BIG BAD WOLVES

PÖNIs: (4/5)

Es war 2011, beim – inzwischen SEHR – renommierten FANTASY-FILMFEST, als der erste ISRAELISCHE Slasher-Film überhaupt gezeigt wurde: „RABIES“. Hierzulande kam er danach nicht in das reguläre Kino-Programm, sondern wurde unter dem Titel „Rabies – A Big Slasher Massacre“ ab 18. Februar 2013 gleich für das Heim-Kino herausgebracht. Ausgewertet. Es war das Horror-Debüt der israelischen Regisseure Aharon Keshales & Navot Papushado. Auch das zweite Werk dieses Filmemacher-Duos erreichte bei uns „nur“ die Kino-Leinwände beim vorjährigen Fantasy Filmfest, um sich dann heuer im hiesigen Heim-Kino als Deutschland-Start zur filmischen Auswertung zu stellen, besser: zu präsentieren. Denn dieser zweite Film kann mit dem Aussage-Prädikat wuchten: „Bester Film des Jahres 2013“. Urteilte jedenfalls QUENTIN TARANTINO:

„BIG BAD WOLVES“ von Aharon Keshales und Navot Papushado (B + R; Israel 2013; K: Giora Bejach; M: Haim Frank Ilfman; 110 Minuten; Heimkino-Veröffentlichung: 27.11.2014).

Liebliche Musik. Aber irgendwie beunruhigend. Kinder spielen. Verstecken. Ein Kind verschwindet. Taucht dann wieder auf. Allerdings – ohne Kopf. Ein Kinder-Schänder ist in der Region „zugange“. Schnitt. Eine ausrangierte Fabrikhalle. Männer schleppen einen harmlos aussehenden dünnen Mann mit Gewalt herein. Setzen ihn auf einen Stuhl und beginnen ihn zu malträtieren. Dror ist Bibelkreisleiter und wird als pädophiler Mörder verdächtigt. Soll hier und jetzt gestehen. Doch weil „seine Behandlung“ heimlich von einem Jungen gefilmt und bei YouTube ins Netz gestellt wird, verliert Polizist Micki seinen Job. Ermittelt aber dennoch privat weiter. Und kommt Gidi in die Quere. Der ehemalige „Militär“ will ebenfalls herausbekommen, wo Dror den Kopf seiner Tochter versteckt hat. Ist fest von dessen Schuld beziehungsweise Täterschaft überzeugt. Nimmt kurzerhand sowohl den Religionspädagogen wie auch den nun „zögerlichen“ Privatermittler im Keller seines abseits gelegenen Hauses gefangen. Motto: Es darf gefoltert werden. Als dann auch der Vater von Gidi, Yoram, auftaucht, ebenfalls Ex-Militär, ist das Keller-Quartett beisammen. Um auf schwarz-komische Art, „Reservoire Dogs – Wilde Hunde“ (Tarantinos Kinofilm-Debüt von 1992) auszuspeien. Mit Dialogen wie „Verrückte haben nur Angst vor Verrückten“ oder „Hier ist kein Platz für gute Bullen“. Oder ganz im Sinne eines legendären deutschen Film-Spruchs: „Es kommt der Tag, da will die Säge sägen“ (aus „Jede Menge Kohle“ von Adolf Winkelmann/1981).

Aber – die Säge oder der Bunsenbrenner sind keineswegs ständig in Aktion, zwischendurch backt sich Gidi schon mal einen hübschen Kuchen, und schließlich besteht der angereiste Papa Yoram darauf, dass Sohn Gidi erst einmal die mitgebrachte Suppe von Mama schlürft. Merke: Wer gut foltern will, muss vorher auch gut essen. Von solchen simplen „Unterbrechungen“ gibt es übrigens zahlreiche, und sei es, dass man sich mal in Debatten über die Wirkung von Grillwürsten verliert. Oder dass ein arabischer Nachbar auf einem Pferd zur Stippvisite mal vorbeireitet. Vor Nichts ist man sich hier ganz sicher.

Natürlich sind die berühmten Kunstsachverständigen mal wieder gewarnt. Oder auch sensible Zeitgenossen. Der Film „stänkert“ brillant. Und lüstern bösartig. Von wegen Bibel-Rache: Veranstaltest du mit mir übles, veranstalte ich mit dir ähnliches. Wahrscheinlich sogar Schlimmeres. (Steht das nicht in d e r Art in dem religiösen Klassiker?) Allerdings, der vermeintliche „Täter“ bestreitet dermaßen vehement und ausgiebig seine Schuld, dass Zweifel erlaubt sind. Für die anderen Keller-Beteiligten jedoch wenig. Zumeist gar nicht. Und so breitet sich der vielleicht großartigste Folter-Film aller Zeiten diffizil wie süffisant aus. Mit dem Spannungsergebnis: nach anfänglichen dramaturgischen Wackeleien einfach brillant. Als, wie die Regisseure im Bonus-„Making of“ verraten, „lustiger Rache-Thriller, der aus den Märchen unserer Kindheit eine Fabel für Erwachsene macht: ein Märchen für Erwachsene“. Und bekanntlich gehören ja Märchen zu den grausamsten Ulk-Geschichten aller Zeiten.

Das Ensemble spielt prächtig. Lakonisch, präsent. Mit penetrantem ironischem Augenzwinkern. Die Schauspieler sind bei uns unbekannt, zeigen sich aber von großer Sarkasmus-Qualität. DOVAL’E GLICKMAN, als Gidis Vater Yoram der Älteste in der Männer-Runde, ist ein in Israel bekannter, sehr populärer Komiker.

Übrigens, unbedingt auch zu erwähnen. Dieser verführerische, listige, herrlich stimmungsvolle SOUNDTRACK von HAIM FRANK ILFMAN. Ganz im Stil des Hitchcock- Komponisten Bernard Herrmann („Psycho“) oder in der köstlichen musikalischen Betonungsart eines Pino Donaggio („Dressed to Kill“ von Brian De Palma/1980) als fester Erzähl-Rhythmus exzellent angesetzt und klasse ausgedrückt. Vom London Metropolitan Orchestra.

„BIG BAD WOLVES“ ist deftiges Heim-Kino und als weihnachtlicher Film-Verderber schwarzhumor-prächtig unterhaltend (= 4 PÖNIs).

Anbieter: „Constantin Film“

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