PÖNIs: (4,5/5)
„BABY DRIVER“ von Edgar Wright (B + R; USA/GB 2016; K: Bill Pope; M: Steven Price; 113 Minuten; deutscher Kino-Start: 27.07.2017); gehen wir die prominente, unvergessene Driver-Film-Liste noch einmal durch: Steve McQueen als Lt. Frank Bullitt setzte in „Bullitt“ von Peter Yates 1968 mit einer der längsten Verfolgungsjagden der Filmgeschichte Tempo- und Rasanz-Maßstäbe. Gene Hackman folgte 1971 mit einer sagenhaften Verfolgungsjagd unter der Hochbahn von New York in dem fünffachen „Oscar“-Preisträger „Brennpunkt Brooklyn“ von William Friedkin, der später auch unter dem Originaltitel „French Connection“ Wiederaufführung hatte. 1978 sorgte der Autoren-Regisseur Walter Hill mit seinem fulminanten Gangster-Stück „Driver“, mit Ryan O’Neal in der Titelrolle, für enorme Aufmerksamkeit (s. Kino-KRITIK). Viele Jahrzehnte später, 2012, nahm sich der in Hollywood arbeitende Däne Nicolas Winding Refn dieses schnellen Stoffes erneut mit seinem Sog-Thriller „Drive“ an (s. Kino-KRITIK), in dem der 31-jährige kanadische Schauspieler Ryan Gosling als namenloser Titelheld endgültig zum Star aufstieg.
2017 kriegt dieses Turbo-Genre einen Schub, wie man ihn nicht für möglich gehalten hätte, wobei der Titel schon die knallige Pointe ausdrückt: in der Tat: „BABY DRIVER“. Jedenfalls sieht er dermaßen unschuldig aus, dieser junge Bursche, genannt Baby, der eingangs gleich einmal vorführt, was für ein Talent hinter der starren coolen Schnute und der Sonnenbrille steckt, besser: sich versteckt, zudem ist er ausgestattet mit Stöpseln im Ohr. Baby sitzt, musikalisch voll Punk-inspiriert (durch „Bellbottoms“ von „The Jon Spencer Blues Explosion“), am Steuer eines knallroten Autos, einem Subaru, und wartet. Auf seine Kundschaft. Dabei wippt und schnippt und trommelt er am Steuerrad den heißen Rhythmus der Ohr-Musik mit. Der Song übertönt Schüsse. Dann steigen die drei Bankräuber ein und Baby startet mit seiner Kunst. Des schnellen wie präzisen Fluchtwagen-Fahrens. Präzise = genau nach der hitzigen Vorgabe des fetzigen Songs in seinem Ohr. Präzise = 100% getimt auf die mit-röhrenden parallelen Klänge. Fünf Minuten hochkarätiger Drive(r). Auftrag erledigt. Boss Doc (KEVIN SPACEY) kann wieder einmal zufrieden sein.
Baby (ANSEL ELGORT) besitzt dieses Spezial-Talent, das ihn in der Unterwelt von Atlanta/Georgia so begehrlich macht. Er kann, sagen wir mal, dermaßen „imposant“ Autos fahren, sozusagen diese beherrschen und dirigieren, dass ihn – und seine Begleitung – niemand zu erwischen in der Lage ist. Ein Maestro am Steuer. Der seit seiner Kindheit beziehungsweise seit einem traumatischen Auto-Unfall seiner Eltern an Tinnitus leidet. Und dieses ständige Pfeifen in den Ohren durch „spezielle“ Musik blockiert. Übertüncht. Das können „Töne“ sein von T. Rex oder The Beach Boys oder Sam and Dave oder Alexis Korner oder Soul-Balladen von Barry White oder Jazz von Dave Brubeck, Hauptsache, es sind seine von ihm arrangierten „Geräusche“. Natürlich eckt der jugendliche Kerl bei den wechselnden Teams von Boss Doc ob seiner Sonderlichkeit an. Man hänselt ihn, möchte ihm einfach mal was auf die Schnauzte kloppen, ihn zu „Seinesgleichen-Machen“, doch Baby-Boy ist kaum aus der Ruhe zu bringen. Durch seinen „Erfolg“ ist er unantastbar. Der letzte Auftrag winkt, dann hat er beim Boss seine Schulden „abgearbeitet“ und ist frei. Zumal er in der Kellnerin Debora (LILY JAMES) „eine fürs Herz“ gefunden hat. Was die emotionale Zukunft noch besser aussehen lässt.
Doch dann, klar doch, erweisen und zeigen sich die Psychos vom Boss Doc-Team bei der letzten Räuber-Nummer als überhitzt. Besonders der schießwütige Outlaw Bats (JAMIE FOXX) kriegt sich nicht ein, dreht voll durch. Was blutige Folgen hat und extreme Spuren auslöst. Aber ab hier – sehen, nicht mehr lesen. Denn jetzt tritt die Story erst richtig auf das formidable Rhythmus-Pedal.
„BABY DRIVER“ ist „La La Land“ auf Action. Sowohl in seiner extrem rüden Bewegung wie vor allem in seiner dazugehörigen, parallelen, irre-fantastisch „choreografierten“ „Räuber-Musikalität“. Egal wie, „Baby Driver“ ohne seine Musik wäre Schwachmaten-Unfug. So aber bilden Action und Musik eine perfekte und voll-ironische Brutal-Einheit. Als klasse überkandidelte „Baby“-Version von „Fast & Furious“. Voll mitreißend als furiose Kollision von kaltem Gangster-Movie, grandiosem Action-Reißer und brachialem Sound. Der Soundtrack lohnt!
Der britische Drehbuch-Autor und Regisseur EDGAR WRIGHT, der mit Rotz-Schüben wie „Shaun of the Dead“ (2004), „Hot Fuzz – Zwei abgewichste Profis“ (2007) und zuletzt „The World’s End“ (2013/s. Kino-KRITIK) bereits für scharfe Unterhaltungskost sorgte, hat seit 1995 von solch einem „Car-Chase-Jukebox-Filmmusical“, wie er erst nennt, geträumt. Da war sein Hauptakteur ANSEL ELGORT, bekannt aus „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ (2014), gerade mal ein Jahr alt. Mit diesem minimalistisch-coolen Auftritt-hier qualifiziert sich das „Milchgesicht“ in die Steve McQueen-Sonderliga. Als Freundin Debora tritt LILY JAMES („Cinderella“) wenig in Erscheinung. Während „Oscar“-Preisträger KEVIN SPACEY als „Baby-Mentor“ mit beängstigend-faszinierender Charme-Kälte agiert und „Oscar“-Preisträger JAMIE FOXX („Ray“) super Mr. Brutal-Bedrohung mimt. Weitere auffallende Mitstreiter: „Mad Men“-Ass JON HAMM als Psycho-„Buddy“ und die attraktive Mexikanerin EIZA GONZÁLEZ als seine kaltblütige Darling-Flamme. Das Ensemble ist – und funktioniert – im Übrigen: überragend.
Was für prächtiges B-Kino mit fulminanter A-Schmutz- und Show-Qualität: „BABY DRIVER“ ist ein Super-Sommerfilmkinoknaller (= 4 1/2 PÖNIs).