„BETTY ANNE WATERS“ von Tony Goldwyn (USA 2010; 110 Minuten; Start D: 17.03.2011); heißt im Original „Conviction“, also „Verurteilung“, und ist der 4. Kinofilm des auch als Schauspieler bekannten 50-jährigen Sohns des Produzenten Samuel Goldwyn Jr. (vor allem erinnern wir uns an seine fiese Nebenbuhler-Rolle in „Ghost – Nachricht von Sam“ von 1990, wo er Demi Moore und den „toten“ Patrick Swayze drangsalierte). Seine vorherigen 3 Langfilme waren „A Walk on the Moon“ (1999; mit Diane Lane); „Männerzirkus“ (2001, mit Ashley Judd) sowie „Der letzte Kuss“ (2006, mit Zach Braff). In seinem neuen Werk beziehen sich Tony Goldwyn und seine Drehbuch-Autorin Pamela Grey auf eine tatsächliche Begebenheit: Den Waters-Fall. Eine Frau kämpfte 18 Jahre lang, von 1982 an, um die „Befreiung“ ihres Bruders aus dem Gefängnis. Kenny Waters war wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Alle Eckdaten des Films sind authentisch. Es ist das ewige Thema. Vom Recht haben und Recht bekommen. Bist du nicht so gebildet, stammst du aus einer sozialen „Brennpunktschicht“, verstehst du es nicht, dich „vernünftig“ auszudrücken, bist du überhaupt so eine Art dauerunruhiger „Kotzbrocken“, kann es durchaus sein, dass du auf der Basis von läppischen Indizien und fragwürdigen Zeugenaussagen „Pech“ hast und „dran“ bist. Über 250 Deliquenten, darunter auch 17, die zum Tode verurteilt waren, wurden in den USA aufgrund von DNA-Tests nachträglich freigesprochen. Nicht zufällig waren es in der Mehrzahl Menschen „aus der gesellschaftlichen Unterschicht“. Betty Anne und Kenny Waters sind Geschwister. Die sich mögen. Seit frühester Kindheit. Sie stammen aus zerrütteten Verhältnissen, haben einst viel Kinder-Schabernack an der Grenze zur Legalität getrieben, wuchsen bei verschiedenen Pflegefamilien auf, weil ihrer Mutter (KAREN YOUNG) das Sorgerecht entzogen wurde. Betty kriegte dann die Kurve, gründete mit Ehemann Rick (LOREN DEAN) in dem kleinen Ort Ayer in Massachusetts eine Familie, bekam zwei Kinder. Bruder Kenny kam nie in „geregelte Puschen“, jobbt als Gelegenheitsarbeiter, geht schnell „die Wände hoch“, wenn man ihn reizt, ist ein „gutmütiges Schaf“, wenn man ihn „lässt“. Ist vorbestraft. Deshalb wird er auch in einem bestialischen Mordfall aus der Nachbarschaft befragt. Die ermittelnde Polizistin ist sich bald sicher, mit Kenny den Mörder überführt zu haben. Sein stets impulsives, aufbrausendes Auftreten macht ihn dabei nicht gerade „sympathischer“. Die gleichgültigen Mühlen der Justiz sind unbarmherzig. Kenny wird weggesperrt. Fall erledigt. Nicht aber für seine Schwester. Der Film erzählt dies auf drei Zeitebenen. Die gemeinsamen bindungsengen 60er Kindheitsjahre, die frühen 80er Jahre und das bürgerliche Kleinstadtleben und dann die 90er, in der Betty Anne Waters offiziell „zu kämpfen“ anfängt. Im Zeitraffer: Die Kellnerin beginnt ein Jurastudium, das sie selbst finanziert. Ihr Ziel: Anwältin zu werden und ihren Bruder, der sich mehr als einmal aufgegeben hat, „herauszuholen“. Dafür zahlt sie einen hohen Preis. Ihre Ehe zerbricht, und ihre beiden halbwüchsigen Söhne Ben und Richard entfremden sich ihr zunehmend. Stress und Probleme an „allen Fronten“. Eine gute Freundin steht ihr bei und vermag sie in Tiefphasen immer wieder aufzubauen (MINNIE DRIVER). Als Betty Anne das Examen besteht, gibt es für sie kein Halten mehr. Doch der juristische Fall ist längst verjährt. Die Möglichkeiten, ihn über neue Beweismittel aufzurollen, sind begrenzt. Das Drehbuch entstand mit Unterstützung der wahren Betty Anne Waters. Doch Fakten sind das eine, die filmische Umsetzung eine andere. Und hier hapert es. „BETTY ANNE WATERS“ der Film läuft ab wie ein statischer Windmühlenkampf. Wie ein Dia-Abend über eine starke Frau. Sie hier, Sie dort. SIE macht dies, SIE macht das. Unbeugsam. Unaufhaltsam. Durch noch so große Rückschläge einfach nicht aufzuhalten. Also vorhersehbar. Also emotional eingeschränkt. Neugier, Anteilnahme, Schmerz laufen eher „begrenzt“ ab. Okay, die tapfere Frau. Eine tolle Power-Woman. Man ahnt/weiß ja, wie DAS enden wird, Und auch endet. Der Weg ist das Ziel. Aber wie DER beschrieben, formuliert, bebildert wird, ist „bescheiden“. Betty Anne, das aufgeweckte Kind, mit dem „noch aufgeweckteren“ Bruder. Die erwachsene Frau. Die entscheidende Lebenswendung. Der mühselige „amerikanische“ Privattraum „kleiner Leute“. Mit großem Herzen und noch größerem Willen. Zwischen Trauma und Hoffnung. Mit viel schnellem Klug-Werden. Juristisch gesehen. Schließlich, natürlich… DAS wird und wirkt SO wie gut abgehakt. Ist übrigens auch nicht immer absolut plausibel. Wird als kriminalistische Recherche mit eigentlich Ohne-Erfolgsaussicht durchgehechelt, nach dem bekannten Motto: Du hast keine Chance, also nutze sie. Independent-Kino, das eine brave Story zu erzählen weiß, diese aber nicht dicht genug, sondern eher merklich „bemüht“ einsetzt. Mehr als gute Idee denn starkes Reiz-Kino, das einen auf eine interessante Gedanken-Reise packend mitnimmt. Auch, weil die namhaften Hauptakteure „nicht so“ wie sonst „funktionieren“. Die zweifache „Oscar“-Lady HILARY SWANK („Boy´s Don´t Cry“/2000 + „Million Dollar Baby“/2005) zieht einen nicht in den Bann, sondern spielt ihre Heldin routiniert wie aber auch distanziert. Keine Julia Roberts-„Erin Brockovich“. Während „Rotztyp“ SAM ROCKWELL („Moon“) bisweilen zu sehr übertrieben als Unsympath und Prekariats-Proll auftritt. Der Charme dieses Hallodri mit krimineller Energie bleibt leider nur plumpe Behauptung. Ein fahriges Duo ohne überzeugende Nähe-Wirkung. „Betty Anne Waters“ oder: Ein solider Absichtsfilm (= 3 PÖNIs). |
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