BLINDED BY THE LIGHT

PÖNIs: (4/5)

„BLINDED BY THE LIGHT“ von Gurinder Chadha (Co-B + R; GB 2018; Co-B: Paul Mayeda Berges, Sarfraz Manzoor; basierend auf den Memoiren „Greetings from Bury Park“ von Sarfraz Manzoor/2007; K: Ben Smithard; M: A. R. Rahman; 118 Minuten; deutscher Kino-Start: 22.08.2019); sie wurde am 10. Januar 1960 in Kenia als Tochter einer indischen Familie geboren; seit 1961 lebt ihre Familie in England. Internationale Berühmtheit erlangte sie 2002 mit dem Frauenfußballfilm „Kick it like Beckham,“ (s. Kino-KRITIK). Ihre Filme befassen sich mit dem britischen Leben von Auslands-Indern beziehungsweise -Pakistani: GURINDER CHADHA.

BLINDED BY THE LIGHT“ ist ein Lied, das von BRUCE SPRINGSTEEN stammt und auf seinem Debüt-Album „Greetings from Asbury Park, N.J.“ 1973 veröffentlicht wurde. „Geblendet vom Licht / Aufgeleiert wie ein Teufel / Ein weiterer Flitzer in der Nacht / Geblendet vom Licht“, heißt es dort eingangs.

1987. In Britannien regiert Margaret Thatcher mit eiserner (Sozial-)Hand. Javed (VIVEIK KALRA) kam mit seiner Familie einst nach Großbritannien, ist jetzt 16 und lebt in der Kleinstadt Luton, nördlich von London. Es sind schwierige Zeiten für ihn. Einerseits ist er längst eingemeindet als „Brite“, andererseits besteht sein streng konservativer, traditionsbewusster Vater Malik (KULVINDER GHIR), der in einer Autofabrik arbeitet, auf strenge Herkunfts-Identität. Bedeutet: Zwar „hier“ leben, aber nicht „vollständig“. Bedeutet: Kein „richtiger“ Brite zu sein, sondern einer mit vor allem pakistanischen (Lebens-)Ritualien. Darauf kommt es an. Und natürlich: auf unbedingten Fleiß und Disziplin. Bleut ihm sein Vater täglich ein. Doch Javed träumt – über seine Tagebucheinträge – von einer Identität als Dichter und Schriftsteller. Für die Band seines Kumpels Matt (DEAN-CHARLES CHAPMAN/der König Tommen aus „Game of Thrones“, mit kecker Duran-Duran-Frisur) schreibt er die Texte zu dessen Synthie-Pop-Musik. Während in der Nachbarschaft Skinheads „auf so einen wie ihn“ lauern.

Auf dem neuen College lernt er Roops (AARON PHAGURA) kennen. Der fährt völlig ab auf die Musik von BRUCE SPRINGSTEEN. Bruce wer? Roops borgt Javed eine Kassette mit dessen Musik. Ab sofort ist es, als würde Javed einen Schalter in sich entdeckt und betätigt haben. Ab sofort „übernimmt“ er die Songs und vor allem die TEXT-Inhalte von Springsteen-Songs für sein eigenes Dasein. Versteht BRUCE als Seelenverwandten und kriegt sich gar nicht mehr emotional ein: „Drogenkater vom durchgeknallten Schlagzeuger / Indianer im Sommer / Mit einem Diplomaten im Teenageralter / Auf der Müllhalde mit Ziegenpeter / Als der Heranwachsende sich den Weg in seinen Hut pumpt / Mit einem Findling auf der Schulter / Fühl ich mich irgendwie älter / Ich stellte einem Ringelreihen das Bein / Mit einem sehr verdrießlichen Schneuzen und Keuchen / Knallte die Dampforgel auf den Boden / Knallte die Dampforgel auf den Boden“. 

Was natürlich den Vater und Haus-HERREN auf die Palme bringt. Zumal er gerade auch seine Arbeit verloren hat und sowieso gar nicht gut drauf ist. Und dann noch mit nunmehr solch „einem ausgeflippten Sohn“?! Während Freundin Eliza (NELL WILLIAMS) ihn rebellisch anfeuert. „Springsteen“ sorgt künftig für viel Stimmungswirbel und reichlich Komplikationen. In dem aufblühenden Leben von Javed, in dem er einfühlsame Unterstützung von seiner Mutter bekommt. Sie hält zu ihm und bemüht sich, ihn in seinem eigenständigen Wollen – und gegen die „Anordnungen“ ihres Ehemannes – beratend zu begleiten. Während „BRUCE“ immer mehr in das Streben und Finden und die Lust dieses jungen Burschen „eingreift“.

Ein toller Film. Hoffnungslosigkeit, Scheiß-Alltagsrassismus und dieser autoritäre, auf unbedingten Gehorsam bestehende Erzeuger auf der einen Stressseite gegen die coole Aufmüpfigkeit der Musik und diesen enthusiastischen, aufbauenden Texten von „The Boss“, dem weißen Erwecker aus New Jersey: Wie kriege ich, Javed, da bloß die Kurve? Die Co-Autorin und Regisseur GURINDER CHADHA mag keine Intoleranz, keinen Rassismus, keine Dummheit, die aus falscher Tradition blüht. Setzt auf das befreiende Ventil von Kunst/Kultur/Musik: hier SPRINGSTEEN, und weist human den Weg. Mit schon mal stimmungsvollen Bollywood-Einlagen. Es ist so, dass das aktuelle Kino – siehe Queen, Elton John, Beatles – gerade auf die Verbindung zwischen Pop und Realitätsgeschmack setzt: Wie Musik in den Alltag von besonders „empfindsamen“ Menschen eingreift und, wir befinden uns im Kino, wohl-anfühlend auf uns Zuschauende übergeht. Vermittelt. Mit spannenden politischen Nuancen: „Ich bin nachhaltig empört über die Ausländerfeindlichkeit und den Chauvinismus, die durch das ganze Brexit-Verfahren ans Tageslicht gekommen sind. DIESE GESCHICHTE GENAU JETZT INS KINO ZU BRINGEN IST DESWEGEN AUCH MEINE ART ZU SAGEN: WIR WOLLEN NICHT ZURÜCKFALLEN IN DIE ZUSTÄNDE DER BRITISCHEN ACHTZIGER“ (Gurinder Chadha/aus dem Interview mit ihr in der August-Ausgabe von „epd-Film“).

„BLINDED BY THE LIGHT“ ist Empathie-pur und macht viel guten Sinn (= 4 PÖNIs).

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