb ist sie bei ihren Kollegen akzeptiert. Und wird bisweilen auch von der Polizei „benötigt“. Wie jetzt, bei diesem Pädophilen-Fall.

Eines Tages taucht Vore auf (EERO MILONOFF). Der sieht ähnlich deformiert aus wie sie. Und zeigt ein auffälliges Interesse für Insekten. Was ja nicht strafbar ist. Man freundet sich an. Kommt sich näher. ER erklärt die Maßstäbe: „Der Mensch ist ein Parasit, für den alles auf der Erde nur zu seinem Vergnügen da ist, selbst die eigenen Nachkommen. Die ganze Menschenrasse ist verdorben“. Na – UND? NUN?

Der iranisch-stämmige schwedische Regisseur und Drehbuch-Autor ALI ABBASI, Jahrgang 1981, hat – nach „Shelley“, seinem Debüt-Langfilm, der 2016 im Berlinale-„Panorama“-Programm lief – seinen zweiten Spielfilm geschaffen; Originaltitel: „Gräns“. Der ist faktisch sehr eigenwillig, aber dabei im Grunde plausibel-konsequent zusammenlaufend. Wagemutig wird immer wieder ein neues, verblüffendes Ereignis-Terrain betreten, mit dem „so“ nicht zu rechnen war. Immer, wenn man meint, den Film endlich „im Griff“ zu haben, beschreitet er schon wieder faszinierende andere Wendungen. Als Wirkungstreffer. Neu-deutsch „Twist“ genannt. Ich muss mich zurückhalten. Darf nicht mehr sagen.

Soviel nur noch: 1) Eine Liebesgeschichte ist eine Liebesgeschichte, ist eine imposant-SAGENhafte Liebesgeschichte. So viel: 2) „Rosemarie’s Baby“ wird endlich identifiziert. Also: erblickt (= 4 1/2 PÖNIs).

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