Wir haben mittlerweile jährlich über 400 neue Filme in unseren Kinos. Viel zu viel, weil sich dabei auch viel zu viel Durchschnitt „UND DARUNTER“ befindet. Was aber noch (sehr) viel ärgerlicher ist, ist die Tatsache, dass es inzwischen sogar ausgewiesene MEISTERWERKE der Filmkunst NICHT schaffen, ins heimische Kino zu gelangen. Die Gründe dafür sind vielschichtig und können hier nicht ausführlich aufgeführt bzw. genannt/diskutiert werden. Um solch ein MEISTERWERK aber handelt es sich bei dem 2005 in Co-Produktion USA/Fr hergestellten Road-Movie-Seelen-Western
„THREE BURIALS – Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada“ von Tommy Lee Jones (USA/Fr 2005; 121 Minuten; DVD-Veröffentlichung: 06.12.2007).
Es ist der erste KINO-Regiefilm des Schauspielers TOMMY LEE JONES, zugleich spielt er auch die Hauptrolle (sein Regie-Debüt gab er bereits 1995 mit dem Fernsehfilm „The Good Old Boys“, in dem er auch die Hauptrolle spielte. Dafür gab es Nominierungen für für den „Cable Ace Award“ sowie den Preis der „Actor´s Guild“. Ein TV-Movie, das ich – leider – nicht kenne).
TOMMY LEE JONES: Am 15. September 1946 in San Saba/Texas geboren. Galt viele Jahre als einer der BESTEN aus der „zweiten Darsteller-Reihe“ Hollywoods, inzwischen hat er es längst in die erste geschafft. Hatte unvergessliche Auftritte in Filmen wie „J.F.K. – Tatort Dallas“; „Thelma und Louise“; Der Klient“, natürlich als/in „Men In Black 1 + 2“ (mit Will Smith) und in „Space Cowboys“ (mit Clint Eastwood/Donald Sutherland/James Garner) sowie im letzten Robert-Altman-Werk „Last Radio Show“. Für seine Jäger-Rolle als Deputy US-Marshall Sam Gerard in dem Richard-Kimble/Harrison-Ford-Thriller „Auf der Jagd“ erhielt er den „Oscar“ als „Bester Nebendarsteller“ (1998).
„Three Burials“, also „Drei Begräbnisse“, hatte vor zwei Jahren auf den Filmfestspielen von Cannes seine Welturaufführung, bekam viel Kritik-Lob, und für Tommy Lee Jones gab es den Darstellerpreis. Es ist ein zeitgenössischer Western, der im staubig-öden amerikanisch-mexikanischen Grenzgebiet angesiedelt ist. Als ein hitzköpfiger Ranger versehentlich einen mexikanischen Tagelöhner und Ranch-Arbeiter erschießt, wollen zwar die Behörden keine großen/weiteren Ermittlungen anstellen, doch sein Freund, der weiße Ranch-Vorarbeiter Pete, der mit dem erschossenen Melquiades Estrada freundschaftlich verbunden war, sorgt für Unruhe. Er will den Toten in seinem mexikanischen Heimatdorf beerdigen. Also entführt er kurzerhand den Todesschützen und zwingt diesen, den bereits in Verwesung übergehenden Leichnam auszugraben. Dann geht es mit den Pferden in Richtung Mexiko. Die polizeilichen Verfolger nehmen die Verfolgung eher halbherzig auf; ihnen ist es im Grunde wurscht, da der Neue ob seiner latenten Aggressivität im Rancher-Team sowieso nicht allzu beliebt war. Ein ungleiches Paar, mit einem Toten im Sattel, und die staubige Niemandsland-Gegend. Thema: Die Würde von Menschen, der Respekt, das Handeln gegen die Regeln; die sich verändernde Einschätzung von Menschen, wenn man sie erst einmal näherkennenlernt.
Der lakonisch-faszinierende Blick auf einen ereignisreichen Seelen-Western, der wie eine antike Tragödie kammerspielartig-fabelhaft entwickelt wird. Großartig im Denken, im Sich-Bewegen, außen wie innen, in der zurückhaltenden, gleichsam aber außerordentlich aufregenden Figuren-Beschreibung sowie in der atmosphärischen Landschaftsbeschreibung und auch im fein-musikalischen Stimmungsausdruck (MARCO BELTRAMI). Thema: Die Schuld und die Sühne. WIE DAS in diesem epischen Ausnahme-Western entwickelt/erzählt/beobachtet/dargestellt wird, ist brillant, nahegehend, durchweg reizvoll, berührend, SEHR SPANNEND die Sinne/die Augen prickelnd-kitzelnd. Niemand ist hier Nur-Gut/Nur-Böse, ganz im Gegenteil. Die sich verändernden Positionen machen die Qualität dieses AUSSERORDENTLICHEN Spannungswerks aus. Was aber nicht verwundert, wenn man hört, dass kein Geringerer als GUILLERMO ARRIAGA das Drehbuch verfasst hat.
Arriaga, 1958 in Mexiko-Stadt geboren, ist ein exzellenter mexikanischer Schriftsteller, Drehbuch-Autor und Film-Produzent. Zu seinen Meisterleistungen zählen die Drehbücher zu den auch bei uns hochgeschätzten Filmen „Amores Perros“ (2000); „21 Gramm“ (2003) sowie „Babel“ (2006/“Oscar“-Nominierung in der Kategorie „Bestes Original-Drehbuch“). Für diese Arbeit-hier wurde er in Cannes mit dem Preis für das „Beste Drehbuch“ verdientermaßen belohnt/belobigt. Dass dieser grandiose CINEMASCOPE-Western natürlich zuallererst auf die große Leinwand gehört, darüber besteht kein Zweifel. Dennoch verbrachte er es bei uns dort nur ein paar wenige Tage, in einigen Großstädten, kurz vor dem jetzigen DVD-Start. Wenn man ihn also auf der Leinwand nicht sehen konnte/kann, dann sollte man ihn jetzt „wenigstens“ per Heimkino (mit exzellentem Bonusmaterial in der „Special Edition“) nachholen. Schließlich ist „Three Burials“ einer der besten Filme, die in diesem Jahr bei uns herausgekommen sind.
Anbieter: „Ascot Elite Home Entertainment“