„WO DIE WILDEN KERLE WOHNEN“ von Spike Jonze (Co-B+R; USA 2009; 101 Minuten, Start D: 17.12.2009); er ist einer der wirklich spannendsten aktuellen Filmemacher der USA. Der am 22. Oktober 1969 in Rockville/Maryland als Adam Spiegel geborene Produzent, Schauspieler, Drehbuch-Autor, Kameramann und Regisseur begann seine Karriere mit Musik-Videos (u.a. für die „Beastie Boys“), als Werbefilmer, mit Kurzfilmen und Dokumentationen. Außerdem hat er sich als Fotograf einen guten Namen gemacht. Eines seiner verschiedenen Pseudonyme, unter denen er arbeitet, lautet Richard Konfey. Gleich mit seinen ersten beiden Langfilmen sorgte Spike Jonze für weltweites cineastisches Interesse und Aufsehen: „BEING JOHN MALKOVICH“ (1998/3 „Oscar“-Nominierungen) + „ADAPTION“ (2001/“Silberner Berlinale Bär“; 3 „Oscar“-Nominierungen; „Oscar“ als „Bester Nebendarsteller“ für Chris Cooper). Bei beiden Filmen arbeitete Spike Jonze eng mit dem „seelenverwandten“ Drehbuch-Autoren und „Oscar“-Preisträger CHARLIE KAUFMAN zusammen („Vergiß mein nicht!“/2004), der bekanntlich inzwischen auch als Spielfilm-Regisseur arbeitet („Synecdoche, New York“, Anfang des Jahres bei uns als DVD-Premiere herausgekommen) und vom US-„Premiere Magazin“ vor einiger Zeit als „eine der 100 einflussreichsten Personen in Hollywood“ bezeichnet wurde.
Für sein neuestes Filmwerk adaptierte Jonze ein unkonventionelles Kinderbilderbuch von 1963, das im englischen Sprachraum überaus populär ist und 1964 die „Caldecott Medal“ gewann, die höchste Ehrung für englischsprachige Kinderbücher. Autor ist der am 10. Juni 1928 in Brooklyn/New York geborene Illustrator, Bühnenmaler und Kinderbuch-Autor MAURICE SENDAK, der vom US-Nachrichtenmagazin „Time“ 1964 als „Picasso der Kinder“ tituliert wurde. („In meinen Büchern bekämpfen Kinder mit ihrer Phantasie die Ängste des Alltags“).
Erzählt wird vom 9jährigen Max (MAX RECORDS). DER ist Scheidungskind, fühlt sich einsam, rebelliert gegen die Mama, nervt die große Schwester. Als die Mutter (CATHERINE KEENER/“Capote“) einen neuen Freund ins Heim mitbringt, flippt Max vollends aus. Haut ab. Nimmt per Boot reißaus. Flieht iauf eine Insel, hinein in eine Fantasywelt mit Monstern und Fabelwesen. Den „Wilden Kerlen“. DIE machen ihn zum König. Doch auch hier wird er seine Ängste nicht los, befindet sich erneut in einem emotionalen, gedanklichen Seelen-Wechselbad aus Gemocht-Sein, Einsam-Fühlen. Vermischen sich auch weiterhin die „alten Gefühle“ aus Spaß und Trauer, als Freude und Ängste. Max sieht, fühlt, lernt, begreift abenteuerlich und kehrt schließlich „erfahrener“ nach Hause zurück.
Ein gigantischer „Spaß“, eine riesige Poesie-Magie, ein großes Denk- und Fühl-Vergnügen, fernab der üblichen süß-soßigen (Disney-)Kinderchen-Klischees aus Hollywood. „Wo die wilden Kerle wohnen“ ist ein einzigartiges Erlebnis. Mit enormem, bildergewaltigem Schau-Wert, denn alleine schon diese Muppet-ähnlichen „King Kong“-Wilde Kerle-Riesen-Struwwelpeter-Figuren, mit ihrem filzigen Fell, den Hörnern, Fangzähnen und Schmuddel-Leib, sind hinreißend, be- und verzaubern, gehören zu den ungewöhnlichsten wie schräg-schönsten Trick-Typen der Filmgeschichte. Atmosphärisch wie ästhetisch einfach toll. Dazu diese „anderen“, sensiblen Kind-„Bewegungen“: Max Records, der Sohn eines Fotografen aus Oregon, ist als kleiner, verletzter Charakter-Held so etwas von einfühlsam, mitteilsam, glaubwürdig, präsent, dass es schaudert vor SO VIELEM Verstehen und Vergnügen. WIE er (Er-)Schrecken, Wut, Trauer, Langeweile, Verzweiflung und schließlich „Entdecken“, Begreifen und Dankbarkeit erlebt, ist brillant, köstlich, Gänsehaut erzeugend. Hochemotional.
Normalerweise fällt es schwer, fast stets „nur“ einem Kind „beim Spielen“ zuzuschauen, hier ist es ein kompletter Dauer-Genuss. Weil dieser brillante Bengel körpersprachlich, weil Max Records mit seinem Gesicht VIEL MEHR auszudrücken versteht, als „das gesamte Personal vieler anderer Filme“ („Süddeutsche Zeitung“). Ein Kind macht sich auf, sich selbst „zu erziehen“, auf eine ungeheuer reizvolle, spannende, tiefe, ruppige Weise und Reise; mal als Geborgenheit suchendes „Nest-Kind“, mal als aggressiver Wut-Deibel. Das ganze verrückte klein-menschliche Psycho-Programm. ZAUBERHAFTER, verblüffender, schöner, verständlicher, „kämpferischer“, intensiver und leidender (= fein antiharmonischer) gab es einen Kinderfilm für Kinder (ab 8?) UND Erwachsene wohl noch nie. 5 Nachhol-PÖNIS für ein phantastisches ernstes Spitzenvergnügen.