FEINDE – HOSTILES

„FEINDE – HOSTILES“ von Scott Cooper (B + Co-Produktion + R; USA 2016; K: Masanobu Takayanagi; M: Max Richter; 134 Minuten; deutscher Kino-Start: 31.05.2018); bei IHM ist immer filmische Obacht angezeigt: SCOTT COOPER, Jahrgang 1970, aus Virginia; zunächst als Schauspieler „nicht so aufgefallen“ („Austin Powers – Spion in geheimer Missionarsstellung“), bevor er dann als Drehbuch-Autor und Regisseur durchstartete mit: „Crazy Heart“ (s. Kino-KRITIK) und dem längst verdienten „Oscar“ für den Hauptdarsteller Jeff Bridges (2010); „Auge um Auge“, einem intelligenten Sozial-Krimi von 2014, mit Star-Besetzung, darunter Christian Bale an der Rampe (s. Kino-KRITIK); während im Oktober 2015 der Gangster-Stoff „Black Mass“, mit Johnny Depp im Haupt-Part, interessant „absoff“ (s. Kino-KRITIK). Der vierte Film von Scott Cooper seit 2009 ist jetzt ein Meisterwerk!

Du bist ein pflichtbewusster Mensch. Hast Dich jahrelang in die Uniform stecken lassen, um dem Staat zu dienen. Als tapferer Soldat. Du hast die aggressiven Indianer-Ureinwohner bekämpft. Die viel Widerstand geleistet haben. Weil der weiße Mann ihr Land übernommen und sie vertrieben hat. Es war ein gegenseitiges Abschlachten. Dabei hast du dich wiederholte Male ausgezeichnet. Hast für deine sadistischen Exzesse, genannt: Tapferkeit, Mut, Tötungsquoten und Durchhaltevermögen, viel Lob und Anerkennung bekommen. Hast Karriere beim US-Militär gemacht. Du seist ein verdienstvoller Bürger, hast du immer wieder von den Vorgesetzten und Kollegen zu hören bekommen. Hast stets deine Pflichten erfüllt. Heißt es. Jetzt bist du alt. Stehst kurz vor der Pensionierung. Du hast in und mit deinem Leben gut funktioniert, dafür bekommst du bald den staatlichen Renten-Lohn. Ach so: Vorher sollst du aber noch eine letzte Aufgabe übernehmen. Motto: Als Symbol der Nunmehr-Versöhnung. Du sollst einen deiner schlimmsten Erzfeinde aus dem Krieg von gestern, den im Gefängnis einsitzenden Cheyenne-Chief Yellow Hawk (WES STUDI), der an Krebs erkrankt ist, von New Mexico zurück in seine ehemalige Heimat, in sein ehemaliges Stammes-Gebiet nach Montana bringen. Begleiten. Wo er begraben werden will. Denn: Heuer, im Jahre 1892, sind die Indianer-Kriege Vergangenheit. Jetzt darf man auch gegenüber den ärgsten Feinden von neulich human auftreten. Schließlich hat der weiße Mann endgültig gesiegt. So dass sich die Vereinigten Staaten von Amerika nunmehr „vernünftig“ gründen können. Sozusagen: humanisiert. Zivilisiert jetzt.

Kavallerie-Captain Joseph Blocker (CHRISTIAN BALE), ein harter Mann mit vernarbter Seele („Irgendwann ist man kein Mensch mehr“), gefällt dieser letzte Befehl überhaupt nicht. Denn ihn verbindet mit dem todkranken Häuptling Yellow Hawk eine entsetzlich grausame kriegerische Vergangenheit. In Sachen gegenseitigem Massakrierens. So dass der unerbittliche Hass bei Blocker wuchern konnte. Immens gewachsen ist. Und es für ihn völlig absurd und unverständlich erscheint, seinem ärgsten, weil brutalsten Gegner von einst jetzt helfen zu sollen. Doch gewohnt, amtlichen Anweisungen letztlich Folge zu leisten, übernimmt er diesen Job doch. Gemeinsam mit einigen seiner Soldaten und der kleinen Familie des Häuptlings macht man sich auf den beschwerlichen Weg. Unterwegs stoßen sie auf eine junge traumatisierte Witwe (ROSAMUND PIKE), deren gesamte Familie – einschließlich ihrer drei Kinder – gerade von Komantschen überfallen und ausgelöscht wurde. Mag der offizielle Krieg für beendet erklärt worden sein, regiert hier in der Gegend immer noch übelste Gewalt. Menschen, die hier überlebt haben, sind verroht. Töten lieber als etwa zu argumentieren. Folglich wird allen Beteiligten bald klar, dass sie im Grunde nur als Gemeinschaft eine Chance haben zu überleben. Eine Erkenntnis, die vor allem Joseph Blocker mächtig Überwindung kostet.

„Die amerikanische Seele ist ihrem Wesen nach hart, einzelgängerisch, stoisch und ein Mörder. Sie ist noch niemals aufgetaut“. Dieses Poem des britischen Schriftstellers D. H. Lawrence (*11. September 1885 – †2. März 1930) ist das Leit-Motto für diesen außerordentlich eindringlichen, düsteren Neo-Western, der sich mit der finsteren Seite des amerikanischen Gründungsmythos befasst und dabei beklemmend auf aktuelle politische Gegebenheiten im derzeitigen „America first“-Country zielt. Motto: Was verunstaltet Krieg. Außen, im Staub, ebenso wie im empfindlichen Inneren. Wo Seelen schizophren werden. Die aktuellen Kriege im Irak und in Afghanistan winken hier grausam aus der nahen Ferne. Deshalb ist hier auch kein Platz für Prärie-Romantik, Heldentum oder Ideologie-Gezeter. Während Kamera-As MASANOBU TAKAYANAGI betörende, kraftvolle, herrlich atmosphärische Landschaftsmotive in und von den Drehorten New Mexico, Colorado und Arizona einfängt, bei denen nur der Mensch mit seiner widerlichen Schändlichkeit „stört“, und der britische Komponist MAX RICHTER einen beeindruckenden melancholischen, meisterlich- emotionalen Score darauf setzt.

Der zweifache „Oscar“-Hero CHRISTIAN BALE („The Big Short“; „The Fighter“; aber auch: „American Psycho“; die „The Dark Knight“-Trilogie; „American Hustle“), 42 (zur Drehzeit), der nach dem Rache-Drama „Auge um Auge“ zum zweiten Mal mit Scott Cooper zusammenarbeitet, spielt erschütternd-überzeugend seinen Part als zynischer Anführer einer – gefühlten, gemischten – Friedenstruppe, die sich mittenmal umstellen und gegenüber den vergangenen Zeiten völlig „anders“ verhalten soll. Erst hat man ihnen intensiven Hass und übelste legale (Kriegs-)Brutalität eingebläut, um jetzt plötzlich zu sagen: Nein, ab sofort gelten die bisherigen geistigen, moralischen, physischen „Standards“ nicht mehr. Jetzt benehmen wir uns alle mal: zivil. Also: gut. Zu- und miteinander. Diese gedankliche wie emotionale Belastung in einer glaubhaften Balance zu bewegen, heraus zu kitzeln, gelingt Christian Bale überragend, beeindruckend, charismatisch. Dessen Vorbilder sind nicht von ungefähr Oskar Werner und Marlon Brando; zwei begnadete Mimen der Filmgeschichte. In deren stets präsente Seelen- und poren-tiefe menschliche Fußstapfen tritt er hier ein und auf. Als Anführer eines sorgsam-exzellent besetzten, spannenden Ensembles, das gemeinsam mit Christian Bale zu Höchstform aufläuft und für einen der besten, klügsten, nachhaltigsten (Philosophie-)Western seit Jahren sorgt. Die MUSS-Empfehlung gilt (= 5 PÖNIs).

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