Als dieser Film Ende April im Kino anlief, befand ich mich im Urlaub. Heute, zum Heimkino-Start, muss er unbedingt nachgeholt werden. Dabei handelt es sich beileibe nicht um ein kühnes Meisterwerk, auf das unbedingt hinzuweisen wäre, ganz im Gegenteil: Der Streifen fällt vor allem dadurch auf, dass er schräg, unanständig und zutiefst unverschämt -augenzwinkernd beziehungsweise urig schwarz-komisch prollt. UND: Mit einem aktuellen Hollywood-Superstar hauptrollenbesetzt ist:
„THE VOICES“ von Marjane Satrapi (USA/D 2013; B: Michael R. Perry; K: Maxime Alexandre; M: Oliver Bernet; 104 Minuten; Start D: 30.04.2015; Heimkino-Veröffentlichung: 06.10.2015).
Wie so oft – in den amerikanischen Vorstädten / Kleinstädten lauert der Psychopath. Solch einer ist Jerry Hickfang (RYAN REYNOLDS). Äußerlich: Ein gewiss freundlicher, liebenswürdiger, eher bescheiden- schüchtern auftretender Solo-„Knabe“, dem man nichts Böses zutrauen würde. Dabei steht der junge Bursche unter psychologischer Kontrolle. Muss, besser: soll täglich seine Medikamente einnehmen, um seine inneren Dämonen unter Kontrolle zu halten. Verlangt jedenfalls seine Therapeutin. Um ihn dann weiterhin auf die Menschheit „loszulassen“. Jerry, der als Arbeiter in einer Badewannenfabrik arbeitet, verehrt die attraktive Kollegin Fiona aus der Buchhaltung (GEMMA ARTERTON), was SIE „ausnutzt“. Indem sie ihn snobistisch verarscht. Dermaßen emotional aufgewühlt, landet „versehentlich“ ein Messer in ihrem Bauch. Kann ja mal passieren; bei einem wie Jerry. Doch nun wie weiter?
Sein rüder Kater, Mr. Whiskers, rät ihm, Zuhause die Leiche zu entsorgen. Während Hund Bosco, ein wirklich gutmütiger Typ, ihn von „weiteren diesbezüglichen Handhabungen“ unbedingt abhalten möchte. Doch Jerry ist „in Schwung“ gekommen. Da ist doch die andere Arbeitskollegin, Lisa (ANNA KENDRICK), mit der er auch durchaus „etwas anfangen“ könnte? Nur zu, befindet der sich immer wohler fühlende und nun gänzlich die täglichen Pillen absetzende innere Jerry. Bald stapeln sich in seiner sich über einer Kegelbahn befindlichen Wohnung Tupperdosen und in seinem Kühlschrank Köpfe. Mit denen der gute Jerry gerne weiterhin zu kommunizieren pflegt. Wie sie offensichtlich auch gutmütig mit ihm.
Was also haben wir?: Kühle, sprechende Menschenköpfe ohne Leib mit durchaus interessanten „Betrachtungen“ über allgemein-komplizierte Lebensstränge/Lebensstrenge; Haustiere von ganz unterschiedlichem = außerordentlichem Charakter, die ihrem „Herrchen“ Jerry Hickfang ihre stark differenzierenden Ansichten seines Handelns verbal-deutlich mitzuteilen vermögen; diesen netten, eigentlich eher unbeholfenen, dann extrem-eigenwilligen Jerry-Irren, dessen Taten immer „kühner“, also abartiger werden.
„The Voice“ besitzt morbiden Humor. Erinnert bisweilen an den frechen Anarcho-Charme eines Jean-Pierre Jeunet („Delicatessen“), kommt gedanklich mit den Fantastereien eines Terry Gilliam („Fear and Loathing in Las Vegas“) in Berührung und lässt seinen Dr.Jekyll/Mr. Hyde-Gestörten konsequent-grotesk ausflippen. In Gestalt des Kanadiers RYAN REYNOLDS, zur Drehzeit 36, der sich – neben Groß-Engagements wie für „Green Lantern“ oder „Die Frau in Gold“ – gerne und erfolgreich auch in kleineren Produktionen (siehe „Adventureland“; siehe vor allem „Burried – Lebendig begraben“/s. Kino-KRITIK)) wie hier beteiligt.
Die aus dem Iran stammende, in Paris lebende Illustratorin, Autorin und Regisseurin MARJANE SATRAPI wurde mit ihren Trickfilmen „Persepolis“ (2007) und „Huhn mit Pflaumen“ (2011) international bekannt. Ihr Comedy-Horror „The Voices“, eine deutsche Co-Produktion, wurde teilweise in unserer Region gedreht, inspiriert zu kultigen Gefühlswallungen, ist schön-gemein.
Ein kess-verrückter, herb-deftiger Spaß „mit Geruch“ für die Spätvorstellung (= 4 PÖNIs).
Anbieter: „Ascot Elite Home Entertainment“