WIE IM ECHTEN LEBEN

PÖNIs: (4,5/5)

„WIE IM ECHTEN LEBEN“ von Emmanuel Carrère (Co-B + R; Fr 2021; Co-B: Hélène Devynck; K: Patrick Blossier; M: Mathieu Lamboley; 106 Minuten; deutscher Kino-Start: 30.6.2022);

WUCHTIG. WEITSICHTIG.  Titel = „WIE IM ECHTEN LEBEN“ von Emmanuel Carrère (Co-B + R; frei nach dem Buch „Le Quai d’Ouistreham“ von Florence Aubenas/2010; Co-B: Hélène Devynck; K: Patrick Blossier; M: Mathieu Lamboley; 106 Minuten; deutscher Kino-Start: 30.6.2022). Schauspiellegende und „Oscar-Preisträgerin  JULIETTE BINOCHE („Der englische Patient“) erfindet sich neu. In diesem Film spielt sie die renommierte Schriftstellerin Marianne, die ein Doppelleben auf Zeit beginnt. Gibt sämtlichen Komfort der Pariser Kulturelite auf, reist in die nordfranzösische Hafenstadt Caen , wo das Wetter launisch und das Leben rauh ist. Im dortigen Jobcenter gibt sie an, nach der Scheidung jede Stelle anzunehmen, egal wie schmutzig. Ihr eigentlicher Plan: Sie will eintauchen in ein Dasein zwischen Plackerei und Geldknappheit und darüber ei Buch schreiben. Marianne will solche Arbeit verrichten, die in der umsorgten Mittelschicht keiner mehr ausüben will. Der Job als Putzfrau erweist sich als „Glücksfall“  = extreme Schinderei, blöde Sprüche vom Chef, magere Bezahlung. Auch wenn sie nach kurzer Zeit gekündigt wird, bringt ihr die Stelle die überwältigende Unterstützung von den Frauen, die harte Putzprofis sind und echte Freundschaft können. Besonders mit der robusten Christéle (HÉLÈNE LAMBERT) kriegt sie Kontakt, freundet sie sich an, die sich allein mit drei Kindern durchs Leben schlägt. Dank ihr schafft es Marianne in die Putzkolonne des Fährhafens: 12 Arbeiterinnen, 230 Kabinen in anderthalb Stunden. Es klingt wie eine verwegene Wette, die täglich gewonnen und irgendwie auch verloren wird. Mit drei Frauen verbindet sie bald eine tiefe Freundschaft, obwohl ihre wahre Identität damit bald zum größten Problem wird. Doch irgendwann hat Marianne genug Material für ihr Buch zusammen; es ist an der Zeit, das wahre Gesicht zu zeigen.

Zwischen Dichtung und Wahrheit: „WIE IM ECHTEN LEBEN“ ist ein nach Tatsachen entstandener, aufrüttelnder und tief berührender Spielfilm. Der Autoren-Regisseur Emmanuel Carrère, der zu den wichtigsten  zeitgenössischen Schriftsteller Frankreichs zählt (u.a. „Das Reich Gottes“; „Alles ist wahr und die jüngste Neuerscheinung „Yoga“), versammelt für seinen dritten Kinofilm ein großartiges Ensemble, das Leid und Zuneigung einer echten „Arbeits-Gemeinschaft“ zeigt. Es ist ein berührender Stoff, und neben der grandiosen Juliette Binoche sind es vor allem die starken Frauen aus Caen , die sich mit viel Engagement und Leidenschaft selbst verkörpern und so diesem Spielfilm eine große Wahrhaftigkeit verschaffen  –  unterbezahlt, unentbehrlich, aber nicht mehr ungesehen! Ein starker Film! (= 4 1/2 PÖNIs).

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