PÖNIs: (4,5/5)
„THE SQUARE“ von Ruben Östlund (B + R; Schweden/D/Fr/Dänemark 2016; K: Fredrik Wenzel; M: Rasmus Thord; 151 Minuten; deutscher Kino-Start: 19.10.2017); „Wir schaffen das“, heißt es; gemeint ist: Kunstwerke „aufzufüllen“. Wir, im Rundfunk, sagten dazu früher: Es versendet sich. Hier ist gemeint: Diese depperte „Aktion“ fällt sowieso niemandem auf. Oder: Was Kunst ist, bestimmen schließlich wir.
Am Anfang bilden sie zwei Welten: Die Welt der Kunst/Künste; die reale Welt. In der Kunst-Szenerie ist Christian Nielsen (CLAES BANG) als Kurator eines angesehenen Stockholmer Kunstmuseums ein Star. Christian, ein properer Endvierziger, ist geschieden, besitzt eine luxuriöse Wohnung und sieht sich neuerdings in der sozialen Verantwortung. Anlässlich (s)einer neuen Ausstellung, „THE SQUARE“, in die Menschen, Besucher, einsteigen und „Solidarität“ ausüben sollen. Die Aufschrift lautet: „Hier ist ein Zufluchtsort, an dem Vertrauen und Fürsorge herrschen. Hier haben alle die gleichen Rechte und Pflichten“. Durch das Miteinander, durch das Zusammenstehen innerhalb dieses Quadrats. Alles ist vorbereitet und, wie man so schön sagt, im Lot. Ein motiviertes Team, das gerade – um die größtmögliche Reichweite zu erzielen – dabei ist, junge, dynamische Social-Marketing-Typen für ein spektakuläres Werbe-Video zu engagieren. Was Christian aber selber gar nicht so klar aufnimmt, weil er gerade mit etwas Anderem irritiert-vorrangig beschäftigt ist. Trickdiebe haben ihm gerade auf der Straße Brieftasche und Mobiltelefon geklaut. Das Telefon lässt sich orten, befindet sich offensichtlich in einem dieser – ihn bisher nicht tangierenden – Sozialwohnbunker „außerhalb“. Dort wirft er Flugblätter in jede Wohnung, in denen er mit „Konsequenzen“ droht, wenn ihm sein Eigentum nicht umgehend zurückgegeben wird. Was interessante Folgen haben wird.
Derweil beginnt das Projekt „The Square“, sagen wir mal, etwas aus dem Ruder zu laufen. Was mit einem – ziemlich – unkonventionellen, manche sprechen von einem abartigen, provokanten Video zu tun hat. Das die Öffentlichkeit mobilisiert. Die kluge Show nimmt an Satire-Fahrt auf.
Wenn „Leben“ in „Kunst“ eingreift. Oder umgekehrt. Wenn das Sein nicht nur für Abgehobene, sondern auch für „Andere“ atmet. Gilt. Die nicht an einem solch „goldenen Platz“ wie Christian „hochkulturell“ existieren. Und die nun plötzlich auch „beachtet“ und „behandelt“ werden. (Müssen.) Wenn wir in und auf einen Kunstbetrieb schauen, der keineswegs als Hort der kulturellen Aufklärung dient, sondern sich selber als fauler Zirkus darstellt. Mal lächerlich, mal Schmarotzer-haft, mal onanierend-klugscheißerisch, aber immer mit dem Anspruch und Verständnis von „Kunst“ argumentierend. Ich weiß, also bin ich. Bestimme ich. Und mehr und mehr entdeckt der Rezensent erhebliche Parallelen inmitten seines beruflich-kulturellen Umfeldes, besonders alljährlich, in Verbindungen und Zusammenhängen während der Berlinale, mit diesen eitlen, unanständigen, lächerlichen Posen und Possen und platten Argumenten. Und dämlichen Verkleidungen. Wir sind Kultur. Also sind wir automatisch Entscheider. Erheblich Wissende. Alles klar doch?
„The Square“ ist … zum genüsslichen – provozierenden Denken-Empfinden. Diese vielen ausgespielten „Sketche“ um Status, Gier, Sex, vor allem: Geld, lodern klug und clever. Motto: Die larmoyanten Über-Seins gegenüber denen, die man bisher gerne übersah. Das Unbehagen der Etablierten. Oder: „der Terror modernen Lebensstils“ (Gerhard Midding in „epd film“ 10/2017). Wenn unsere tief sitzenden Alltagsrituale plötzlich aufbrechen.
All dies verpackt der Autoren-Regisseur RUBEN ÖSTLUND (ebenfalls köstlich: „Höhere Gewalt“/2014) – der für seinen schönen, ironischen Spott in diesem Jahr in Cannes mit der „Goldenen Palme“ belobigt wurde – in ein brillantes Gedanken-Potpourri. Über eine widersprüchliche, dekadente, west-gesellschaftliche Anstößigkeit namens Kunst-Betrieb (= 4 1/2 PÖNIs).