ALLES STEHT KOPF

PÖNIs: (4/5)

„ALLES STEHT KOPF“ von Pete Docter und Ronnie Del Carmen (USA 2012-2015; B: Pete Docter, Meg LeFauve, Josh Cooley; M: Michal Giacchino; 95 Minuten; Start D: 01.10.2015); „Lasst es uns anders machen!“, die ewige PIXAR-Animations-Losung, trifft auch hier wieder zu. Dabei wichtig: Rechtzeitiges Erscheinen. Denn auch schon der Vorfilm, „LAVA“ von James Ford Murphy, ist ein extravaganter, phantastischer Stimmungsaufheller: Irgendwo im Pazifik. Befindet sich der einsame Vulkan Uku. Singt ein melancholisches Lied über seine Sehnsucht nach einer Partnerin. Es vergehen viele, viele Jahre und Jahrhunderte, Uku droht langsam zu versinken. Inzwischen taucht aus der Tiefe des Wassers Vulkanin Lele auf. Nach und nach, bis sie sich an der Wasseroberfläche befindet. Um ein Lied zu singen. Die – von Uku bereits bekannte – Hymne auf eine Partnerschaft. Nun geht es nur noch darum, dass sie sich finden. Dieses geniale 7minütige Stück um vulkanische Liebe ist kurz hinreißend.

Und stimmt prächtig auf den Hauptfilm ein. Dessen Originalität einmal mehr PIXAR-enorm ist. Im Blick- und Mittelpunkt: Der Kopf. Der 11jährigen Riley. Mit fünf bekannten Emotions-Inhalten: Angst, Ekel, Freude, Kummer, Wut. Winzige wie kunterbunte Gestalten, die sich mitten im Verstand, dem Kontrollzentrum, befinden. Dort arbeiten sie unter Hochdruck – wie in einer Art Raumschiff-Kommandozentrale, an entsprechenden Knöpfen – am täglichen Wohlbefinden von Riley. Deshalb ist deren Gefühlsleben auch im guten Gleichgewicht; die Hauptaufgabe der fünf Gefühlsarbeiter, die Überwachung, Pflege und Archivierung der Erinnerungen des Menschenkindes, klappt bestens. Ihre prägenden persönlichen Inseln – Eishockey, Freundschaft, Familie, Quatschmachen und Ehrlichkeit – werden gut behütet, damit ihre individuelle Persönlichkeitsentwicklung keinen Schaden nehmen kann.

Doch dann ist Schluss mit lustig. Der Umzug vom ländlichen Minnesota ins kalifornische San Franzisco steht an. Papa hat dort einen lukrativen Job bekommen, aus der beschaulichen Idylle wird hektischer Großstadtalltag. Mit existenziellen Sorgen. Die Emotionen kriegen mächtig zu tun. Während sich die Laune bei Riley immer mehr verfinstert. Große Schuld daran: Freude und Kummer werden bei einer internen Auseinandersetzung versehentlich ins Langzeitgedächtnis geschleudert. Machen sich von dort zwar umgehend auf den Rückweg in das Epizentrum, was sich allerdings als ziemlich beschwerlich erweist, währenddessen zwischenzeitlich Hitzkopf Wut, Unruhepol Angst und Zicke Ekel allein und ziemlich chaotisch sich um das Befinden des Kindes kümmern. Müssen. Die Folge: Riley ist nur noch „anders“: Entweder wütend. Oder ängstlich. Oder traurig.

Der Mensch und seine Innereien. Sprich: Gefühle. Was PIXAR in bester Bunt-Manier und mit viel Hip und noch mehr Hop munter fabriziert, ist exquisit. Dem Ideen- und Einfallsreichtum sind einmal mehr keine Grenzen gesetzt. Diese Pop-Reise in den Fühl- und Denkapparat von Uns-Menschen auch nur annähernd in seiner Vielfältigkeit, seinem Slapstick-Reichtum und seiner komisch-gescheiten Skurrilität in Gänze zu formulieren, ist unmöglich. Die vielen überbordenden witzigen, hintergründigen Details lassen wunderbar kindlich staunen. „Inside Out“, so der Originaltitel, bewirkt: schönes Ein- und Abtauchen in einen total gefühlsbetonten wie visuell herrlich überbordenden Seelen-Kosmos. Eines kleinen Kindes, das in Gefahr gerät, sein komplettes Ich zu verlieren. Während es in ihm „drin“ heiß hergeht. Mit auch einer köstlichen Running Gag-Belästigung von wegen unerwünschter Kaugummi-Werbung.

Gegen Ende zeigt zwar der Gedächtnis-Trubel hysterische Auswüchse, mag aber mit der feinen Spaß-Erkenntnis punkten, dass halt in unserem Da-Sein Kummer & Freude ein durchaus plausibles wie wichtiges Gefühlsduo bilden. Ebenso wie das gesamte Gefühlsteam eine wichtige Einheit bildet. Damit wir Seelenfit bleiben. Und zum Beispiel vor einer Brokkoli-Pizza bewahrt werden.

„Alles steht Kopf“ vom PIXAR-Meister Pete Docter („Die Monster AG“; „Oben“) ist mehr eine grandios erfindungsreiche erwachsene Kinderei als ein leichtes Kinder-Kinder-Tollhaus; der ganz kleine Nachwuchs (= freigegeben ab 0 Jahren) bedarf sicherlich des Schutzes vor einigen komplizierten Schreckens-Motiven. Dafür amüsiert sich der Rest der Generationen bestimmt wie (man in Berlin sagt) Bolle. Und, klar doch: Mit ganz viel herzigem Gefühl (= 4 PÖNIs).

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