„BENDA BILILI!“ von Revaud Barret und Florent de la Tullaye (B, R+K; Kongo/Fr 2004-2009; 84 Minuten; OmU; Start D: 19.05.20011); als fiktionaler Spielfilm wäre „Jenseits des Scheins“, wie der Titel übersetzt lautet, totaler Blödsinn. Als wahrhaftiger Dokumentarfilm a la „KINSHASA SOCIAL CLUB!“ („The Times“) dagegen ist er ein Juwel. Und sorgt für viel Neugier, Anteilnahme und schließlich Freude. Ja Begeisterung. Dabei ist der thematische Ausgangspunkt eher surreal: 2004 entdecken die beiden (hierzulande unbekannten) französischen Regisseure auf den Strassen von Kinshasa, Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo (einst Belgisch-Kongo), eine Gruppe von Musiker. Die spielen hier „öffentlich“. Für sich. Und ein paar Zuhörer. Sie nennen sich „STAFF BENDA BILILI“. Was aus der dortigen Lingala-Sprache übersetzt „Öffne dein Bewusstsein“ oder auch „Das Verborgene sichtbar machen!“ bedeutet. Das „Besondere“ – die meisten von ihnen sitzen in Rollstühlen. Polio-Opfer. Die zudem obdachlos sind. Im Bereich, auf dem Gelände des verwahrlosten Zoos der Stadt leben und proben. Und ihre Musik als Rettung betrachten: „Ich erfinde nichts, meine Lieder handeln vom Leben“, sagt Wortführer und Straßenhändler „Papa“ Leon „Ricky“ Likabu. Und verweist auf ihre Lieder, die wie Appelle klingen: „Arbeit ist Vater und Mutter!“ Mal ermahnen sie in den Songs die Eltern, ja ihre Kinder unbedingt gegen Polio impfen zu lassen. Und sie unbedingt zur Schule zu schicken. Mal erzählen sie von den eigenen Erlebnissen und Emotionen. Vom Nächtigen auf Pappkartons ebenso wie von ihrer Armut. Die sie nicht abhält, von einem besseren Dasein zu hoffen, zu träumen. Die beiden Filmemacher sind elektrisiert. Treffen und begleiten die Band innerhalb der nächsten Jahre. Mit dem Zunächst-Ziel – DENEN einen Plattenvertrag zu verschaffen. Man freundet sich an. Und entscheidet sich, einen kompletten Dokumentarfilm „darum“ zu drehen. Die Mitglieder der Gruppe begreifen ihre Chance. Setzen fortan viel Engagement, Glauben und Begeisterung in das Projekt. Das trotz zahlreicher Rückschläge (den Familien brennen ihre Hütten ab; den Filmemachern geht vorübergehend das Geld aus) schließlich, nach fünf Jahren, doch „gelingt“. Erst in einem Musik-Album („Trés Trés Fort“), dann mit einem ersten umjubelten Auftritt beim Eurockéennes Festival in Belfort 2009. Seitdem sind sie bekannt, geschätzt und weltweit unterwegs. Kein Märchen. Keine Mitleids-Fahne. Keine Trocken-Doku. Ganz im Gegenteil: Blitzgescheit wie hochemotional. Die Behinderungen werden nicht thematisiert, sondern als gegeben hingenommen. Konzentration auf die beeindruckenden Beteiligten. Auf ihre musikalischen „Bewegungen“. Auf ihr (un-)menschliches Leben, das Existieren hier. An diesem unwirtlichen Ort der afrikanischen Welt. Auf ihre Kraft. Durch ihre Musik. Auf ihr Wollen. Menschlich existieren zu dürfen. Mit den ganz normalen Annehmlichkeiten des Alltags. Wie endlich einer Matratze. Einem ständigen Dach über den Kopf. Grosse Emotionen. Auf beiden Seiten: Auf denen der Beobachteten, Begleiteten ebenso wie auf unserer, den Zusehenden. Ergriffenen. Mitgenommenen. Auch über eine berührende Nebengeschichte. In der es um den 13jährigen Roger geht. Roger Landu. Dessen „Gitarre“ ist eine Blechbüchse mit einer Saite. Die helle und schnelle („African-Rock“-)Töne erklingen lässt. Mit dieser Satongé-Laute wird Roger, der von seiner psychisch labilen Mutter abhaute, zu einer Art „Wunderkind“ und zum Ziehsohn von „Ricky“ Likabu. Zum kleinen „heimlichen Star“ des Films. Der im Vorjahr beim Cannes-Festival als Eröffnungsfilm der „Forum“-Nebenreihe „Quinzaine des Réalisateurs“ lief und hervorragenden Anklang fand. Zu Recht: „BENDA BILILI!“ geht sensibel-gut unter die Haut. Weil der Film „nicht getürkt“ ist. In Stichwort-Erlebnissen und Seele. Eine Hymne auf das afrikanische Leben bzw. Überleben und ihre wahren Kämpfer bedeutet. „Du musst verstehen, was es braucht, um aus dem Hundeleben ´rauszukommen“, singt Benda Bilili auf einem Festival. Zum Grooven und Denken. Und umgekehrt. Die Botschaft ist angekommen: Was für ein vorzügliches Dokument zur Gegenwart! (= 4 PÖNIs). |
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