„VITUS“ von Fredi M. Murer (Schweiz 2006; 122 Minuten; Start D: 21.12.2006); einem inzwischen 66jährigen Schweizer Regisseur + Drehbuch-Autor, der seit 1962 16 Filme – darunter 3 abendfüllende Spielfilme – realisiert hat. Hierzulande wurde er vor allem durch seinen Spielfilm „Höhenfeuer“ bekannt (= angesiedelt in der Abgeschiedenheit der Schweizer Berge/im Bergbauernalltag-Milieu), für den er 1985 u.a. mit dem „Goldenen Leopard“ beim Locarno-Filmfestival ausgezeichnet wurde.
Hier nun hat er einen Film mit erfunden (= die beiden weiteren Drehbuch-Autoren heißen Peter Luisi + Lukas B. Suter) und inszeniert, der in der Schweiz mit rd. 180.000 Besuchern ein Riesenpublikumserfolg war, jetzt die Schweiz bei der „Oscar“-Nominierung für den „besten ausländischen Film“ vertritt und zu den „schönsten Disney-Filmen zählt, die Disney nie gemacht hat“. Dabei im Blick-/Mittelpunkt: Ein Schweizer Wunderkind namens VITUS. Als wir ihn das Erste Mal kennenlernen, ist er 6. Hört so gut wie eine Fledermaus, liest anstatt Kinderbücher den Brockhaus, löst bereits komplizierte Mathematikaufgaben und spielt wunderbar Klavier. Während die ehrgeizige Mutter ganz ent-/verzückt ist über so viel Begabung und ihren kleinen Bengel schon mal auf Partys „vorführt“, staunt der Vater nur über das außergewöhnliche Talent seines Knaben und hat im Übrigen als Hörgeräte-Akustiker wenig Zeit.
Kein Wunder, dass der verwitwete Großvater, ein kauziger Schreiner, der in einem verwunschenen Bauernhaus lebt, immer öfter zum wahren Ansprechpartner und Ratgeber für den kleinen über-begabten Vitus wird. Denn bei IHM findet er Ruhe wie Geborgenheit, darf/soll einfach „nur Kind“ sein. 6 Jahre später ist dieses innige Verhältnis zwischen Großvater + Vitus eher noch gewachsen. Während der nunmehr 12jährige „in der Welt“ wegen seiner außergewöhnlichen Fähigkeiten immer mehr zum Außenseiter mutiert ist, gibt der Alte ihm den gewünschten emotionalen wie geistigen Freiraum. Doch dann passiert es: Ein unglücklicher Sturz bringt die Wende. Vitus übersteht zwar die Verletzungen, scheint aber dadurch zu einem „völlig normalen Jungen“ geworden zu sein. Was den Großvater freut und die Eltern ein Bisschen verstört. Aber dies bedeutet noch LÄNGST nicht den Schlussakkord in dieser schönen Geschichte…, ganz im Gegenteil.
„VITUS“ ist ein Film für ALLE. Thema: Wie ein SEHR kluges Kind erst einmal die Lebens-Probleme der Erwachsenen lösen muss, bevor es seine eigenen anpackt. Welche inspirierende Kraft + Wirkung MUSIK auszuüben versteht, wenn man sie nur „richtig einsetzt“. Wie sehr es lebens-belastend sein kann, „außerhalb der Norm“ begabt/talentiert zu sein. Gute wie angenehm-nachdenkliche Laune vermischt sich mit SEHR unangestrengten, hübsch pointierten, fein-überraschend entwickelten Gedanken, Motiven, Einfällen. Ein toller Familien-Film, bei dem SEELE wunderbar-leicht wie stimmungsvoll sicht-/fühlbar wird. Dass dies eben NICHT zu Kitsch, Oberflächlichkeit + Langeweile verkommt, ist auch den hervorragenden Darstellern zu danken.
JULIA JENKINS hält als glückliche wie staunende Mama genau die Balance zwischen Fürsorglichkeit und „Zirkusfrau“; während der endlich einmal wieder „leicht“ auf der Leinwand erscheinende BRUNO GANZ („Der Untergang“; „Brot und Tulpen“) ganz altersweise-leise-verschmitzt den subversiven Opa charmig-grandios spielt: Ein hinreißender Vagabund des Herzens. Der Höhepunkt aber sind die beiden Kinder-Darsteller: FABRIZIO BORSANI öffnet als „Kleiner“ schon die Herzen mit seinem unbekümmert-schönen Spiel; die Krönung aber ist/heißt TEO GHEORGHIU. Das Leinwand-Wunderkind wird von einem „echten“ Wunderkind verkörpert. Denn der heute 14jährige, Sohn rumänisch-stämmiger Eltern mit kanadischem Pass, studiert seit 5 Jahren an einer Elite-Schule für musikalisch-hochbegabte Kinder in London, ist in der Schweiz aufgewachsen, spricht Schweizerdeutsch und zwei weitere Sprachen fließend, ist leidenschaftlicher Fußballfan (Manchester United) und nun auch als „tragender“ Schauspieler ein riesiges Talent.
Und: Am 7. Oktober 2004 (= also mit 12 Jahren) gab Teo – als VITUS – im Rahmen der Dreharbeiten sein Debüt in der Zürcher Tonhalle mit Schumanns Klavierkonzert a-Moll. Ein Glücksfall sonders gleichen also. Für den Regisseur/für den Film/für seine Betrachter. Das Vergnügen bei diesem ebenso originellen wie augenzwinkernden Poesie-Märchen mit Realo-Geschmack ist enorm. Und tut unterhaltungsmäßig RICHTIG GUT. Ein starker Wohlfühl-Film (= 4 ½ PÖNIs).