TRADE – WILLKOMMEN IN AMERIKA

„TRADE – WILLKOMMEN IN AMERIKA“ von Marco Kreuzpaintner (USA/D 2006; B: Peter Landesman, José Rivera; Co-Produzent: Roland Emmerich; K: Daniel Gottschalk; M: Jacobo Lieberman; 120 Minuten; deutscher Kino-Start: 18.10.2007) ist der erste Hollywoodfilm des 30-jährigen, in Rosenheim geborenen Regisseurs und Drehbuchautors. Der Sohn einer Sekretärin und eines Briefträgers erlernte das Filmhandwerk autodidaktisch bei Jobs in der Film- und Werbebranche sowie bei Musikproduktionen. Er studierte Kunstgeschichte in Salzburg, war Assistent bei Edgar Reitz und Peter Lilienthal; 1999 übernahm er die deutsche Synchronassistenz für den letzten Stanley-Kubrick-Film „Eyes Wide Shut“. Im gleichen Jahr lief sein erster Kurzfilm – „Entering Reality“ – auf einigen Filmfestivals und bekam außergewöhnlichen Zuspruch. „Ganz und gar“ war 2003 sein erster Spielfilm; ein Jahr darauf folgte die Homo-Komödie „Sommersturm“. Jetzt also Hollywood (USA/D), mit immerhin ROLAND EMMERICH („The Day After Tomorrow“) als namhaften Co-Produzenten.

Der Film basiert auf dem am 25. Januar 2004 im „New York Times Magazine“ veröffentlichten Artikel „The Girl Next Door“ des Journalisten Peter Landesman. In dem geht es um die „vielleicht zehntausenden“ von mexikanischen Mädchen/Frauen und Jungen, die gegen ihren Willen in den USA als Sexsklaven festgehalten werden. Um das Netzwerk des Sex-Handels also zwischen Mexiko/USA + Europa. Dieser GLOBALE MENSCHENHANDEL steht denn auch im Blick- und Mittelpunkt des Films. Dessen Entstehung von Hilfsorganisationen wie UNICEF, terre des hommes und Amnesty International unterstützt wurde: „Jährlich werden 2,4 Millionen Menschen verkauft“, heißt es z.B. bei Amnesty International. Damit würden pro Jahr rd. 32 Milliarden Dollar verdient. Der Handel findet vor allem dort statt, wo Armut herrscht. Etwa 12 Millionen Menschen leben zurzeit weltweit in moderner Sklaverei.

Tatort Mexiko-City. Am helllichten Tag wird dort die 13-jährige Adriana verschleppt. Ihr kleinkrimineller 17-jähriger Bruder Jorge nimmt die Verfolgung auf. Zeitgleich gerät auch die Polin Veronica in die Fänge der Mädchenhändler; sie wurde mit dem Versprechen auf Arbeit nach Mexiko gelockt. Der Film folgt fortan parallel den widerwärtigen Spuren dieser beiden (wie auch anderer) Opfer-Waren. Zugleich wird – nach etwa einer Stunde – die Figur des amerikanischen Versicherungspolizisten Ray mit-eingeflochten. Er, der selbst einst seine Tochter verloren hat (und sie immer noch sucht), kommt mit Jorge in Kontakt. Nach anfänglichem Misstrauen und einiger Skepsis werden sie zu Verbündeten, die sich nach und nach auch anzufreunden beginnen.

DIE ABSICHT steht hier im Vordergrund und erscheint WICHTIGER als die mit einigen (Hollywood-)Debütanten-Schwächen begleitete Dramaturgie/Erzählweise. Denn DIE hantiert des Öfteren mit stumpfen Moralbotschaften, mit Klischees (= notorisch korrupte mexikanische Polizisten…) und nicht mit präzise wie tiefer beschriebenen Details bzw. Entwicklungen. Zwar gelingt es Kreuzpaintner Emotionen wie Hilflosigkeit, Wut und Scham näherzubringen, doch bevor sie „wirklich ankommen“, saust er bereits zum nächsten Motiv/Ort. Zudem werden die Opfer nur bzw. zu sehr in ihrer Leidensrolle vorgestellt; ihre Identitäten bleiben weitgehend unbekannt/viel zu anonym. Und auch in der Beschreibung der aufkeimenden Freundschaft zwischen dem Jungen und dem Schnüffler-Profi geht es dramaturgisch viel zu lax zu.

Also: Aus dem Thema hätte eigentlich VIEL MEHR HERAUSGEHOLT werden müssen, hätte viel mehr als nur die thematische wie menschliche Oberfläche angekratzt werden dürfen. Und schließlich gleitet das „seriöse Drama“ in einen „spannenden Groschenroman-Thriller“ mit (zu) viel epischer Musik-Soße über. Kreuzpaintner, so hat es den Eindruck, wollte das amerikanische wie europäische/deutsche Kino-Publikum in der brisanten wie hochaktuellen Geschichte um die Zerstörung menschlichen Lebens gleichermaßen „bedienen“ und verhedderte sich dabei in der Machart ein ums andere Mal. Allerdings: „Oscar“-Preisträger KEVIN KLINE („Ein Fisch namens Wanda“) überzeugt in der desillusionierten „Vater“-Figur des Polizisten und führt/hält den Spannungsbogen, während seine schauspielerische Umgebung bemüht mithält.

Fazit: Ein vor allem nur im Kopf bedeutender, wichtiger Film, der dort gut aufrüttelt und packt, während das Interesse an Figuren/Schauplätzen/Bildern eher begrenzt ist, aber durchaus stets wach bleibt (= 3 PÖNIs).

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