PÖNIs: (3,5/5)
„THE LIMEHOUSE GOLEM“ von Juan Carlos Medina (GB 2015/2016; B: Jane Goldman; nach dem Roman „Dan Leno und der Limehouse Golem“ von Peter Ackroyd/1994; K: Simon Dennis; M: Johan Söderqvist; 105 Minuten; deutscher Kino-Start: 31.08.2017); ursprünglich war Alan Rickman für die Rolle des Scotland Yard-Ermittlers John Kildare vorgesehen, doch dann verstarb er im Januar 2016 und der nicht minder faszinierende BILL NIGHY („Tatsächlich … Liebe“; „Radio Rock Revolution“; „Best Exotic Marigold Hotel“) ersetzte ihn. In London graust es. Im düsteren Hafenbezirk Limehouse des Jahres 1880 sind mehrere Anwohner bestialisch ermordet worden. Verdächtigt, beschuldigt wird: „The Limehouse Golem“, jene aus der jüdischen Mythologie überlieferte Figur aus Lehm, die über gewaltige Kräfte verfügt. Der introvertierte Inspektor Kildare wird beauftragt, diese Mord-Serie aufzuklären, damit an diesem tristen Unterschichten-Standort wieder „Normalität“ eintritt.
Natürlich „Jack the Ripper“-, natürlich Sherlock Holmes-Atmosphäre. Natürlich aber auch Charles Dickens. In der beklemmend wirkenden Beschreibung dieser armseligen wie bedrohlich wirkenden Gegend im viktorianischen London. Wo es gilt, einem Varieté-Star namens Dan Leno (DOUGLAS BOOTH) zu folgen, der mit seinen listig-drastischen Attacken eines Bühnen-Clowns für enorme „intime“ Spannung sorgt, während sein Publikum allabendlich ausrastet. Ein verruchtes Viertel, zwielichtige Gestalten, verdächtige Bewegungen sowie die verunstalteten Toten, mit deren Blut „Lateinisches“ an die Wände geschmiert wurde, sorgen für inneren wie äußerlichen Aufruhr. Reichlich „gefüttert“ auch über Verbindungen zu diesem „sehr speziellen Milieu“ einer grotesken Music-Hall-Kabarett-Bühne und seines exzentrischen Rampen-Protagonisten. Wo gemeiner Klatsch und hinterhältiger Verdächtigungs-Tratsch blühen.
Zwei sensible gesellschaftliche Außenseiter pulen sich heraus: Der stoisch-gelassene homosexuelle Kildare und die in ihrer Kindheit missbrauchte und jetzt als Verdächtige „aufgestellte“ Elizabeth „Lizzie“ Cree (OLIVIA COOKE). Zwei Seelenverwandte. Während sich auch schon mal der Bibliotheksbesucher und Sozialphilosoph Karl Marx (= genau jener) als Verdächtiger empfiehlt.
Ein schmucker Grusel-Horror-Thriller, in dem diese unheilvolle britische „Ripper-Welt“ des 19. Jahrhunderts vorzüglich ausgeleuchtet und effektvoll-grotesk in prächtig-verrucht-stimmungsvolle Bilder-Szene gesetzt wird. Der sich lange Zeit eines direkten Hinweises auf Who-is-Who verweigert und auf nicht immer geschickte dramaturgische Ablenkungsmanöver setzt, bevor es schlussendlich ans wirklich und sehr verblüffende Lösungs-Eingemachte geht. BILL NIGHY, inzwischen gestandene 67, ist immer ein souveräner wie knochen-trockener Spannungs-Gewinn; der lange Schlacks ist ein nobler Mime zum Immer-Genießen. Seine Präsenz verhindert bisweilen ein Abgleiten in eine mögliche Bedeutungslosigkeit, wenn mit zu vielen Um-Wegen „der Kick“ abzustumpfen droht. Nehmen wir es wie es ist: Ein weiterer BILL NIGHY-Triumph ist spannend zu annoncieren (= 3 1/2 PÖNIs).